Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler. Артур Шницлер

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Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler - Артур Шницлер

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Glanze auf. In der Nähe des Dorfes Feldberg, also auf österreichischem Boden, etwa drei Meilen von der Grenze hat das erste Gefecht stattgefunden, über dessen Verlauf verbürgte Nachrichten noch nicht in die Hauptstadt gelangt sind. Dies aber steht fest: daß gestern zum erstenmal wieder seit mehr als dreißig Jahren der Boden unseres Vaterlands das Blut unserer tapferen Soldaten getrunken hat . . .« Sie hält inne.

      Der Vater wie aus dem Schlaf. Lies weiter.

      Marie blättert. »Gestern haben die Infanterieregimenter Nr. 7 und Nr. 24 die Stadt verlassen, um in Eilmärschen die Grenze zu erreichen. Abends ist das Ulanenregiment Fürst von Bologna abgegangen. Heute rückt das Infanterieregiment Nr. 17 Herzog von Anhalt und das Kürassierregiment Nr. 11, die sogenannten »blauen Kürassiere« . . . Sie hält inne.

      Der Vater schläft.

      Marie legt die Zeitung auf den Tisch, steht auf, geht zum Fenster rechts, sieht durch die Scheiben hinaus.

      Man hört das Vorbeimarschieren von Truppen und lautes Rufen, das manchmal beträchtlich anschwillt.

      Der Vater erwacht. Marie! Wo bist du? Wendet mühselig den Kopf. Marie!

      Marie auf dem Weg zurück. Hier bin ich.

      Der Vater. Wo bist du?

      Marie. Am Fenster stand ich.

      Der Vater lauscht. Was ist das?

      Marie. Soldaten ziehen vorbei.

      Der Vater. Wie lang bist du am Fenster gestanden?

      Marie. Kaum zwanzig Sekunden. Ich las dir eben erst aus dem Zeitungsblatt vor.

      Der Vater. Zwanzig Sekunden? . . . Mir war doch, ich hätte geschlafen.

      Marie. Nicht länger als eine halbe Minute.

      Der Vater. Mir war, als hätte ich eine Stunde geschlafen. Es wird wohl auch eine Stunde gewesen sein . . .

      Marie. Nein.

      Der Vater. Eine halbe . . .

      Marie. Wie ich sagte: Keine halbe Minute lang.

      Der Vater. Keine halbe Minute . . . und so tief in die Nacht gesunken. – Wie spät ist's?

      Marie. Es ist bald sieben Uhr.

      Der Vater. Daß der Doktor noch nicht hier war . . .

      Marie. Er muß bald da sein.

      Der Vater. Was spracht ihr miteinander gestern abend? . . . Nun? . . . Was sagte er über meinen Zustand? . . . Was sagte er überhaupt? Rede!

      Marie. Der Frühling wird dir wohltun, meint der Doktor.

      Der Vater. Und sonst sagte er nichts?

      Marie. Sonst nichts.

      Der Vater. Es ist nicht wahr! Du standest ja gestern ich weiß nicht wie lange mit ihm im Stiegenhaus – hast ihn wohl mancherlei gefragt! . . . Nun, wie lange wird es noch währen? Wie lange noch wirst du dein junges Dasein vertrauern müssen an deines alten Vaters Krankenbett?

      Marie. Du sollst bald aufs Land, meint der Doktor.

      Der Vater. Aufs Land . . . wahrhaftig! . . . So?

      Marie. Hat er dir's gestern nicht selbst geraten? . . . Aber nicht wieder so spät wie voriges Jahr, meint der Doktor, nicht im August erst, sondern gleich, – die schönen Tage nützen jetzt im Mai.

      Der Vater. Aufs Land – in die Grünau – zur Tante Toni wieder?

      Marie. Ich denke wohl.

      Der Vater. Weht der Wind daher? . . . Hoho! Zur Tante Toni! Und wieder herumgelaufen im Wald und auf der Wiese mit der Base Katharina und dem Herrn Adjunkten, der uns ja auch zu Weihnachten die Ehre hat erwiesen – oder gar mit dem Adjunkten allein . . .

