Quer durch Afrika. Gerhard Rohlfs
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Quer durch Afrika - Gerhard Rohlfs страница 16
Dennoch bekam meine bereits stark angegriffene Gesundheit durch die erschlaffende Hitze, vielleicht auch durch den unvorsichtigen Genuss von Melonen einen neuen Stoß. Ich erkrankte ernstlich und schwebte einige Tage in wirklicher Lebensgefahr. Fortwährende heftige Blutentleerungen aus dem Darm schwächten mich derart, dass ich an meinem Aufkommen verzweifelte. An Essen durfte ich gar nicht mehr denken, ebenso wenig wagte ich es, meinen Durst zu stillen. Strengste Enthaltsamkeit und große Gaben von Opium brachten endlich zwar die entsetzliche Darmblutung zum Stillstand, aber durch die lange Gewöhnung an den Genuss von Opiaten war meinem Körper dieses Narkotikum unentbehrlich geworden. Versuchte ich, damit innezuhalten, so stellte sich sogleich wieder wässrige Diarrhö ein, und ich musste daher immer von Neuem mich in jenen halb taumeligen, keineswegs angenehmen Zustand versetzen. Einige Dutzend Flaschen Bordeauxwein, die mir mein Freund Botta von Tripolis zuschickte, hatten eine günstige Wirkung, wenn sie mich auch nicht gänzlich zu heilen vermochten.
Als ich soweit genesen war, um wieder ausgehen zu können, versäumte ich nicht den fleißigen Besuch der Moscheen, in welchen die erwähnten antiken Säulen von Kalk- oder Sandstein, meist aus einem Stück, mit ihren zierlichen Kapitellen und geraden oder spiralförmigen Kannelüren meine Aufmerksamkeit fesselten.
Die Einwohner sahen es gern, wenn ich ihre Moschee besuchte, denn sie hielten mich für einen Rechtgläubigen und waren in dieser Meinung noch durch höchst günstige Berichte über mich, die inzwischen aus Tuat eingelaufen waren, bestärkt worden. Der Hadj Abd-el-Kader von Ain-Ssalah hatte mir eine Pistole zur Reparatur nach Tripolis mitgegeben, aber niemand verstand sich dort auf die Arbeit, und in Rhadames angekommen, schickte ich die Pistole an ihn zurück, zugleich als Geschenk einen achtzehn-schüssigen Lefaucheux-Revolver nebst dazugehöriger Munition. Nach einiger Zeit erhielt ich ein Schreiben von ihm, dessen Inhalt ich natürlich allen meinen Rhadameser Freunden mitteilte. Für mich ging daraus hervor, dass ich ohne Gefahr hätte wieder nach Tuat kommen können. Allein was sollte ich dort? Über Tuat nach Timbuktu ziehen nur die von Rhadames ausgehenden Karawanen, und hier stand für die nächste Zeit der Aufbruch keiner Karawane dahin in Aussicht. Auch erwartete ich ja noch von Tag zu Tag die Ankunft Si-Othman ben Bikris, der mich der Verabredung gemäß nach Ideles begleiten sollte.
Mit Brandmalerei verzierter Schöpflöffel der Tuareg
Wie von den Stadtbewohnern wurde ich auch von Tuaregs viel besucht, selbst von jungen, nicht unschönen Tuaregmädchen. Letztere gaben sich, um meine Gunst zu gewinnen, für Verwandte Si-Othmans aus. Bei jedem Besuch wussten mir übrigens die Mädchen einige begehrenswerte Gegenstände, kleine Spiegel, Taschentücher, Glasperlen, Nadeln und dergleichen, abzubetteln.
