Sherlock Holmes: 40+ Krimis in einem Buch. Arthur Conan Doyle

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Sherlock Holmes: 40+ Krimis in einem Buch - Arthur Conan Doyle

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wieder Farbe in die blutlosen Wangen des geängstigten Weibes.

      »Mein Herr hat sich eingeschlossen und will mir nicht antworten,« berichtete sie. »Den ganzen Tag habe ich gewartet, daß er mich rufen würde. Er ist oft gern allein und ich wollte ihn nicht belästigen, aber vor einer Stunde kam es über mich, daß etwas nicht richtig sein möchte, da ging ich hinauf und guckte durchs Schlüsselloch.

      »Es hilft nichts, Herr Thaddäus, Sie müssen hinauf und sich selbst überzeugen. Seit zehn langen Jahren habe ich den Herrn Bartholomäus Scholto in Freud und Leid gesehen; aber niemals mit solchem Gesicht.«

      Sherlock Holmes nahm die Lampe und ging voran; der bebende Thaddäus folgte ihm. Er war so fassungslos, daß ich ihn stützen mußte und ihm helfen, die Treppe hinaufzukommen; denn die Kniee versagten ihm.

      Zweimal zog Holmes auf der Treppe seine Lupe heraus, um die Kokosmatte genau zu betrachten, welche die Stufen bedeckte. Ich sah nur den Staub, der darauf lagerte; er aber mochte wohl noch andere Spuren gewahren, denn er ging langsam von Stufe zu Stufe, hielt die Lampe niedrig und schoß scharfe Blicke nach links und rechts. Fräulein Morstan war bei der jammernden Haushälterin zurückgeblieben.

      Der dritte Treppenabsatz endigte in einem langen Korridor, dessen Wand rechts ein großes Bild in indischer Stickerei schmückte, während sich links drei Thüren befanden. Holmes schritt bedächtig weiter und wir folgten ihm auf den Fersen, unsere langen, schwarzen Schatten hinter uns durch den Gang werfend. Als wir die dritte Thür erreicht hatten, klopfte Holmes, erhielt jedoch keine Antwort. Nun versuchte er die Thür zu öffnen; sie war aber von innen verschlossen und ein großer starker Riegel vorgeschoben, wie wir beim Laternenlicht sehen konnten. Holmes bückte sich zum Schlüsselloch nieder, welches nicht ganz verdeckt war, fuhr jedoch augenblicklich wieder in die Höhe und atmete schwer.

      »Da steckt der Teufel drin, Watson,« rief er so aufgeregt, wie ich ihn nie zuvor gesehen. »Was denken Sie davon?« –

      Ich sah nun auch durch das Schlüsselloch und prallte entsetzt zurück. Das Mondlicht erhellte den Raum mit unsicherm Schimmer und – scheinbar in der Luft schwebend, weil weiter unten alles dunkel war, hing da, den Blick mir zugewandt, ein Gesicht – genau das Gesicht unseres Gefährten Thaddäus. Derselbe hohe, kahle Kopf mit dem Kranz von rotem Haar, dasselbe blutlose Antlitz, nur daß die Züge unbeweglich waren, wie erstarrt, in einer unnatürlichen Grimasse, einem gräßlichen Lächeln, das sich in dem unheimlich stillen Zimmer abschreckender ausnahm und mehr auf die Nerven fiel, als die entsetzlichste Fratze oder Verzerrung. So ähnlich war das Gesicht dem unseres kleinen Freundes, daß ich mich unwillkürlich nach ihm umsah, um mich zu überzeugen, daß er wirklich hinter uns stand. Dabei fiel mir ein, daß er erwähnt hatte, er und sein Bruder seien Zwillinge.

