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Wärme durchflutet Karsten, als er den einfachen Mann die Hand zum Gruß entgegenstreckt.
Dann kehrt er zurück in die Scheune, wo er sich ein bißchen häuslich eingerichtet hat. Er rafft alles zusammen, was sein Eigentum ist, packt es in den Koffer, ein Glanzstück aus Leder aus einstigen, guten Zeiten, und geht langsam vom Hof.
Gewiß, er hat geschuftet wie ein Irrer und gewohnt wie ein Hund, aber es war in mancher Beziehung doch eine sorglose Zeit.
Er trifft den Tankstellenbesitzer, einen älteren, etwas beleibten, gutmütig aussehenden Mann, allein an.
»Sie sind also Ulrich Karsten«, sagt er zur Begrüßung und mustert Karsten aus klugen Augen.
»Sie können morgen Ihren Dienst antreten«, sagt Erich Meier. »Sie erhalten Stundenlohn. Eine Bleibe habe ich auch, drüben –«, er weist über den Vorplatz auf ein Haus mit niedrigem Dach, »bei Frau Summer. Es ist eine kleine Dachstube, dafür aber billig.«
»Vielen Dank«, erwidert Karsten, und ihm fällt ein Stein vom Herzen. Eine Arbeit, die bezahlt wird. Dazu ein eigenes Zimmer, und wenn es noch so winzig wäre. Es ist mehr als er im Augenblick an Freude ertragen kann.
»Pünktlich sein«, ruft ihm der Tankstellenbesitzer noch nach. »Ihr Dienst beginnt schon um sechs Uhr morgens.«
Karsten kann nur nicken. Er weiß, nicht eine Minute wird er zu spät kommen.
Und dann beginnt eine neue Schaffensperiode für ihn, zwar weitab von seinem Beruf, aber es ist Arbeit, für die er bezahlt wird. Er verdient keine Reichtümer, doch er kann sein Zimmer davon bezahlen und bescheiden leben.
Er hat noch fünf Kollegen. Zwei sind für die Reparaturen da, die zwischendurch vorgenommen werden müssen. Die anderen teilen sich in den Tag- und Nachtdienst.
Sie haben ihn zuerst mißtrauisch betrachtet. Doch als er seine Arbeit tut, kein großes Wort führt und sich fügsam in alles schickt, da werden sie nach und nach zutraulich. Gerade das möchte Ulrich Karsten nicht, und da rückt er merklich von ihnen ab. Er ahnt nicht, daß er mit diesem Verhalten Anstoß bei ihnen erregt.
Er will ja nur schaffen, nichts sonst. Arbeiten und nicht an das Vergangene denken. Wie weit liegt das eigentlich zurück?
Er weiß manchmal überhaupt nicht, ob er noch lebt. Ob nicht ein anderer für ihn schläft, arbeitet, ißt. Alles was einst war, liegt so unendlich fern. Nur manchmal, wenn einer der eleganten, chromblitzenden Wagen vorfährt und er laufen muß, den Tank zu füllen, die Scheiben zu putzen und ihm wird ein Trinkgeld in die Hand gedrückt, dann ist ihm, als wäre er für immer ausgestoßen, aus einer Welt, in der er sich einmal wohl gefühlt hat.
Vierzehn Tage sind so vergangen. Er tut unermüdlich seine Pflicht. Er merkt nicht, daß seine Kollegen ihn mit scheelen Augen zu betrachten beginnen. Er merkt auch nicht, daß man ihm die Arbeit zuschiebt, die den anderen unbequem ist. Er ist willig, weil er zäh an diesem Arbeitsplatz festhalten will.
So trifft es ihn ganz unverhofft und doppelt schwer, als Erich Meier ihn zu sich ruft und die Mitteilung macht, daß er ihn nicht mehr beschäftigen kann. Ihm ist dabei nicht wohl zumute, als er das wie erstarrte Gesicht Karstens erblickt.
»Sie müssen mich verstehen, Karsten«, versucht er sein Handeln vor dem schweigsamen Mann zu rechtfertigen. »Es sind alles langjährig bewährte Leute. Irgendwie haben sie herausbekommen, daß Sie einmal… Nun ja, Sie wissen ja, wie das ist. Das geht von Mund zu Mund. Es tut mir aufrichtig leid, Karsten. Ich verliere Sie ungern. Aber ich kann die anderen nicht vor den Kopf stoßen.«
Stumm macht Karsten auf dem Absatz kehrt. Er ist voll Erbitterung. Wie blind stürzt er davon, läuft über die Straße und sucht Zuflucht in seinem Dachstübchen.