Kamen targische Männer zu mir, so hinterließen sie immer eine bedeutende Lücke in meiner Speisekammer. Dies veranlasste einmal einen fatalen Auftritt, der leicht sehr üble Folgen für mich hätte haben können. Mein kleiner Spitz Mursuk, ebenso bissig wie wachsam, hegte einen unüberwindlichen Widerwillen gegen Fremde, die meinem Hause nahten, und er hatte darin einen sympathischen Bundesgenossen in meinem geizigen Diener Schtaui, von dem ich sogar die Äußerung vernahm: »Gott segne dich, Hund! Wenn wir dich nicht hätten, würden uns die Tuareg gar nichts übrig lassen.« – Unerhört in dem Munde eines Muselmanen, da bekanntlich Hunde den Mohammedanern als unrein gelten und tief von ihnen verachtet werden. Eines Tages hörte ich von der Straße her rufen: »Binde den Hund an, Mustafa, bindet den Hund an; es kommen Freunde!« Ich befahl, Mursuk anzubinden, und ließ dann durch einen Diener die Ankommenden vor der Haustür empfangen und zu mir heraufführen. Vorsichtigen und langsamen Schritts traten drei Tuareg ein, den Litham vorm Gesicht, in der Rechten den langen Speer, in der Linken einen Rosenkranz, Hals und Brust mit Amuletten, kleinen, schmutzigen, einen Koranspruch umschließenden Ledersäckchen behängt. Den Speer lehnten sie an die Wand, doch blieb ihnen als Waffe der Dolch, der an der inneren Seite des Vorderarmes getragen wird. Sobald sie mir gegenüber Platz genommen und die gegenseitigen Erkundigungen nach dem Befinden ausgetauscht waren, ließ ich ihnen sechs Brote, jedes von einem halben Pfund, eine große Schüssel voll gesalzenen Öls, in welches man die Brotbissen eintaucht, und eine saftige Melone vorsetzen. Sie langten eifrig zu, dabei ihr Gesicht vollständig entblößend, während sonst die Tuareg in Gegenwart von Fremden beim Essen verschleiert bleiben und die Bissen unter dem Litham in den Mund schieben. Plötzlich stößt einer von ihnen einen lauten Schmerzensschrei aus, und in demselben Augenblick sehe ich Mursuk, der sich unbemerkt eingeschlichen hat, die Treppe wieder hinunterlaufen. Der Schreiende war von dem Hund in den Rücken gebissen worden. Mit wütenden Gebärden sprangen die beiden anderen auf mich zu, um ihren verwundeten Kameraden an mir zu rächen, und wer weiß, was geschehen wäre, hätte ich nicht meinen Revolver zur Hand gehabt. Doch ich wusste ein Beschwichtigungsmittel. Ich rief Schtaui, den ich im Verdacht hatte, den Hund losgebunden zu haben, und trug ihm auf, sogleich noch sechs Brote, eine Schale Öl, die größte Melone und ein Pfund »Chlea« (in Fett gesottenes Fleisch) heraufzuholen. Schtaui war entsetzt. »Um Gotteswillen«, stotterte er, »bedenkt doch, ein Pfund Chlea kostet ja einen halben Mahbub.« – »Geschwind«, sagte ich, »geh, oder ich schicke Hammed; du weißt, der ist kein Knauser wie du.« Zögernd gehorchte er. Die Tuareg, des Arabischen nur unvollkommen mächtig, hatten meinen Befehl nicht verstanden, fuhren daher fort zu fluchen und mich zu bedrohen. Desto größer war die Wirkung, als sie eine zweite vermehrte Auflage der Kollation erscheinen sahen. »O Mustafa«, hieß es nun, »was für ein großmütiger Mann bist du! Dir zu Ehren wollen wir uns jetzt vollends satt essen. Gott segne dich, wir werden überall deine Gastfreundschaft rühmen.« Schnell machten sie sich an die Vertilgung der ihnen so unerwartet gekommenen Vorräte, und wir schieden im besten Einvernehmen. Dennoch hielt ich es für ratsam, wegen der Bisswunde des Targi am anderen Tag noch einmal Brot, Öl und Melonen auftragen zu lassen, denn es war zu wichtig für mich, mit den Tuareg, »den Herren der Karawanenstraßen«, gute Freundschaft zu halten.
Pulverflaschen der Tuareg
Tuareg, die verschleierten Männer
Unzweifelhaft sind die Tuareg Berber oder doch gemeinsamen Ursprungs mit diesen, wie sie auch dieselbe Sprache, das Tamasirth, reden. Aber der Aufenthalt in der Wüste, der ja innerhalb eines oder zweier Jahre die Wolle des Schafs in Haare verwandelt, hat im Laufe der Zeit einen wesentlich umgestaltenden Einfluss auf sie ausgeübt. Dies tritt in ihren Sitten und Einrichtungen auffallend hervor. Während z. B. bei den Arabern die Frau nur Sklavin ist, bei den Berbern, die in ganz Nordafrika mehr oder weniger mit Arabern untermischt wohnen, die Frau schon mehr Selbstständigkeit genießt, nimmt sie bei den Tuareg eine wahrhaft bevorzugte Stellung ein, denn sogar die Erbfolge der Häuptlinge wird durch weibliche Deszendenz bestimmt. Noch weniger als in den Berberstämmen hat auch der Islam unter den Tuareg feste Wurzel zu fassen vermocht, vielmehr legten sie alles wieder davon ab, was mit ihren alten Bräuchen in Widerspruch stand. Ist doch nach Barth das Wort Tuareg eine Zusammenziehung aus »tereku dinihum«, d. h. sie haben ihre Religion verlassen, und es soll ihnen der Name wegen ihres öfteren Abfalls vom Mohammedanismus durch die Araber beigelegt worden sein.
Tuareg auf ihren Reitkamelen (Meheris)
Obschon meine Genesung nur erst halb vollendet war, hätte ich doch keinen Augenblick gezögert, nach dem Hogar-Land aufzubrechen, wäre der sehnlichst erwartete Si-Othman ben Bikri erschienen, der Einzige, in dessen