Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler. Артур Шницлер
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Читать онлайн книгу Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler - Артур Шницлер страница 75
Der Vater. Marie! . . . Marie! In plötzlicher Angst. Nimm's mir nicht übel. Ich bin krank . . . ich bin alt . . . und ich hab' Angst – verstehst du? Angst! . . . Nein, du verstehst es nicht! . . . Wer versteht denn das, so lang er jung ist und sich rühren kann, was das heißt, nutzlose Angst und ohnmächtiger Zorn? . . . Wasser! Mir sind die Lippen trocken!
Marie entfernt sich.
Der Vater. Wohin gehst du?
Marie. Der Krug mit dem frischen Wasser steht in der Küche.
Der Vater. Laß die Türe offen.
Marie rechts hinaus. Von unten das Geräusch trabender Pferde.
Marie bringt das Wasser, bleibt stehen, lauscht.
Der Vater. Gib . . . gib!
Marie rasch zu ihm, reicht ihm das Wasser, schnell zum Fenster und öffnet es. Entsprechende Verstärkung des Geräusches.
Der Vater. Was tust du? Bist du toll? Ich kann den Tod davon haben!
Marie. Die Luft ist warm; auch sagt der Doktor immer, daß es zu dumpf hier innen ist.
Der Vater. Zu dumpf! Darum reißest du das Fenster auf mit einem Male? Zu dumpf! Meinst du, ich weiß nicht, wonach dir der Sinn steht? Vor sich hin. Ja, da reiten sie, stramm, jung, gesund . . . heut noch gesund und jung! . . . Nun, beklagst du dich, daß die Aussicht von unseren Fenstern nicht schön ist? Ho! Mitten in der Stadt haben wir unsere Wohnung – nur ein Blick um die Ecke – und das Leben treibt vorbei . . . Marie!
Marie. Vater?
Der Vater. Ich will zum Fenster!
Marie. Du willst –?
Der Vater. Her zu mir! Führ' mich hin . . . es wird schon gehn . . . Ich will sie auch sehen, die da unten vorüberreiten und vielleicht nicht einmal neunundsiebzig alt werden. Den Mantel her!
Marie nimmt den Mantel vom Kleiderständer, breitet ihn um den Vater und führt diesen zum Fenster rechts.
Der Vater höhnisch. O es ist eine Plage! Armes Kind! Aber nein, sie klagt nicht! Am Fenster, wo er gleich auf den Sessel sinkt; er hält sich mit beiden Händen ans Fensterbrett und beugt sich vor. Manche von denen . . . alle vielleicht . . . wer weiß – – – und sind nicht einmal neunundsiebzig.
Marie etwas mühsam. Vater, man kennt die Farben nicht recht . . . sind es die Schwarzen oder die Blauen?
Der Vater. O, mein Töchterchen läßt sich herab zu fragen! Sollt' ich bessere Augen haben als du? . . . Ja, es sind die blauen Kürassiere.
Marie. Ist es nicht dein Regiment gewesen, Vater?
Der Vater. Was geht's dich an? – Wo ist die Zeit?! . . . Gefallen sie dir? . . . Was siehst du von ihnen? Doch nichts als ihr Wiegen auf den trabenden Pferden, und der Geruch ihrer Jugend steigt dir von der Straße empor in die Nase. Sollte man denken, daß ich einmal geradeso aussah, geradeso wie die? . . . Mein Regiment – ja. Schöne Jungen, wie? Stramm, stramm! . . . Ho, wird der künftige Gatte sich freuen – ob Adjunkt oder Doktor – daß du dafür so regen Sinn hast! . . . Es klopft leise. Klopft es nicht?
Marie. Ich hörte nichts. Es klopft nochmals.
Der Vater. Herein
Zweite Szene
Der Vater, Marie. Der Forstadjunkt tritt ein.
Der Adjunkt im grünen Jagdrock, kaum dreißig, sieht etwas älter aus; er scheint ernster, als es seinen Jahren zukommt. – An der Türe. Guten Abend.
Marie leise. Guten Abend.
Der Vater. Der Herr Adjunkt! Grüßt mit der Hand.
Der Adjunkt zum Fenster. Guten Abend, Fräulein Marie.
Marie. Man hat Sie lange nicht gesehen, Herr Adjunkt.
Der Adjunkt. Seit Weihnachten war ich nicht hier. – Ich freue mich, Herr Rittmeister, Sie so wohl zu finden.
Der Vater. Was geht es Sie an, daß ich Rittmeister war? Moser heiße ich.
Der Adjunkt. Sie befinden sich besser? . . . Sie sind auf, und gar am Fenster.
Der Vater. Ja, Herr Adjunkt, man will eben auch noch seinen Teil vom Dasein haben. Er fällt beinah vom Sessel. Halte mich doch! Führ' mich zurück.
Marie führt ihn.
Der Adjunkt ist ihr behilflich.
Der Vater. Danke, Herr Adjunkt, danke. Wie muß ich das Schicksal preisen, daß Sie gekommen sind! Ich hätte am Ende dort am Fenster übernachten können – auf dem Fußboden.
Der Adjunkt und Marie führen ihn zu seinem Sessel, wo er sich wieder hinstreckt.
Marie vermeidet den Blick des Adjunkten. Nehmen Sie Platz, Herr Adjunkt.
Der Adjunkt bleibt stehen. Ich mußte einen weiten Umweg nehmen, um hierher zu kommen – Freyung, Hof, Tiefer Graben . . . alles ist voll Menschen.
Marie. Wie kommt es nur, Herr Adjunkt, daß es jetzt so stille ist?
Der Adjunkt. Stille?
Marie. Ja. Ich meine, wie es kommt, daß die Leute nicht rufen. Früher schrieen sie Hurra, als die Soldaten vorüberzogen, und nun hört man nichts als das Traben, immer das Traben.
Der Adjunkt. Wahrhaftig, es ist seltsam. Ich weiß den Anlaß nicht, warum sie jetzt nicht Hurra schreien. Vielleicht haben sich schlimme Nachrichten von der Grenze verbreitet. Aber mir ist nichts bekannt; ich kam vor einer Stunde erst in Wien an.
Der Vater. Wir dürfen wohl höchlich geschmeichelt sein, daß Ihr erster Besuch uns gilt.
Marie. Wie lange bleiben Sie?
Der Adjunkt. Kaum länger als bis morgen abend. Ich habe hier kein anderes Geschäft, als mich im kaiserlichen Oberforstamt zu melden. Ich habe nämlich meine Ernennung zum Oberförster in der Steiermark erhalten. Blick auf Marie.
Marie. In der Steiermark?
Der Adjunkt. Ja. In Tauplitz, zu Füßen der weißen Wand liegt das Forsthaus, in dem ich wohnen werde. Vor drei Jahren erst wurde es aufgebaut, behaglich, licht und geräumig. Seine Majestät selbst haben vorigen Sommer eine Nacht dort geschlafen.
Marie. Es ist kaiserliches Revier?
Der Adjunkt. Ja. Aber es wird selten von den höchsten Herrschaften aufgesucht. Es liegt an einem dunkelgrünen See, der die trefflichsten Forellen hat. Hinter dem Hause steigen die Tannen an und breiten sich hoch bis zu den Schutthalden des Toten Gebirges. Rings um den See stehen Buchen und Birken. Das nächste Dorf liegt zwei Stunden weit, auf einem schmalen Weg durch Jungholz steigt man hinab.