Die großen Ordensgründer. Anton Grabner-Haider
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Viele dieser Ordensgründer werden in der Kirche als Heilige verehrt, nämlich als Vorbilder des guten und gelingenden Lebens. In der katholischen Kirche und in den Ostkirchen gelten sie als Fürsprecher bei Gott, die den Gläubigen göttliche Gnadenkraft vermitteln können. In sehr unterschiedlichen Zeitepochen haben sie die Nöte ihrer Mitmenschen und Mitchristen deutlich erkannt und haben Hilfsorganisationen für den Dienst an den Kranken, den Armen und den Außenseitern aufgebaut. Stets lebten sie in einer intensiven Liebesbeziehung zu Gott, zu Christus, wie auch zu Maria oder zu anderen Heiligen.
Die Anfänge der Orden gehen, genau betrachtet, schon auf die frühe Jesusbewegung zurück. Jesus wählte nach dem Zeugnis der vier Evangelien aus seinen Anhängern so genannte Wanderlehrer und Wandercharismatiker aus (Mk 6,7-13), die mit ihm von Ort zu Ort und von Dorf zu Dorf zogen, um dort die Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden. Die meisten seiner Anhänger lebten jedoch sesshaft bei ihren Familien in Dörfern und unterstützten die Wanderlehrer mit Nahrung und Unterkunft.
Diese Zweiteilung setzte sich in vielen frühchristlichen Gemeinden fort. Auch dort gab es Gruppen, die wandernd unterwegs waren und das Evangelium von Jesus Christus verkündeten, neben den vielen sesshaften Christen in den Städten und Dörfern. Die Missionare der Botschaft Jesu waren mehrheitlich Männer, weil dem Zeugnis von Frauen in der antiken Gesellschaft weniger Wert beigemessen wurde. Und doch beteiligten sich auch Frauen an der Glaubensverkündigung und auch manche verheiratete Paare waren als Missionare unterwegs. Es ist möglich, dass Jesus selbst schon Paare als Wanderprediger ausschickte. Sicher wissen wir aber von frühchristlichen Gemeinden, etwa denen des Paulus, dass Paare missionarisch tätig waren (Röm 16,3).
Diese Wanderlehrer, aber auch die so genannten Propheten und Ekstatiker wurden als Eliten des christlichen Glaubens angesehen. Zu ihnen zählten alle Personen, die in ekstatischen Visionen den gekreuzigten Jesus als auferstandenen Christus gesehen hatten. Als die Ortsgemeinden größer wurden, gaben sie sich feste Leitungsstrukturen, mehrheitlich mit den Funktionen der Presbyter, Episkopen und Diakonen. Von da an traten die missionierenden Propheten und Prophetinnen häufig in ein Konkurrenzverhältnis zu den Leitern der sesshaften Ortsgemeinden. Diese versuchten fortan, das prophetische Element ein wenig zurückzudrängen.
Bereits im 2. Jahrhundert n. Chr. bildeten sich in den christlichen Gemeinden zwei verschiedene Gruppen von Christen, nämlich die Klerikerchristen und die Laienchristen. Jenen, die in der Gemeindeleitung tätig waren und im Gottesdienst Funktionen ausübten, nannten sich bald Kleriker, da sie glaubten, von Gott ein besonderes Los (kleros) zugeteilt bekommen zu haben. Zu ihnen gehörten Episkopen, Presbyter und Diakone, die im Gottesdienst eigene Plätze um den Altar zugeteilt bekamen. Das christliche Volk (laos = Volk) bildete demgegenüber die viel größere Zahl der Laienchristen. Sie wurden von den Klerikern im Glauben und in der Moral unterwiesen und finanzierten mit den Erträgen ihrer Arbeit die Gemeinden.
Schon früh kristallisierte sich über die Gruppe der Laienchristen und Kleriker hinaus eine dritte Gruppe von Gläubigen heraus, die das prophetische Element der frühen Gemeinden weitertrugen. Sie bildeten formell noch keinen eigenen Stand, waren aber in ihrer Wertschätzung deutlich von den Laienchristen abgehoben. Zu diesen Personen gehörten die Witwen, die nach dem Tod ihrer Ehemänner nicht mehr heirateten, sondern in kleinen Gemeinschaften in Familienhäusern lebten. Zu ihnen gehörten auch die so genannten »Jungfrauen« (griech. parthenoi, lat. virgines), die in verschiedenen Altersgruppen ehelos zusammenlebten. Von ihnen wurde angenommen, dass sie der christlichen Gemeinde göttlichen Segen bringen.