      »Das ist grauenhaft,« sagte ich zu Holmes. »Was fangen wir an?«

      »Wir sprengen die Thür,« rief er, und stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen, um das Schloß aufzubrechen. Es knarrte und ächzte, aber gab nicht nach. Jetzt warfen wir uns beide zusammen gegen die Thür und diesmal sprang das Schloß mit einem plötzlichen Krach auf und wir befanden uns in Bartholomäus Scholtos Zimmer. Es schien zu einem chemischen Laboratorium eingerichtet. Eine doppelte Reihe von Flaschen mit Glasstöpseln war längs der Wand, der Thür gegenüber aufgestellt und auf dem Tisch standen Kolben, Reagensgläser und Retorten unordentlich durcheinander. In den Ecken bemerkte ich große strohumflochtene Flaschen, welche Säuren enthalten mochten. Eine derselben schien zerbrochen worden zu sein, denn ein Strom dunkelfarbiger Flüssigkeit hatte sich daraus ergossen, und die Luft war geschwängert mit einem scharfen, theerartigen Geruch. Eine Trittleiter stand an der Seite des Zimmers, mitten in einem Haufen von Latten und Kalkstücken und über derselben sah ich eine Oeffnung in der Decke, groß genug, um einen Mann hindurchzulassen. Am Fuß der Leiter war ein langes, starkes Seil nachlässig hingeworfen. Neben dem Tisch aber, in einem hölzernen Lehnstuhl, saß, in sich zusammengefallen, der Herr des Hauses, den Kopf auf die rechte Schulter gesenkt und mit dem geisterhaften, unerklärlichen Lächeln im Gesicht. Er war steif und kalt und offenbar schon seit vielen Stunden tot. Er sah aus, als ob nicht allein seine Gesichtszüge, sondern alle seine Gliedmaßen auf die sonderbarste Weise verzerrt und verrenkt wären. Auf dem Tische, dicht an seiner Hand, lag eine eigentümliche Waffe – ein brauner, knorriger Stock, an dem ein steinerner, hammerartiger Griff mit grobem Bindfaden kunstlos befestigt war. Daneben lag ein abgerissenes Stück Papier, auf dem ein paar Worte gekritzelt waren. Holmes warf einen Blick darauf und zog die Augenbrauen bedeutsam in die Höhe, dann reichte er es mir.

      »Was sagen Sie nun?«

      Beim Licht der Laterne las ich mit Schaudern und Schrecken: »Das Zeichen der Vier.«

      »Um Gottes willen, was soll das alles bedeuten?« rief ich.

      »Es bedeutet Mord,« erwiderte er, sich über den Toten beugend. »Ach! Das erwartete ich. Sehen Sie her!«

      Er zeigte auf einen Gegenstand, der wie ein langer, dunkler Dorn aussah und gerade über dem Ohr in der Haut steckte.

      »Das scheint mir ein Dorn zu sein.«

      »Ja, es ist ein Dorn. Sie können ihn herausziehen, aber seien Sie vorsichtig, denn er ist vergiftet.« Ich nahm ihn zwischen Daumen und Zeigefinger und er ließ sich so leicht aus der Haut ziehen, daß kaum eine Spur zurückblieb. Ein winziger Blutfleck zeigte, wo der Stachel eingedrungen war.

      »Das ist mir alles ein unlösbares Rätsel,« gestand ich, »statt sich zu klären wird es immer dunkler.«

      »Im Gegenteil,« meinte Holmes, »es wird mit jedem Augenblick klarer. Mir fehlen nur noch ein paar verbindende Glieder zu einem ganz zusammenhängenden Fall.«

      Wir hatten unsern Gefährten beinahe vergessen. Er stand, ein Bild des Entsetzens, immer noch in der Thüre, rang die Hände und stöhnte vor sich hin. Plötzlich brach er jedoch in ein lautes Jammergeschrei aus.

      »Der Schatz ist fort!« klagte er. »Sie haben ihm den Schatz gestohlen! Dort oben ist das Loch, durch das wir ihn heruntergelassen haben. Ich half ihm dabei! Ich war der Letzte, der ihn gesehen hat. Hier habe ich ihn gestern abend verlassen und als ich die Treppe herabging, hörte ich noch, wie er die Thür verschloß.«

      »Zu welcher Zeit war das?«

      »Um zehn Uhr. Und nun ist er tot, man wird die Polizei rufen und ich komme am Ende noch in Verdacht, die Hand mit im Spiele gehabt zu haben. O ja, gewiß wird’s so kommen. Aber Sie, meine Herren, nicht wahr, Sie denken das nicht. Sicherlich werden Sie doch nicht glauben, daß ich’s gewesen bin? Ich hätte Sie doch nicht hergebracht, wenn ich es wäre? O weh! O weh! Das bringt mich noch um den Verstand.«

      Er focht mit den Armen in der Luft, stampfte mit den Füßen, als hätte ihn schon der Wahnsinn ergriffen.

      »Sie brauchen nichts zu befürchten, Herr Scholto,« sagte Holmes, ihm freundlich seine Hand auf die Schulter legend, »folgen Sie meinem Rat und fahren Sie gleich auf das Polizeiamt, um den Sachverhalt anzuzeigen. Erbieten Sie sich auch, der Behörde auf alle Weise behilflich zu sein. Wir werden hier Ihre Rückkehr abwarten.«

      Der kleine Mann gehorchte in halber Betäubung und wir hörten ihn im Dunkel die Treppe hinabstolpern.

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      »Nun Watson,« sagte Holmes und rieb sich die Hände, »wir haben jetzt eine halbe Stunde

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