Sherlock Holmes: 40+ Krimis in einem Buch. Arthur Conan Doyle

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Sherlock Holmes: 40+ Krimis in einem Buch - Arthur Conan Doyle

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Flasche ist gesprungen und der Stoff ausgeflossen.«

      »Und was dann?« sagte ich.

      »Was dann? – Nun, wir haben ihn, das ist alles. Ich weiß einen Hund, der würde diese Fährte bis zum Ende der Welt verfolgen. Wenn eine Koppel Hunde einem geschleiften Hering durch eine ganze Grafschaft nachzuspüren vermag, wie weit wird dann der besonders darauf dressierte Hund einem so scharfen Geruch folgen können? Das klingt wie eine Aufgabe in der Regeldetri. Die Antwort sollte uns – aber holla! hier sind die bevollmächtigten Vertreter des Gesetzes.«

      Stimmengewirr und schwere Tritte wurden von unten her vernehmbar. Die Hausthür schloß sich mit einem lauten Krach.

      »Ehe sie kommen,« sagte Holmes, »legen Sie einmal Ihre Hand auf des Toten Arm, und hier an sein Bein; was fühlen Sie?«

      »Die Muskeln sind hart wie ein Brett.«

      »Richtig. Sie sind weit stärker zusammengezogen als in der gewöhnlichen Totenstarre. Dazu kommt noch die Verzerrung des Gesichts zu dem abschreckenden Grinsen, oder risus sardonicus, wie die Alten es nannten. Welche Schlußfolgerung würden Sie aus alledem ziehen?«

      »Daß die Todesursache ein starkes, vegetabilisches Alkaloid gewesen ist, ein strychninartiger Stoff, welcher Starrkrampf erzeugt.«

      »Das war auch meine Idee, als ich die verzerrten Gesichtsmuskeln sah. Sobald ich den Dorn entdeckte, der in die Kopfhaut gestoßen oder geschossen worden war, erriet ich, auf welche Weise das Gift in den Körper gedrungen sei. Wenn nun der Mann in seinem Stuhl aufrecht gesessen hat, so war der Teil des Kopfes, in welchem der Dorn steckte, gerade gegen das Loch in der Decke gerichtet. Nun untersuchen Sie den Dorn.«

      Ich faßte denselben vorsichtig an und hielt ihn gegen das Licht der Laterne. Er war lang, scharf und schwarz; die Spitze sah wie glasiert aus, als ob ein gummiartiger Stoff darauf getrocknet wäre. Das stumpfe Ende war mit dem Messer abgerundet.

      »Ist das ein englischer Dorn?« fragte Holmes.

      »Gewiß nicht.«

      »Nun, nach allen diesen Ermittlungen sollten Sie doch imstande sein, einen richtigen Schluß zu ziehen. – Aber da rückt die Hauptmacht an; jetzt können die Hilfstruppen zum Rückzug blasen.«

      Starke Tritte schallten im Gange, und ein sehr wohlbeleibter Mann im grauen Rock kam würdevoll in das Zimmer gegangen. Sein Gesicht war rot und aufgedunsen, und die kleinen Augen blitzten scharf unter schwülstigen Lidern hervor. Ihm auf den Fersen folgte ein Polizeibeamter in Uniform und der immer noch bebende Thaddäus Scholto.

      »Schönes Geschäft hier!« rief er mit kurzatmiger, heiserer Stimme: »Schönes Geschäft hier! Aber wer sind alle diese Leute? Meiner Treu, das Haus scheint so voll zu sein wie ein Taubenschlag.«

      »Ich denke, Sie werden sich meiner erinnern, Herr Athelney Jones,« sagte Holmes ruhig.

      »Ja natürlich, gewiß!« gab er keuchend zur Antwort. »Herr Sherlock Holmes, der Theoretiker. Erinnern – ich denke wohl, die Vorlesungen über Ursachen und Wirkungen, die Sie uns allen bei dem Juwelendiebstahl in Bishopgate hielten, werde ich nie vergessen. Freilich haben Sie uns damals auf die rechte Spur gebracht, aber Sie werden jetzt wohl selbst eingestehen, daß dabei mehr Glück als Berechnung im Spiele war.«

      »Nur eine höchst einfache Schlußfolgerung.«

      »Geben Sie’s nur zu, es ist ja keine Schande. Aber was haben wir hier? Eine böse, eine häßliche Geschichte! Kein Raum für Theorien, handelt sich um Thatsachen. Hat sich glücklich getroffen, daß ich just wegen eines andern Falls in Norwood sein mußte. War auf dem Bahnhof, als die Meldung kam. Woran ist der Mann gestorben, was meinen Sie?«

      »O, das ist kein Fall, über den ich Mutmaßungen äußern möchte,« sagte Holmes trocken.