Diese ehelosen Frauen wurden auch als Vorbilder des guten Lebens in der Nachfolge Jesu geschätzt. Den Witwen unter 40 Jahren wurde von den Gemeindeleitern empfohlen, noch einmal zu heiraten und Kinder zu erziehen. Die Witwen über 40 sollten unverheiratet bleiben, um sich besonderen sozialen Diensten widmen zu können. Gemeinschaften unverheirateter Männer sind in den frühen christlichen Gemeinden nicht nachweisbar. Die Pastoralbriefe im Neuen Testament empfehlen, dass der Bischof und wohl auch die Presbyter und Diakone verheiratet sein und Kinder erziehen sollten, aber nach dem Tod ihres Ehepartners nicht mehr heiraten (1 Tim 3) sollten. Hier sind aber keine einheitlichen Regelungen für alle frühen Gemeinden zu erkennen.
In manchen Regionen wurde den Leitern der Gottesdienste empfohlen, ähnlich wie den jüdischen Priestern beim Tempeldienst, eine Zeitlang vor dem Gottesdienst auf sexuelle Betätigung zu verzichten, da angenommen wurde, dass dann die Gebete der Presbyter, Episkopen und Diakone Gott wohlgefälliger seien. So finden sich schon im 3. Jahrhundert in Schriften Appelle an kirchliche Funktionsträger, zeitweise sexuell enthaltsam zu leben oder gleich gar nicht zu heiraten. Eine spanische Bischofsynode in Elvira befahl zu Beginn des 4. Jahrhunderts erstmalig den Presbytern und Bischöfen in Spanien, überhaupt auf Sexualität zu verzichten, und begründete dies mit dem entsprechenden Verhalten jüdischer Priester vor dem Tempeldienst. Doch diese Vorgaben konnten lange Zeit nicht allgemein durchgesetzt werden.
Nun wurde von den Klerikern die zeitweilige Askese (griech. askesis = Verzicht) als Verzicht auf Essen und Trinken, auf Schlaf und Sexualität auch den Laienchristen empfohlen. Die Theologen verfassten Schriften über die »Jungfräulichkeit« (De virginitate), in denen sie ausführten, dass die asketischen Männer und Frauen dem Göttlichen näher seien als die verheirateten und sexuell aktiven Christen. Gewiss war Jesus von Nazaret durch den Asketen und Täufer Johannes in seine Berufung eingeführt worden, doch Jesus lebte nach dem Zeugnis der Evangelien nicht asketisch. Er aß und trank reichlich und ließ sich von Frauen in der Öffentlichkeit salben und zärtlich berühren.
Wenn man der gängigen, aber gar nicht so unproblematischen Deutung des archäologischen Befundes am Toten Meer trauen darf, hatte sich im Judentum schon 150 Jahre vor Jesus in Qumran eine Gemeinschaft gebildet, in der ein Teil der Mitglieder unverheiratet und asketisch lebte. Diese Gemeinschaft soll ihre Lebensweise als Protest gegen die griechische Kultur im Land und gegen den Hohenpriester aus der Sippe der Hasmonäer verstanden haben. Bildete Qumran tatsächlich eine Frühform von klösterlichen Gemeinschaften, bildet diese einen Vorläufer zu der Lebensform, die im 2. Jahrhundert n. Chr. auch Jesusjünger und Christen in Syrien, Palästina und Ägypten wählten? Einige von ihnen lebten allein als Asketen (monachoi = Einzelne = Mönche), andere lebten in Gruppen zusammen (koinoi = Gemeinsame, bios = Leben, daher Koinobiten oder Zönobiten, Gemeinsam Lebende oder Zusammenlebende). Sie alle aber wollten das Evangelium Jesu in besonderer Weise verwirklichen.
Aus diesen frühen asketischen Gruppen und Gemeinschaften entwickelten sich später die verschiedenen kirchlichen Orden. Die Namen der frühen Gründer sind uns nur zum Teil bekannt, doch gerade die späteren Gründer werden von diesen Lebensgemeinschaften hoch geschätzt und verehrt. In diesem Buch sollen die wichtigsten Ordensgründer in den verschiedenen Zeitabschnitten der Kirchen übersichtlich dargestellt werden. Dabei wird auf das kulturelle Umfeld geachtet, in dem die verschiedenen Orden und religiösen Gemeinschaften entstanden sind und in dem sie ihre segensreichen Tätigkeiten ausgeführt haben.
1. »NEUES IM OSTEN« – VON EREMITEN, ANACHORETEN UND KOINOBITEN
Zur Entstehung des christlichen Mönchtums
Die Anfänge des eigentlichen christlichen Mönchtums liegen in der Wüste. In Syrien und Palästina entstanden im 3. Jahrhundert in unwirtlichen