Dort erwartet ihn ein neuer Schreck. Die alte Frau Sommer, die von einer Rente lebt, einen kleinen Haushalt zu versorgen hat und über sehr viel Zeit verfügt, die sie mit viel Klatschereien verbringt, stellt ihn hart zur Rede.
»Das hätten Sie mir nicht verschweigen dürfen, daß Sie einen umgebracht haben«, schleudert sie ihm schonungslos entgegen.
Karsten schlägt die Röte ins Gesicht. »Schweigen Sie«, herrscht er die Frau an und verliert erstmals die Nerven. »Noch heute verlasse ich das Zimmer.«
Ohne die reglos am Türrahmen lehnende Frau weiter zu beachten, die jede seiner Hantierungen mit Neugier beobachtet, holt er den Lederkoffer vom Schrank.
»Und wie ist es mit der restlichen Miete?« hört er sie plötzlich sagen.
»Und passen Sie auf, daß ich nicht das Kopfkissen aus Versehen mit einpacke«, sagt er voll eisigen Hohns. »Schreiben Sie auf, was Sie zu bekommen haben. Aber bitte, sofort.«
Ihm brennt der Boden unter den Füßen. Tatsächlich verläßt sie ihn, kehrt aber im Handumdrehen mit einem Zettel zurück. »Da, die Abrechnung.«
Ohne zu überprüfen, legt er das Geld vor sie hin. Erst als er auf der Straße steht, fällt ihm ein, daß er noch einige Sachen auf seiner Arbeitsstelle liegen hat. Also muß er den Weg, der ihm sehr schwer wird, antreten.
Erich Meier hat inzwischen seine Papiere und den restlichen Lohn fertig gemacht. Schweigend drückt er es Karsten in die Hand.
»Alles Gute, Karsten.«
»Danke«, würgt dieser hervor. Er überquert den Vorplatz und biegt in die Straße ein. Er geht langsam, wie ein Mensch, der sehr viel Zeit hat – oder wie einer ohne Ziel.
Der Himmel ist von grauen Wolken bedeckt, die fast bis zur Erde hängen. Die ganze Landschaft ist in Grau gehüllt. Ihn fröstelt. Er hat nur seinen dünnen Sommermantel an, und der Wind treibt ihm die ersten Regentropfen ins Gesicht.
Das alles spürt er kaum. Am Abend kehrt er in einem abseits gelegenen Gasthof ein, nimmt ein einfaches Zimmer, läßt sich einen Tee bringt und schlüpft in das Bett.
Schlafen möchte er! Schlafen und nicht mehr denken. Aber es kommt kein barmherziger Schlaf. Unaufhörlich kreisen seine Gedanken, beschäftigen sich mit der jüngsten Vergangenheit und mit dem, was er so gern vergessen möchte. Erst gegen Morgen fällt er in einen bleiernen Schlummer, wacht schon bald wieder auf und verläßt das Haus, das ihm für eine Nacht Schutz gewährt hat.
Wieder die Landstraße! Wieder dieses endlose Dahinwandern. So geht das Tag um Tag. Das Geld ist ausgegeben, bei aller Sparsamkeit. Der Hunger wütet in ihm. Aber er meint, die seelische Belastung sei viel schwerer als Hunger und Durst.
Zuletzt landet er im Obdachlosenheim! Fremde und Verzweifelte. Geschöpfe wie er, heimatlos und irgendwie entwurzelt. Zwei Tage hält er es aus, dann zieht er weiter.
Am dritten Tag kehrt er wieder zurück und wird nicht aufgenommen. Nach dem Gesetz kann man ihm nur eine bestimmte Zeit ein Dach über dem Kopf bieten.
Gesetze! Er lacht bitter auf und hetzt davon. Was sind das für Gesetze, die die Menschen auf die Straße treiben, die sie in eine grundlose Verzweiflung stürzen?
Karsten führt ununterbrochen Selbstgespräche. Alles in ihm lehnt sich