Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig Ganghofer

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Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig  Ganghofer

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strömend der Duft aller Blumen sich gelöst, als stiege würzig und stark aus dem Schiß der Erde herauf, was ihre getränkte Scholle an Wohlgeruch besaß.

      In solcher Luft! Wie war das ein leichtes und frohes Wandern!

      Bald klangen die Schritte der beiden Jäger auf kahlem Gestein wie Hammerschlag, bald wieder erloschen sie, wenn der Weg über feuchten Rasen ging.

      Ettingen atmete, als wäre in seiner Brust ein unersättlicher Durst nach aller Frische dieses Morgens. Immer wieder blieb er stehen, winkte mit der Hand und grüßte mit dem Hut zurück nach dem kleinen Haus da droben, auf dessen Schwelle die regungslose, schlanke Mädchengestalt wie von nebelhaftem Feuerglanz umwoben war – vom rötlichen Lampenschein, der aus der Stube quoll.

      Dreizehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Alle Gipfel der Berge strahlten im Widerschein der Sonne, als Ettingen und Praxmaler gegen fünf Uhr morgens die Jagdhütte im Sebenwald erreichten. Hier fanden sie einen aufgeregten Menschen: den Förster Kluibenschädl. Der war mit Anbruch des Tages gekommen, um die Treibjagd abzusagen, die erst am folgenden Tag gehalten werden sollte, weil – ja, weil der Wind nicht günstig wäre –, in Wahrheit, weil man im Jagdhaus in zwei Tagen mit der Einrichtung des Grafenstüberls so weit nicht fertig wurde, daß es tadellos und bereit wäre, die »freudige Überraschung« aufzunehmen. Als Kluibenschädl in der Schutzhütte die Betten unberührt und den Herd ohne Glut gefunden, war ihm die Sorge mit »gacher Hitz« in den Kopf geschossen. Schon wollte er in seiner Angst zur nächsten Almhütte rennen, um mit den Sennleuten die Suche nach seinem Herrn zu beginnen. Da kamen die beiden, gesund und mit heiterem Geplauder. Es hätte nicht viel gefehlt, und Kluibenschädl wäre in der ersten Freude dem Fürsten um den Hals gefallen. Während Pepperl das ganze Abenteuer lustig erzählte, umklammerte der Förster die Hand seines Herrn. Dann sah er ihm lachend ins Gesicht und sagte:

      »Sakrawolt! Duhrlaucht! Die heutig Nacht auf'm hülzernen Sessel muß Ihnen gut angschlagen haben. Ausschaun tun S' wie's Leben!«

      Sie traten in die Hütte, und Pepperl schürte Feuer zum Frühstück an.

      »No, Gott sei Lob und Dank, Duhrlaucht, weil S' nur wieder da sind! Und bei der Fräuln Petri, da is man nobel aufghoben. Da hat Ihnen freilich nix gschehen können!«

      In froher Laune nahmen die drei das Frühstück ein. Dann machte der Förster sich auf den Heimweg zum Jagdhaus. Als er schon ein paar hundert Schritte davongewandert war, kam Pepperl ihm atemlos nachgerannt, mit einem jagdlichen Zweifel, dessen Lösung so klar auf der Hand lag, daß der Förster seiner Antwort kopfschüttelnd die Worte beifügte: »Na hörst, das hättst doch selber wissen können! Da hättst doch nicht so rennen müssen.«

      »Ja, ja, is schon wahr! Und jetzt marschieren S' heim, gelten S'?«

      »Natürlich! Wohin denn sonst?«

      »Ja, freilich! Und – wie geht's denn allweil daheim?«

      »Wie soll's denn gehn? Gut halt!«

      »Was macht denn – sag ich zum Beispiel, der Herr Kammerdiener?«

      »D' Nasen streckt er in d' Höh und faulenzen tut er, derweil die anderen schaffen. Und den halben Tag hockt er bei der Sennerin. Könnt was Gscheiters tun, als dem dalketen Madl den Kopf verdrahn. Aber was geht's denn mich an? Bhüt dich Gott, Pepperl!«

      Mit traurigen Augen guckte Pepperl dem Förster nach, strich mit schwerer Hand über die aufgedröselten Kreuzerschneckerln, zog das blaue Sacktuch aus der Joppe und wischte die Lederhose ab, als hätte er das Gefühl, daß er mit Wasser begossen wurde. Freilich, feucht war das Leder noch vom Abend her.

      In der Hütte fand er den Fürsten auf seinem Lager schon eingeschlummert. Seufzend betrachtete Pepperl seinen Herrn. »Ah, der schlaft gut! Könnt ich nur auch so schlafen heut!«

      Nicht nur gut schlief Ettingen, auch lange.

