Gullivers Reisen. Джонатан Свифт
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Wenn die Kritiker der Yahus mich nun im Mindesten interessieren würden, so hätte ich das volle Recht, mich über mehrere derselben zu beklagen, die so unverschämt waren, gleich von vornherein zu behaupten, meine Reisebeschreibung sei eine bloße Erdichtung, die ich aus meinem Gehirn geschöpft habe; ja sie waren sogar so keck zu sagen, es gäbe ebensowenig Huyhnhnms und Yahus, als Einwohner von Utopien.
Gleichwohl gestehe ich, daß in Beziehung auf die Völker von Lilliput, Brobdingrag (so muß das Wort geschrieben werden und nicht, wie man irrig schreibt, Brobdingnag) und Laputa keiner unserer Yahus keck genug war, den mindesten Zweifel gegen sie anzuregen, so wenig als gegen die Tatsachen, die ich in Beziehung auf diese Völker anführte; denn hier ist die Wahrheit so einleuchtend, daß sie die Überzeugung mit Gewalt erzwingt. Aber ist denn meine Erzählung von den Huyhnhnms und Yahus weniger wahrscheinlich? Sieht man nicht auch in diesem Lande Tausende dieser Letzteren, die sich von ihren viehischen Brüdern im Lande der Huyhnhnms nur dadurch unterscheiden, daß sie eine Art von Jargon sprechen und nicht ganz nackt gehen? Ich habe geschrieben, um ihre Vervollkommnung zu veranlassen, nicht ihre Billigung zu erhalten. Die einstimmigen Lobsprüche ihres ganzen Geschlechtes wären in meinen Augen weniger achtungswert, als das Wiehern zweier ausgearteter Huyhnhnms, die ich in meinem Stalle halte; denn trotz ihrer Erniedrigung kann ich bei ihnen noch einige Äußerungen von Tugend bemerken, ohne Beimischung von Laster.
Sollten es diese elenden Tiere wagen, mich für so niedrig zu halten, um mich herabzulassen, meine Wahrhaftigkeit zu verteidigen? Obgleich auch ich ein Yahu bin, so ist doch bekannt, daß ich durch den Unterricht und das Beispiel meines erlauchten Lehrers in einer Zeit von zwei Jahren (nicht ohne große Schwierigkeit, wie ich gestehen muß) es dahin brachte, diese höllische Gewohnheit, zu lügen, aufzuschneiden, zu betrügen, zweideutig zu reden, die namentlich in Europa bei meiner Gattung so eingewurzelt ist, ganz abzulegen. Ich könnte noch manche Klagen über diese leidige Sache vorbringen; aber ich will Sie und mich nicht länger ermüden. Ich muß gestehen, daß seit meinem letzten Briefe durch den Umgang mit einer kleinen Zahl Individuen Ihrer Gattung, namentlich mit denjenigen meiner Familie, mit denen ich nicht umhin kann, Umgang zu pflegen, ein Rest des schlimmen Sauerteiges meiner yahu’schen Natur in mir wieder lebendig geworden ist; wenn das nicht wäre, hätte ich wahrscheinlich niemals einen so ungereimten Plan entworfen, wie der ist, das Geschlecht der Yahus in diesem Königreiche reformieren zu wollen. Aber jetzt habe ich für immer auf solche Chimären verzichtet.
Erstes Kapitel
Mein Vater besaß ein kleines Gut in Nottinghamshire; ich war der Dritte seiner fünf Söhne. Mit dem vierzehnten Jahre ward ich auf die Universität Cambridge geschickt, wo ich drei Jahre lang blieb und fleißig studierte. Jedoch die damit verbundenen Kosten waren zu groß für das kleine Vermögen meines Vaters, obgleich ich nur einen unbedeutenden Wechsel erhielt; somit wurde ich bei Herrn James Bates, einem ausgezeichneten Wundarzte der Hauptstadt London, in die Lehre gegeben, bei welchem ich drei Jahre blieb. Von Zeit zu Zeit schickte mir mein Vater kleine Geldsummen, die ich auf die Erlernung der Schifffahrtkunde und auf das Studium anderer mathematischen Wissenschaften verwandte, deren Kenntnis für diejenigen durchaus notwendig ist, welche große Reisen unternehmen wollen; ich hegte nämlich immer ein gewisses Vorgefühl, dies werde früher oder später mein Schicksal seien. Als ich Herrn Bates verließ, kehrte ich zu meinem Vater zurück, und erlangte von ihm, meinem Onkel James und einigen andern Verwandten die Summe von 43 Pfund. Zugleich wurden mir 30 Pfund jährlich versprochen, so daß ich die Universität Leyden beziehen konnte. Dort studierte ich zwei Jahre und sieben Monate die Medizin. Ich wußte, daß sie mir auf großen Reisen von Nutzen seien würde.