      »Je nun, man kann ja nicht leugnen, daß Sie zuweilen den Nagel auf den Kopf getroffen haben. – Merkwürdig! Verschlossene Thür, wie mir gesagt wird, Juwelen im Wert von einer halben Million verschwunden. Wie fanden Sie das Fenster?«

      »Geschlossen; aber es sind Tritte auf dem Fenstersims.«

      »So, so! Wenn’s aber geschlossen war, können die mit der Sache nichts zu thun haben, – das versteht sich von selbst. Der Mann ist vielleicht vom Schlag getroffen; aber, daß die Juwelen fehlen – Halt! ich habe eine Theorie. Solche Eingebungen kommen zu Zeiten über mich – Gehen Sie doch einmal hinaus, Sergeant – und Sie, Scholto, Ihr Freund kann bleiben, – Was meinen Sie, Holmes – Scholto war nach seinem eigenen Bekenntnis gestern abend bei seinem Bruder. Der Bruder starb plötzlich, worauf Scholto mit dem Schatz davonging? Stimmt das?«

      »Worauf der tote Mann sehr bedachtsam aufstand und die Thüre von innen verschloß.«

      »Hm! Das stimmt nicht. Wir wollen die Sache einmal vernünftig überlegen: Thaddäus Scholto und sein Bruder bekamen Streit miteinander. Der Bruder ist tot und die Juwelen sind fort. Das ist, was wir wissen. Niemand hat den Bruder gesehen, seit Thaddäus ihn verließ. Sein Bett ist unbenutzt geblieben. Thaddäus befindet sich offenbar in sehr erschütterter Gemütsverfassung. Sein Aeußeres ist – nun – wir wollen sagen – nicht anziehend. Sie sehen, daß mein Gespinst sich um Thaddäus webt. Das Netz zieht sich immer mehr zusammen.«

      »Noch sind Ihnen nicht alle Thatsachen bekannt,« sagte Holmes. »Dieser Holzsplitter, den ich nicht ohne guten Grund für vergiftet halte, stak in des Mannes Schädel; man steht noch die Spur. Diese beschriebene Karte lag auf dem Tisch, und daneben jener sonderbare Stock mit dem Steingriff. Wie paßt das alles zu Ihrer Theorie?«

      »Bestätigt sie in jeder Hinsicht,« sagte der dicke Detektiv sehr selbstbewußt. »Das Haus ist ja voll indischer Kuriositäten. Thaddäus hat den Stock mitgebracht, und wenn der Splitter giftig ist, kann Thaddäus ebensogut wie ein anderer einen mörderischen Gebrauch davon gemacht haben. Die Karte halte ich für irgend einen Hokuspokus, um uns irre zu führen. Die einzige Frage ist, wie kam er davon? O natürlich, da ist ja ein Loch in der Decke.«

      Mit großer Gelenkigkeit, in Anbetracht seines Umfangs, erstieg er die Trittleiter und klemmte sich durch das Loch in den Zwischenboden. Gleich darauf verkündete er mit triumphierender Stimme, daß er die Fallthür entdeckt habe.

      »Dergleichen findet er wohl,« bemerkte Holmes achselzuckend. »Zuweilen dämmert’s in seinem Verstand; wären nur die gescheiten Narren nicht die allerunbequemsten.«

      Athelney Jones kam jetzt die Leiter wieder herabgeklettert. »Sehen Sie,« sagte er, »Thatsachen sind doch immer sicherer als Theorien. Meine Ansicht hat sich bestätigt. Im Dach ist eine Fallthür, die sogar halb offen steht.«

      »Ich habe sie aufgemacht.«

      »Was? Wirklich! Sie haben sie also gefunden?«

      Er schien etwas niedergeschlagen über diese Entdeckung. »Nun einerlei, sie beweist, wie unser Mann entkommen ist. – Inspektor!«

      »Ja, Herr,« tönte es aus dem Gange.

      »Bitten Sie Herrn Scholto einzutreten. – Herr Scholto, es ist meine Pflicht, Ihnen mitzuteilen, daß Sie vorsichtig in Ihren Aeußerungen sein müssen, weil sie zu Ihren Ungunsten gebraucht werden könnten. Ich verhafte Sie im Namen der Königin als mitbeteiligt am Tode Ihres Bruders.«

      »Da haben wir’s! Sagte ich’s Ihnen nicht!« schrie

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