G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr. Гилберт Кит Честертон
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Читать онлайн книгу G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr - Гилберт Кит Честертон страница 38
»Woher in aller Welt mögen Sie das nun wieder haben?« fragte der Professor. »Von daher, wo ich den Wagen herhabe«, antwortete der Colonel und kicherte. »Von meinem besten Freund. Während unser Chauffeur mit unserer Steuerung parlamentierte, rannte ich die Vordertreppe zum Haus hinauf und sprach mit Renard, der, wie Sie sich vielleicht erinnern mögen, auf seiner Diele stand. »Ich vermute«, sprach ich, daß keine Zeit mehr bleiben wird, um eine Laterne herbeizuschaffen.« Er sah aber empor und liebäugelte mit der wundervoll geschwungenen Decke seiner Vorhalle. Von dieser hing, an Ketten aus exquisitestem Eisenwerk, diese Laterne herab – eine von den hundert Schätzen seines Schatzhauses. Mit aller Kraft riß er nun das Ding aus seiner eigenen Decke heraus, zertrümmerte dabei die gemalte Täfelung und brachte obenein noch zwei blaue Vasen zur Strecke. Dann händigte er mir die eiserne Laterne aus und ich nahm sie mit in den Wagen, Nun sagen Sie selber, hatte ich nicht recht, wie ich sagte, daß der Dr. Renard eine Bekanntschaft wert wäre?«
»Und ob!« versetzte Syme sehr ernsthaft, und hing die schwere Laterne entsprechend auf. Es war ein Sinnbild ihrer ganzen Situation – das moderne Automobil und diese seltsame geistliche Lampe.
Bis jetzt hatten sie den stillsten Teil der Stadt passiert und waren höchstens zwei oder drei Fußgängern begegnet, aus denen sie absolut keine Schlüsse über Friedfertigkeit oder Feindseligkeit des Ortes ziehen konnten. Nun erst begannen die Fenster in den Häusern eins nach dem andern aufzuleuchten, so daß man einen Eindruck von Bewohntheit und von Menschen bekam. Dr. Bull wandte sich dem neuen Detektiv zu, der ihre Flucht angeführt hatte, und gönnte ihm sein natürliches freundliches Lächeln.
»Diese Lichter können einen wieder heiterer stimmen.«
Inspektor Ratcliffe faltete die Brauen.
»Es gibt nur eine Art Lichter, die mich heiterer stimmen können«, sprach er – »und das sind die Leuchten der Polizeistation, – sehen Sie? da unten in der Stadt … Wollte Gott, daß wir in zehn Minuten dort unten wären.«
Da aber wallte Bulls gesunder Menschenverstand und Optimismus jäh und kochend auf.
»Ach! Das ist doch alles blühender Unsinn!« schrie er. »Wenn Sie allen Ernstes glauben, daß ganz gewöhnliche Leute in ganz gewöhnlichen Häusern nichts wie Anarchisten wären, dann müssen Sie, ich kann mir nicht helfen, noch hirnverbrannter sein wie so’n Anarchiste selber. Kehren wir doch um und fallen wir jene Burschen an – ich wette, die ganze Stadt steht uns bei!«
»Nein«, sprach der andere unerschütterlich, »die ganze Stadt würde jenen Burschen beistehn. Aber … na, wir werden ja sehn …«
Während sie so sprachen, hatte sich der Professor jäh und voller Erregung weit nach vorn gebeugt.
»Was ist das für ein Geräusch?« fragte er.
»Hm. Vermutlich die Pferde hinter uns«, gab der Colonel zur Antwort. »Ich dachte allerdings, wir hätten sie schön weit hinter uns gelassen –« »Pferde hinter uns? Nein!« fing der Professor wieder an. »Erstens sind das nicht Pferde hinter uns – und zweitens ist das überhaupt nicht hinter uns –«
Und kaum sprach er das aus, schossen da vorne am Ende der Straße zwei schimmernde, rasselnde Dinger vorbei. Schossen vorbei fast als wie der Blitz. Aber noch immer nicht schnell genug, daß nicht ein jeder hätte merken können, daß es zwei Automobile waren. Und den Professor triebs in die Höh, und der Professor schwur, blaß bis in die Zähne, daß das die andern zwei Automobile aus Dr. Renards Garage gewesen seien.
