Brot des Lebens. Helmut Kratzl
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Seit etwa 30 Jahren hat sich vielerorts eingebürgert, dass die Kinder gleich gekleidet in Kutten zur Erstkommunion gehen. Der Hauptgrund war die lästige Kleiderfrage. Als Pfarrer war ich sehr enttäuscht, dass sich die Eltern – meist die Mütter – beim Elternabend vor der Erstkommunion fast ausschließlich für die Kleiderfrage interessierten. Ich warnte sie, Mädchen einen „Brautschleier“ umzuhängen, weil er zu leicht durch die brennenden Taufkerzen entzündet werden könnte. Die Kleider wurden auch zum Statussymbol. Es ging darum, wie wertvolle man sich leisten konnte. Daher erlebte ich in meiner Pfarre, dass Frauen Kinder aus ärmeren Familien eigens ausstatteten, damit sie nicht vom allgemein Üblichen abfallen. Nun gehen alle gleich gekleidet, in eigens dafür geschneiderten Kutten. Die Pfarren, die das als erste einführten, waren stolz darauf und kamen sich besonders fortschrittlich vor.
Ich verstehe die Gründe für diese Entwicklung. Überdies interpretierte man die weißen Kutten gerne als Erinnerung an das Taufkleid. Dennoch halte ich diese Lösung letztlich nicht für gut. Durch diese gemeinsame „Tracht“ wird die Erstkommunion zu einem herausragenden, einmaligen Ereignis. In Wirklichkeit aber sollte die „erste Kommunion“ darauf hinweisen, dass ab nun das Kind die Messe voll und ganz mitfeiern kann, wozu eben die Kommunion gehört. Dass die Kommunion ab jetzt sozusagen zum „sonntäglichen Alltag“ gehört. Da gibt es dann aber keine Kutten mehr, sondern das übliche Sonntagskleid. Und wenn manche klagen, dass Kinder nach der Erstkommunion lange nicht mehr – oder höchstens unter dem „gelinden Zwang“ einer Schulmesse – zur Kommunion gehen, dann mag die „Ausnahmekleidung“ vielleicht auch eine Rolle spielen. Also Kommunion nur unter besonderen Umständen, in „liturgischer Kleidung“, nicht aber wie selbstverständlich an jedem Sonntag.
Sollen Schwerstbehinderte auch zur Erstkommunion gehen?
Schon öfter wurde ich von einem Sonderpädagogischen Zentrum am Rand von Wien eingeladen, dort Kindern die Firmung zu spenden, gelegentlich auch die Erstkommunion. Auch jüngst war es wieder so. Die Kinder waren unterschiedlich behindert und die Gestaltung der Messe war sehr lebendig. Das Evangelium vom Sturm am See und der Angst der Apostel, während Jesus schlief, wurde szenisch dargestellt. Ein Schlauchboot zeigte das Schiff, ein Bub spielte den schlafenden Jesus und wurde sehr emotional von den Mitschülern geweckt. Der Gesang wurde von einer lautstarken Band der Schule angefeuert. An Lebendigkeit fehlte in dieser Messe nichts. Ein Bub sollte auch zur Erstkommunion gehen. Er war geistig schwerst behindert. Als ich mit der Kommunion zu ihm kam, wehrte er sich vor lauter Aufregung lautstark. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ihm die Kommunion aufzwingen? Eine Betreuerin redete mit ihm, beruhigte ihn und deutete mir, ihm nun die Kommunion zu spenden. Ich gab ihm ein ganz kleines Stück der Hostie, dann einen Schluck Wasser. Hinter ihm stand seine Mutter. Als ich aufblickte, sah ich, wie sie bitterlich weinte. Nach der Messe kam sie zu mir und erklärte mir ihre Tränen. Sie hätte vor Glück geweint. Vor Glück, dass ihr Bub, der so vieles entbehren muss, immer wieder zurückgesetzt und ausgeschlossen ist von so vielem, nun von der Kirche das Heiligste, das sie hat, bekommen hat. Was der Bub davon verstand? Ob er wenigstens die Hostie von gewöhnlichem Brot unterscheiden konnte, was ja Mindestforderung für den Empfang ist? Ich weiß es nicht. Aber hat der Glaube der Mutter nicht all das ersetzt, ihr Glück mein Tun gerechtfertigt? War nicht in diesem Buben der Herr schon längst gegenwärtig, bevor ich ihn in der sakramentalen Gestalt brachte? „Ich war krank, und ihr habt mich besucht.“ Oder wie es Papst Franziskus am 4. Oktober 2013 bei seinem Besuch in Assisi in einer Klinik für kranke und behinderte Kinder sagte: „In diesen leidenden Kindern ist Christus verborgen.“
Um der Erstkommunion willen getauft
Die Zahl der ungetauften Kinder nimmt in der Großstadt immer mehr zu. In der zweiten Volksschulklasse, in der die Kinder zur Erstkommunion gehen, wird dies manchen Eltern erst bewusst. Sie wollen ihrem Kind die große Feier im Rahmen der ganzen Klasse nicht vorenthalten und entschließen sich, das Kind nun taufen zu lassen.