Bald nach meiner Rückkehr von Leyden erhielt ich durch die Empfehlung meines guten Lehrers Bates die Stelle eines Wundarztes auf der Schwalbe, deren Kapitän der Commander12 Abraham Pannel war. Mit diesem Schiffe machte ich einige Reisen nach der Levante und andern Gegenden. Nach meiner Rückkehr beschloß ich, mich in London niederzulassen, wozu mich auch Hr. Bates ermutigte, nachdem er mich mehreren seiner Patienten empfohlen hatte. Ich mietete mir ein Stockwerk eines kleinen Hauses in Old Jewry, und da man mir riet den Stand des Hagestolzen aufzugeben, verheiratete ich mich mit Marie Burton, der zweiten Tochter des Strumpfhändlers Edmund Burton in Newgatestreet, von der ich 60 Pfund Mitgift erhielt.
Nach zwei Jahren starb aber mein guter Lehrer Bates. Ich hatte nur wenig Freunde und somit verschlimmerte sich auch mein Geschäft, denn mein Gewissen erlaubte mir nicht auf tadelnswerte Art in meiner Praxis mitunter zu verfahren, wie dies bei so vielen meiner Kollegen gewöhnlich ist. Nachdem ich deßhalb eine lange Beratung mit meiner Frau und mehreren meiner Bekannten gehalten hatte, beschloß ich wieder in See zu gehen. Ich wurde Wundarzt auf zwei Schiffen und machte sechs Jahre lang verschiedene Reisen nach Ostindien und Amerika, wodurch ich mein Vermögen etwas vermehrte. In meinen Mußestunden las ich die besten älteren und neueren Schriftsteller, denn ich hatte stets eine nicht unbedeutende Anzahl Bücher mitgenommen; war ich an’s Land gegangen, so beobachtete ich die Sitten und Charaktere der verschiedenen Nationen und erlernte ihre Sprachen. Durch die Stärke meines Gedächtnisses war ich zu letzterem befähigt.
Da die letzte dieser Reisen nicht sehr glücklich ausfiel, ward ich des Seefahrens müde, und beschloß, bei meiner Frau und meiner Familie zu bleiben. Ich zog aus Old Jewry nach Fetterlane und von da nach Wapping, denn ich hoffte, unter den dortigen Matrosen mir eine ärztliche Praxis zu verschaffen; allein diese Veränderung schlug nicht zu meinem Vorteil aus. Nachdem ich drei Jahre auf eine Verbesserung meiner Lage gewartet hatte, erhielt ich vom Kapitän William Prichard, dem Eigentümer der Antilope, welche im Begriff war, nach der Südsee abzusegeln, ein vorteilhaftes Anerbieten. Wir fuhren am 4. Mai 1699 von Bristol ab und unsre Reise war anfangs glücklich.
Einige Gründe bestimmen mich, den Leser mit den Einzelnheiten unsrer Reise in jenen Meeren nicht zu langweilen; es genüge die Bemerkung, daß wir auf unserer Fahrt von Bristol nach Ostindien durch einen heftigen Sturm nordwestlich von Van Diemen’s Land getrieben wurden. Durch nautische Beobachtungen bemerkten wir, daß wir uns in der 2ten Minute des 30sten Grades südlicher Breite befanden. Zwölf Mann hatten wir durch übermäßige Arbeit bei schlechter Nahrung bereits verloren; die Übrigen waren gänzlich erschöpft. Am 5. November, dem Anfang des Sommers unter diesen Breitengraden, war das Wetter trübe; die Matrosen gewahrten ein Felsenriff in der Entfernung von einer halben Kabel-Länge; der Wind war stark. Wir wurden darauf hingetrieben und scheiterten. Sechs von der Mannschaft, worunter ich mich befand, setzten das Boot aus und suchten vom Schiff und dem Felsenriff loszukommen. Wir ruderten nach meiner Berechnung drei Seemeilen, bis es unmöglich ward, die Ruder länger zu führen, da unsere Kräfte durch fortwährende Anstrengung im Schiffe bereits aufgerieben waren. Wir gaben uns deßhalb den Wogen preis und nach ungefähr einer halben Stunde ward das Boot durch einen plötzlichen Windstoß von Norden her umgeworfen. Ich kann nicht berichten, was aus meinen Gefährten im Boot und der Schiffsmannschaft geworden ist, vermute jedoch, daß sie ertranken. Was mich betrifft, so schwamm ich auf gut Glück, wohin Wogen und Flut mich trieben.
Oft ließ ich die Füße herabhängen, konnte aber keinen Grund fassen; als ich beinah verloren war, denn ich konnte nicht länger mit den Wellen ringen, fand ich endlich festen Boden; zugleich ließ auch der Sturm nach. Der Strand war so flach, daß ich beinah eine Meile gehen mußte, bevor ich auf das trockene Ufer, um 8 Uhr Abends wie ich glaube, gelangte. Alsdann ging ich noch eine halbe Meile,
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Ein Rang in der englischen Flotte zwischen Lieutenant und Kapitän (der größeren Schiffe) die gewöhnlich den Befehl über kleinere Kriegsschiffe führen.