»Ich sage Ihnen, sie warens!« wiederholte er mit wildsprühenden Augen, »und sie waren vollbesetzt von Männern mit Masken!«
»Wahnsinn!« versetzte der Colonel bedrohlich. »Dr. Renard und denen seine Wagen geben …!«
»Vielleicht hat man ihn dazu gezwungen«, bemerkte Ratcliffe gelassen. »Die ganze Stadt ist auf ihrer Seite.«
»Das glauben Sie immer noch?« fragte der Colonel und konnte es nicht glauben. »Daran werden Sie bald glauben müssen!« erwiderte der andere und erhoffte nichts anderes mehr.
War ein verlegenes Schweigen eine kleine Weile. Bis der Colonel mit einemmal von neuem anfing: »Nein nein nein nein nein – und ich kann es nicht glauben! Gott, o Gott, o Gott, es ist ja Unsinn! So kleine Leute einer friedlichen französischen Stadt – –«
Da unterbrach ihn ein Knall und ein Blitzen, das augenschließend war. Und der Wagen ließ zu seiner Linken eine wehende Wolke weißen Dampfes hinter sich – und Syme hatte etwas an seinem Ohr vorbeipfeifen gehört.
»Mein Gott!« kams aus dem Colonel, »da hat wer auf uns geschossen!«
»Unnötig, unsere Konversation zu unterbrechen«, meinte Ratcliffe trübsinnig. »Wo sind Sie, bitte, stehen geblieben, Colonel? Sie sprachen gerad eben, denk ich, von kleinen Leuten einer friedlichen französischen Stadt – –«
Der entsetzte Colonel aber, der reagierte längst auf keinen Spott mehr. Rollte nur noch die Augen allerwärts – und stammelte: »Außerordentlich. Höchst – höchst außerordentlich …«
»Ein Verwöhnter, ein Mäkelnder«, sprach Syme, »möchte das sogar unangenehm nennen. Immerhin … jene Lichter dort unten im Feld am Ende der Straße, das wird wohl die Gendarmerie sein. Werden gleich da sein.«
»Nein«, sprach da der Inspektor Ratcliffe, »werden niemals da sein.«
Er war aufgestanden und lugte scharf aus. Dann saß er wieder nieder und glättete sein glattes Haar mit einer müden Geste.
»Was sagen Sie?« forschte Bull.
»Ich sagte, daß wir niemals hingelangen werden«, erklärte der Pessimist gelassen. »Da haben allbereits zwei Reihen Bewaffneter quer übern Weg Aufstellung genommen. Ich kanns von hier aus sehen. Die Stadt ist in Waffen; genau wie ich sagte, daß sie wäre. Ich kann mich nur noch auf den Lorbeeren meiner Prophetengabe suhlen…« Und Ratcliffe setzte sich auf das bequemste im Wagen zurecht und zündete sich eine Zigarette an. Die andern aber sprangen alle miteinander erregt auf und starrten die Straße hinab. Syme hatte die Geschwindigkeit verlangsamt, wie alles mählich zweifelhaft wurde; nun brachte er den Wagen gänzlich zum Stillstehn – und das just an der Ecke einer Seitenstraße, die ungemein steil zum Meer hinabführte.
Die Stadt lag zum größten Teil im Schatten. Aber die Sonne war noch nicht untergegangen. Und wo immer ihr Licht durchbrechen konnte, übermalte sie jedes Ding mit feurigem Gold. In die Seitenstraße aber fiel die scheidende Sonne in einem so dünnen, nadeldünnen Strahl ein, als wärs künstliches Licht im Theater. Und fiel unter anderm auf den Wagen der fünf Freunde, daß es aussah, als stünde die ganze Kutsche in hellem Brand. Das übrige der Straße aber und besonders ihre beiden Enden war in tiefstes Zwielicht getaucht, daß die fünf für Augenblicke überhaupt nichts zu unterscheiden vermochten. Dann ließ Syme, dessen Augen noch die scharfsichtigsten waren, einen leisen, bitteren Pfiff vernehmen und sprach:
»Tatsächlich! Da ist ein Haufen oder ein Schwarm oder sonstwas, das sich quer übern Weg am Ende der Straße da aufgestellt hat –«
»Gut, gut! Wenn dem so ist«, fuhr Bull ungeduldig