Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler. Артур Шницлер
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Der Vater. Ich danke für die freundliche Zurechtweisung. Haben Sie schon ein Recht? . . . Sie sollte wohl fort mit Ihnen, Herr Adjunkt? . . . Aber warum gerade mit Ihnen? Sind Sie so sicher, daß es sie gerade nach Ihrem grünen Rock verlangt?
Marie. Was soll das, Vater?
Der Vater. Geben Sie acht, Herr Adjunkt, es ist ein Frauenzimmer! Meinen Sie, ich vergesse daran, weil es meine Tochter ist? . . . Ein Frauenzimmer, jung, heiß und durstig.
Der Adjunkt. Was kommt Sie an, Herr Rittmeister?
Der Arzt. Stille!
Marie. Vater, schweig!
Der Vater. Schweigen . . . ich? Ich will nicht! Ich will reden. Was mir durch den Sinn fährt, will ich reden. Denkst du, ich will mir's durch süße Worte erkaufen, daß du an meinem Bett sitzest, mich an- und auskleidest, mir zu trinken und zu essen reichst und deine Kindespflicht erfüllst? Du hast deinen Lohn dahin, du bist jung! Du bleibst bei mir!
Der Arzt. Wozu die großen Worte? Es handelt sich doch vorläufig um nichts anderes, als daß das Fräulein manchmal auf ein bis zwei Stunden ins Freie gehen sollte. Und das wird sie.
Der Vater. Das wird sie nicht! Geht sie noch einmal von mir fort, so kommt sie nicht mehr zurück.
Der Arzt. Was fällt Ihnen denn ein?
Der Vater zu Marie. Denkst du, ich weiß nicht?
Der Adjunkt blickt mit einer Art von Angst Marie an.
Der Vater. Sie wissen ja nichts, Herr Adjunkt – Von dem Ball heuer im Feber, wo sie mit den blauen Kürassieren tanzte, ist sie um sieben Uhr morgens zurückgekommen. Ich bin auf dem Boden gelegen, verdurstet und erstickt beinah . . . Und wie ist sie nach Hause gekommen? Mit glänzenden Augen, durch die Spitzen schimmerte die Brust, die Arme waren nackt . . . gerade so sah sie aus wie ihre Mutter, als ich sie zum erstenmal sah . . . auch auf einem Balle.
Marie. Laß die Mutter in Frieden ruhn – laß sie ruhn.
Der Arzt. Bitte kommen Sie mit mir auf Ihr Zimmer, Herr Rittmeister. Ich habe nicht mehr viel Zeit und möchte heute eine gründliche Untersuchung vornehmen.
Der Adjunkt. Guten Abend, Herr Moser.
Der Vater. Leben Sie wohl, Herr Adjunkt. Sie werden sich also gütigst noch gedulden.
Der Adjunkt leise zu Marie. Ich muß Sie sprechen, Marie, – ich bin in einer Viertelstunde wieder hier.
Vierte Szene
Der Vater, Marie, der Adjunkt, der Arzt. Frau Toni Richter kommt.
Tante Toni. Guten Abend. – O, der Herr Adjunkt!
Der Adjunkt gibt ihr die Hand und geht ab.
Der Vater. Die gute Tante Toni!
Der Arzt und Marie stützen ihn, um ihn ins Nebenzimmer zu führen.
Die Tante. Wie geht's, Schwager Christian? – Wir sind nur auf zwei Tage in der Stadt, Katharina und ich, kleine Einkäufe zu besorgen . . . Ist Katharina noch nicht da? oder ist sie gar wieder fortgegangen?
Marie. Sie war noch nicht hier.
Der Vater. Ihr werdet sie mir nicht noch einmal von der Seite reißen. Auch du nicht, alte Kupplerin!
Die Tante. Daß der gute Schwager die Scherze nicht lassen kann! . . . Macht nur, ich setze mich indessen stille hier hin, ich habe meine Arbeit mit.
Der Vater gestützt auf den Arzt und Marie, ins Nebenzimmer.
Auf der Straße Marschieren und Hurrarufe.
Die Tante nimmt ihr Häkelzeug und setzt sich ans Fenster.
Marie kommt wieder.
Fünfte Szene
Die Tante, Marie.
Marie. Ich will Licht machen. Sie nimmt die Lampe, zündet sie an, stellt sie auf den Tisch rechts.
Die Tante. Nun, er scheint ja wieder in böser Laune?
Marie langsam zum Fenster, nickt.
Die Tante. Ich will hier für alle Fälle warten, bis Katharina kommt. Sie sollte schon hier sein. Früh morgens fuhr sie in die Stadt, ich schlief noch. Sie konnte sich nicht gedulden – ohne mich fuhr sie davon. Aber ich getraue mich nicht, ihr ein böses Wort zu sagen, seit ich weiß, daß ich sie nicht lange mehr behalten werde.
Marie. Ist es denn wahr?
Die Tante. Es ist wahr, gute Marie. Es ist wahr. Keine Hilfe. Aber sie ahnt es nicht. Im Winter sind die Rosen auf ihren Wangen aufgeblüht – so wie bei ihren Schwestern. Da gibt es keine Hilfe, gute Marie. Mein seliger Mann, der fuhr auf der See herum und mußte doch sterben, und Brigitte und Anne rührten sich von meiner Seite nicht fort, waren gut und brav, atmeten die reine Luft unseres Tannenwaldes, und liegen nun doch beide draußen unterm Rasen. Wenn es Gott einmal so beschlossen hat . . . Ich habe allerlei besorgt in der Stadt. Sieh, diese Wolle ist nirgends zu bekommen als beim »türkischen Sultan«. Es soll ein Kissen werden für den Divan, der im Gartenzimmer steht, wo wir im Sommer immer den Kaffee tranken. . . .Wer mir's damals prophezeit hätte –! Sah sie nicht aus wie das Leben selbst? . . . Wahrhaftig, Kind, auch du schaust nicht sonderlich aus. Nun ja, du hast genug durchgemacht in diesen letzten Jahren. Ein böser Mensch, mein Schwager, ich muß es selbst sagen.
Marie den Knäuel in der Hand. Ja, es fühlt sich fein an.
Die Tante. Nicht wahr, wie Seide?
Marie. Wie Seide.
Pause.
Die Tante. Nun Marie, ich denke – warum soll man nicht davon sprechen – –
Marie. Was meinst du, Tante?
Die Tante. Es wird doch nicht mehr bis zum Sommer währen mit deinem Vater. Seit ich ihn zuletzt sah – wann war es nur? . . . Ja, es war an dem Tag, da wir dich auf den Ball abholten . . . seither hat er sich gar sehr verändert. Auf seiner Stirn sitzt der Tod. Gott verzeih' ihm alles, was er an meiner Schwester und an dir gesündigt. Ihr hattet kein gutes Leben. Zuerst hat er sie gequält, bis sie ihn endlich nahm – hätt' sie's doch lieber nie getan! Ein verabschiedeter Offizier und bald fünfzig –, dann hat er sie gepeinigt, weil sie sich nehmen ließ . . . Wahrhaftig, ihr wart zu gut – beide. Der Vater schreit im Nebenzimmer. Was für ein Mensch! Ich sehe es kommen, daß auch der gute Doktor sich nicht mehr um ihn kümmern wird. – Marie, höre doch!
Marie am Fenster. Ich höre.
Die