Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler. Артур Шницлер
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Читать онлайн книгу Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler - Артур Шницлер страница 76
Der Adjunkt. Das wohl. Die Stelle ist erst vor kurzem frei worden. Der Förster dort starb plötzlich; er war noch jung, kaum vierzig.
Der Vater. Vierzig Jahre! . . . Jawohl, Herr Adjunkt, vierzig Jahr! So treibt's der da oben – und so gleicht er's aus. Leute mit neunundsiebzig leben fort, können sich leidlich erhalten – bis achtzig, fünfundachtzig, neunzig – bei guter Pflege, in sorglicher Hut – – verstehen Sie mich, Herr Adjunkt? . . . Und ich gratuliere zum Oberforstmeister, Herr Adjunkt, aber die Marie lass' ich nicht fort – verstehen Sie?
Marie. Der Herr Adjunkt hat ja nicht – –
Dritte Szene
Der Vater, Marie, Der Adjunkt. Doktor Schindler, der Arzt, tritt ein.
Der Arzt ist in mittleren Jahren, leicht angegraut. Guten Abend. – Guten Abend, Fräulein Marie. Wie blaß Sie wieder sind.
Der Vater wirft einen zornigen Blick auf ihn.
Der Arzt. Wie – der Herr Adjunkt? Wahrhaftig! Wie freu' ich mich, Sie wiederzusehen! Er drückt ihm herzlich die Hand.
Der Vater. Woher kennen die Herren einander so gut?
Der Adjunkt. Zu Weihnachten in eben dieser Stube sah ich den Herrn Doktor zum erstenmal.
Der Vater Und gingen zusammen fort –?
Der Arzt. Wir erlaubten uns. Ja. Und machten einen wunderschönen Spaziergang durch die Winternacht.
Der Adjunkt. Es gibt wenig Stunden, deren ich mich so gern erinnere.
Der Vater. Wem, Herr Doktor, gilt Ihr werter Besuch: dem blassen Fräulein Tochter, dem liebenswürdigen Herrn Adjunkten oder mir kranken Manne?
Der Arzt. Gott sei Dank, Ihnen. – Es war übrigens keine leichte Sache, in Ihre Gasse zu gelangen. Das Gedränge ist groß.
Traben unten.
Marie. Wie kommt es nur, Herr Doktor, daß man nur die Hufschläge hört, daß es sonst so stille ist, daß die Leute nicht rufen wie früher?
Der Arzt. Es sind die blauen Kürassiere, die jetzt vorbeiziehen.
Marie. Nun ja – –
Der Arzt. Wissen Sie denn nicht? Die reiten in den Tod.
Der Adjunkt. Das tun wohl viele in diesen Tagen.
Der Arzt. In den sichern Tod . . . die in den sichern. Zu allen. Wissen Sie denn nichts davon?
Der Adjunkt sich erinnernd. Ah, ist dies das todgeweihte Regiment?
Der Arzt. Ja.
Marie mühsam, aber stark. Das todgeweihte –?
Der Arzt. Ja. Das, von dem keiner zurückkommen wird und darf.
Der Adjunkt. Ich hörte davon. Ist es denn wahr? Am Fenster.
Der Vater. Keiner darf –? Gierig. Keiner darf –?
Der Arzt. Es ist nämlich das Regiment, durch dessen Schuld, wie es heißt, vor dreißig Jahren die Schlacht bei Lindach verloren ward.
Der Vater. Wer sagt das?