Die Beweggründe der Eltern mögen bedenklich sein, aber ihr Wunsch bietet den Seelsorgern einen Anlass, um mit ihnen über Glaube und Taufe und ihre Verantwortung für das Kind zu reden. Jedenfalls habe ich schon öfter erlebt, wie die Taufe mit der ganzen Klasse vorbereitet und gemeinsam gefeiert wird. So erleben die anderen Kinder in der Klasse, was und wie Taufe ist. Erstaunlich, dass offenbar die Kommunion den sonst gar nicht so gläubigen Eltern einen unerwarteten Weg zur Taufe ihres Kindes auftut. Die Bedeutung der Erstkommunion für das Leben der Menschen, der Kirche ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Darum predige ich auch bei Visitationen immer darüber und wie Erstkommunion zur eucharistischen Besinnung für die ganze Gemeinde werden kann.
Beichte vor der Erstkommunion?
Ich mache mir Sorgen, dass eine schlechte Beichtvorbereitung den Kindern die Freude an der Kommunion raubt und ihnen sogar für ihr ganzes Leben ein falsches Gottesbild vermittelt. Und diese meine Sorge ist in letzter Zeit größer geworden.
Verunglückte Beichtvorbereitung
Bei der Visitation einer Pfarre im südlichen Anteil der Erzdiözese Wien erlebte ich, wie ein sehr frommer Pfarrer, der sonst sehr viel auf die Verehrung der Eucharistie hält, in der Erstkommunionvorbereitung den Akzent auf die Beichte legte. Im Schlussprotokoll der Visitation regte ich an, den Schwerpunkt doch deutlich auf die Eucharistie zu legen und in den Kindern eine große innere Freude zur Begegnung mit Christus in der Eucharistie zu wecken. Sie sollen nicht den Eindruck haben, Eucharistie brauche immer vorher Beichte, oder dass man in der Begegnung mit Christus immer zugleich auch die Sünde betont. In einer anderen Pfarre hörte ich die Eltern klagen, dass der Pfarrer bei der Erstkommunionvorbereitung in übertriebener Weise von Sünde und schwerer Sünde redet, sodass die Kinder Angst bekommen, Angst auch vor einem strafenden Gott.
In Wien mussten wir, Kardinal König und ich als Generalvikar, einen Pfarrer absetzen, weil er trotz heftiger Einsprüche von uns den Erstkommunionkindern Bilder von blutigen abgetriebenen Embryonen zeigte, um sie, wie er meinte, rechtzeitig immun zu machen vor einer Verharmlosung dieser so schweren Sünde. Die Eltern schickten ihre Kinder aus Protest in eine andere Pfarre, da sie zu Recht fürchteten, ihre Kinder würden ein unheilbares Trauma im Hinblick auf Sexualität und Elternschaft bekommen.
Woher kommt die so enge Bindung zwischen Beichte und Kommunion?
Freilich sind die erwähnten Beispiele Ausnahmen, der letzte Fall sogar eine extreme. Aber es bleibt die Frage, ob der Erstkommunion immer die sakramentale Beichte vorausgehen muss. Dies scheint der Kirche aber so wichtig zu sein, dass sie es sogar in ihrem offiziellen Rechtsbuch (CIC 1983) festgehalten hat. Dort wird in can. 914 den Eltern sowie dem Pfarrer zur Pflicht gemacht, die Kinder, die zum Vernunftgebrauch gelangt sind, gehörig vorzubereiten und „möglichst bald, nach vorheriger sakramentaler Beichte, mit dieser göttlichen Speise“ zu stärken. Das hat seine Wurzel in der bewegten Geschichte der Beichte, als man begann, sie als notwendige Voraussetzung für den Kommunionempfang anzusehen. Diese Lehre geht schon auf die Mitte des 8. Jahrhunderts zurück und im 4. Laterankonzil kam es 1215 zur gesetzlichen Verpflichtung, dass jeder Gläubige vor Ostern bei seinem zuständigen Pfarrer zur Vorbereitung auf die vorgeschriebene Osterkommunion „all seine Sünden“ beichten müsse. Da die Gläubigen damals sehr selten kommunizierten, blieb der Brauch, jedes Mal vor der Kommunion zur Beichte zu gehen. In den orthodoxen Kirchen gilt das heute noch.
Versuche, Beichte und Erstkommunion zu entkoppeln
Pius X. (1903–1914) hat die Gläubigen zu häufigerer Kommunion ermutigt und das Zweite Vatikanische Konzil hat eine tiefere Einsicht