      Marie sehr ruhig. Ich dachte nicht an ihn.

      Lärm draußen wie früher.

      Der Vater. Dachtest nicht an ihn? . . . Schreibt er dir nicht alle Tage?

      Marie. Kaum jede Woche einmal. Und ich antworte ihm selten.

      Der Vater. Verlobt seid ihr!

      Marie. Nein. Du weißt es doch. – Nein.

      Der Vater. Nun, was braucht's Verlöbnis! Eines Tages ist man auf und davon, verlobt oder nicht, vermählt oder nicht, und läßt den Vater hier verderben, verkommen, verdursten – ersticken, wie mir's in der Nacht beinahe passiert wäre, in der Febernacht, als sie dich auf den Ball holten, Tante Toni und Base Katharina, und du dort herumflogst mit jungen Offizieren . . .

      Marie. Was willst du, Vater? Ein einziges Mal in dem ganzen langen Winter. Und du hattest mir's erlaubt.

      Der Vater. Einmal – o einmal nur! In dem ganzen langen Winter nur einmal! Wie alt bist du denn . . . wie alt?

      Marie. Sechsundzwanzig.

      Der Vater. Sechsundzwanzig. Zeit genug . . . Zeit genug. Sechsundzwanzig und jung und schön und ein Frauenzimmer mit weißer Haut und mit runden Armen! . . . Nichts für dich verloren, nur Geduld! Und wenn ich neunzig werde, dann bist du siebenunddreißig – immer noch Zeit genug . . . Zeit genug zu allerlei Kurzweil, nach der dich's gelüstet. Nein, ich bedaure dich nicht!

      Marie. Hab' ich verlangt, daß du mich bedauerst?

      Der Vater. Verlangt! Müssen es Worte sein? Du bist wie deine Mutter, ganz wie deine Mutter!

      Marie. Vier Jahre lang ist sie tot. Laß sie in Frieden ruhn. Nie klagte sie – laß sie ruhn.

      Der Vater. Nie klagte sie . . . mit Worten nicht . . . mir ins Gesicht nicht . . . ganz wie du. O ihr, ihr . . . Doch wenn ich nach Hause kam und fand euch dort zusammen auf dem Divan sitzen, aneinander gedrängt wie böse Katzen – oder ich wartete eurer am Fenster, abends, bis ihr von eurem Spaziergang auf den Basteien zurückkamt . . . da habt ihr auch nicht geklagt? . . . Nicht über euer verpfuschtes Leben gesprochen? . . . Nicht über mich, dem ihr die Schuld daran gabt? Verschworen wart ihr gegen mich, stumm verschworen – ich weiß es wohl! Nichts war euch recht: Zu armselig die Wohnung, das Essen schmeckte nicht und ich war euch nicht lustig genug. Was, ich hätte wohl Späße treiben sollen, wenn ich müde von meiner Schreiberei nach Hause kam aus dem Amt, wo ich mich geplagt hatte um die lumpigen paar Gulden für euch . . . für euch, weil die Pension nicht reichte? Mir hätte sie gereicht – mir allein wohl! Und ihr habt mich verflucht! Meinst du, ich weiß es nicht? Meinst du, ich habe deine Mutter nicht gekannt und ich kenne dich nicht? . . . Stundenlang sitzest du stumm neben mir, sprichst nur, wenn ich dich frage, aber dein Blick . . . dein Blick, wenn du dich fortschleichst von mir, zum Fenster hin . . . Denkst du, ich weiß nicht, was sich da in dir rührt, – was für Wünsche, was für Klagen? Meinst du, ich weiß es nicht? . . . Aber wünsche du und klage, wie du willst, – keine Minute mehr lass' ich dich von meiner Seite. Ich will nicht allein sein! Habe Geduld, habe Geduld! Du bist jung. Vielleicht werde ich nicht neunzig, vielleicht nur fünfundachtzig – oder am Ende dauert's gar nur mehr drei, zwei Jahre, dann bist du frei, kannst deinen Adjunkten haben – oder den Doktor – oder beide und noch andere dazu . .

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