Der Arzt. Sie können heut überall davon reden hören. Man sagt, daß dieses Regiment in einem Augenblicke wich, da es hätte standhalten müssen und können, daß diese Flucht die übrigen mitriß und damit Schlacht und Feldzug zu unseres Landes Unglück entschied. All das war beinahe in Vergessenheit geraten – vielleicht ist es auch niemals recht wahr gewesen –, nun aber, da dieser neue Krieg ausbrach, erinnerten sich die Offiziere des Regiments, von denen damals natürlich noch keiner mitgefochten hat, der alten Schmach, und sie haben vom Kaiser die Gnade erbeten, mit dem eigenen Blute zu sühnen, was das Regiment vor dreißig Jahren verschuldet haben soll. Sie haben verlangt, dorthin gestellt zu werden, wo sie wohl den andern von Nutzen sein können, wo aber ihr eigenes Verderben unabwendbar ist, und haben einander zugeschworen, daß keiner von ihnen die Heimat wiedersehen wird.
Marie. Woher wissen Sie das?
Der Arzt. Wie ich schon sagte: überall hört man heute davon reden.
Der Adjunkt kopfschüttelnd. Und dabei steht das Vergehen des Regiments nicht einmal unwidersprechlich fest.
Der Arzt. Was liegt daran? Mögen sie auch Betrogene oder Narren sein, ihr Entschluß ist groß, und so wird die Menschheit wahrscheinlich ihren Vorteil davon haben.
Der Adjunkt. Darum also ist die Menge so stumm, während die vorüberziehen . . .
Der Vater. Und manche sind kaum zwanzig – –
Pause.
Der Arzt. Nun also, Herr Moser, wie steht's? Ich dachte Sie schon zu Bette zu finden. Es ist acht Uhr, Sie sollten schlafen.
Der Vater. Schlafen? . . . Ich bin nicht gelaunt, Vorschüsse an den Tod auszuzahlen.
Der Arzt. Jede Stunde Schlafs ist Gewinn für Sie; Sie hätten weniger Schmerzen, wären ruhiger. Nimmt ein Fläschchen zur Hand, das auf dem kleinen Tisch neben dem Krankensessel steht. Und Sie haben nicht einmal Ihre Tropfen genommen . . . wie? . . . Noch nicht einmal das Fläschchen geöffnet!
Der Vater. Ich will nicht . . . will nicht schlafen!
Der Arzt. Sie müssen. Sie sind dazu verpflichtet. Nicht nur sich selbst gegenüber. Das Fräulein sieht wahrhaftig übel aus. Es geht nicht weiter so. Morgen früh schicke ich Ihnen eine barmherzige Schwester her, die Ihre Pflege übernehmen wird.
Der Vater. Wie können Sie sich erlauben, in dieser Weise über mich zu verfügen? Ich habe kein Geld für eine Schwester.
Der Arzt. Was das anbelangt, überlassen Sie es – –
Der Vater. Sie wollen mir was schenken? Was wagen Sie!
Der Arzt. Es handelt sich um kein Geschenk. Sie werden mir das Geld zurückzahlen, sobald – –
Der Vater. Und wenn ich Hunderttausende hätte – eine fremde Person kommt mir nicht über die Schwelle! Ich weiß Geschichten von Wärterinnen, die ihren Kranken Gift statt des Heiltranks ins Wasser gießen, nur um rascher anderswohin zu kommen, wo sie ein paar Groschen mehr kriegen . . . Und andere gibt es, die tun, als richteten sie die Polster gerade, als glätteten sie die Linnen – dabei zwicken sie, stechen mit Nadeln und lachen dazu . . . Und die am gutmütigsten sind, die denken auch noch lange nicht, daß da ein Mensch liegt, der einmal jung war, – einer, der sich hat rühren können . . . nichts fühlen sie, wenn er jammert, und wenn er stirbt, gehen sie aus dem einen Haus in das andere. – Nein, nein, ich will nicht! .Ich habe eine Tochter, für die ich mich geplagt habe, dreißig Jahre lang, die es mir verdankt, daß sie auf der Welt ist . . . Wozu zöge man Kinder auf, wenn sie in der schwersten Stunde sich davonstehlen dürften? . . . Sie ist jung, sie kann warten . . . es währt ja nicht ewig; dann ist sie frei, dann mag