      Um drei Uhr nachmittags, als Toni Mazegger an der Hütte vorüberging, um den Ehrwalder Jäger für die Treibjagd zu bestellen, waren Tür und Läden des kleinen Balkenhauses noch geschlossen.

      Mazegger schien Eile zu haben. Sein Gang war von treibender Hast. In brütender Unruhe starrte er vor sich hin, während er durch den Sebenwald hinaufeilte gegen das Seetal. Das Almfeld öffnete sich vor ihm, und wieder begann der Wald. Auf einer Lichtung wurde der Pfad gekreuzt vom Sebener Almzaun, der das Jungvieh verhindern sollte, vom höheren Seetal durch den Wald hinunterzusteigen und die reichere Weide der vom Milchvieh bezogenen Niederalm aufzusuchen. Der Zaun war ein mannshoch aufgetürmter Wall von dürren Bäumen, von denen die untersten wohl schon hundert Jahre oder noch länger lagen. Wo das dürre Zeug vermoderte und im Winter unter dem Druck des Schnees zusammenbrach, wurden im Frühjahr neue Reisighaufen und dürre Bäume auf den Wall geworfen, der die ganze Breite des Seetals quer durchzog und zur Linken und Rechten hinaufreichte bis zu den kahlen Wänden.

      Bei diesem Almzaun war für drei Uhr morgens das Stelldichein der Treiber und Jäger angesagt, die das Hochwild des Sebenwaldes hinunterdrücken sollten gegen den bei der Geißtaler Ache liegenden Fürstenstand.

      Wo der Pfad ging, hatte der Wall eine Lücke, die durch ein hohes Stangengatter versperrt war. Mazegger öffnete das Tor und schloß es wieder. Immer langsamer wurde sein Gang. Als er neben dem Pfad einen Baumstock sah, legte er Büchse und Bergstock nieder, trocknete die Stirn und rastete. Mit zitternden Fingern glättete er den feucht gewordenen Hemdkragen, band die Krawatte frisch, säuberte mit einem Büschel Moos die Schuhe und wusch in einem Regentümpel die Hände. Seine schmucke Jägerkleidung musternd, nahm er den Marsch wieder auf. Nur wenige Minuten hatte er durch den Wald noch aufwärts zu steigen, bis er zwischen den Bäumen den Seespiegel flimmern sah. Bevor er den Waldsaum erreichte, spähte er nach allen Seiten. Am Ufer sah er den Knaben mit der Angelrute stehen. Lautlos wich Mazegger in den Wald zurück und stieg auf einem Umweg über das Latschenfeld zu dem kleinen Haus hinauf.

      Unter dem Harfenbaum, an dem sich in der Goldstille des Nachmittags keine Nadel rührte, saß Lo am Tisch. Sie hatte den Basthut abgelegt. Umzittert von den Sonnenlichtern, die durch den Schatten des Baumes fielen, saß sie über ein Schulheft des Bruders gebeugt, der unter dem Eindruck des vergangenen Abends einen deutschen Aufsatz geschrieben hatte: »Gewitter im Hochgebirg.« Der mit großen Worten spielende Schwung der kindlichen Schilderung wirkte erheiternd auf Lo; doch ihr eigenes Erinnern plauderte so viel in die harmlosen Zeilen hinein, daß ihr die Wangen glühten.

      »Schon sinket bei diesem Aufruhr der gesamten Natur die schwarz geflügelte Nacht auf die Berge herab.« So führte Gustl mit klassischen Reminiszenzen und mit allen Stimmungseffekten seiner jungen Schilderungskunst die kühne Prosadichtung zu einem erbaulichen Schlusse. »Es heult der Sturm, alle Schleusen des Himmels sind geöffnet, unaufhörlich kracht der Donner, und flammend zuckt aus den finsteren Wolken der Wetterstrahl. Da horch, eine Stimme! Sind Menschen in Not? Ja, so ist es! Zwei verirrte Wanderer sind zum Spielball des Sturmes und der Finsternis geworden. Ach, die armen, guten Menschen! Wie wird es ihnen ergehen? Aber schon ist die Hilfe näher, als sie denken. Ein Licht blinket in der Nacht, und mit dankerfülltem Herzen betreten die mit dem Schrecken davongekommenen Verirrten das gastliche Haus, welches sie unerwartet in der Not gefunden haben. Der Herr des Hauses heißet die Gäste freundlich willkommen, und während auf dem Herde das wärmende Feuer flackert, bereitet die gute, emsige Schwester schon das Mahl. Trotz fühlbaren Mangels an Betten weilen sie in fröhlicher Eintracht beieinander, bis der Morgen nach allem Aufruhr der Natur wieder das herrlichste Wetter bringt. Da scheiden

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