Gesammelte Werke von Gottfried Keller. Готфрид Келлер

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Gottfried Keller - Готфрид Келлер страница 164

Gesammelte Werke von Gottfried Keller - Готфрид Келлер

Скачать книгу

den der Goldfuchs mutwillig verschmähte. Jedes Haferkorn war ein süßer Mandelkern, eine getrocknete Weinbeere und ein neuer Batzen, die in rote Seide zusammengewickelt und mit einem goldenen Faden zugebunden waren; zugleich war ein Endchen Schweinsborste eingebunden, welche einen angenehm kitzelte, und indem das schöne Pferd sich behaglich darin wälzte, rief es »Der Hafer sticht mich! der Hafer sticht mich!« Heinrich bestieg das Pferd, ritt beschaulich am Ufer hin und sah, wie der Bauer in die Rosen hineinpflügte und mit seinem ganzen Gespann darunter versank. Die Rosen nahmen ein Ende, und während sie sich zu dichten Scharen verzogen und in die Ferne hinschwammen, eine hohe Röte am runden Horizonte ausbreitend, der Fluß aber jetzt rein und wie ein unermeßliches Band fließenden blauen Stahles erschien, fuhr der Bauer auf seinem Pfluge, der sich in ein Schiff verwandelt hatte, dessen Steuer sich aus der goldenen Pflugschar formierte, singend dahin und sang »Das Alpenglühen rückt aus und geht ums Vaterland herum!« Dann bohrte er eifrig ein Loch in den Schiffboden; dann steckte er das eherne Mundstück einer Trompete an das Loch, sog einen Augenblick kräftig daran, worauf es mächtig erklang, gleich einem Harsthorn, und einen glänzenden Wasserstrahl ausstieß, der den herrlichsten Springbrunnen in dem fahrenden Schifflein bildete. Der Bauer nahm den Brunnenstrahl, setzte sich, auf den Rand des Schiffes und schmiedete auf seinen Knien und mit der rechten Faust ein mächtiges Schwert daraus, daß die Funken nur so stoben. Als das Schwert fertig war, probierte er es an einem ausgerupften Barthaar und überreichte es höflich sich selbst, der plötzlich als jener dicke Wirt ihm gegenüberstand, welcher an jenem Volksfeste den Wilhelm Tell vorgestellt Dieser nahm das Schwert, schwang es und sang mächtig:

      »Heio heio! bin auch noch do

      Und immer meines Schießens froh!

      Heio heio! die Zeit ist weit,

      Der Pfeil des Tellen fleugt noch heut!

      Heio heio! seht ihr ihn nicht?

      Dort oben fliegt er hoch im Licht!

      Man weiß nicht, wo er steckenbleibt,

      Heio heio! ’s ist, wie man’s treibt!«

      Dann hieb der dicke Tell mit dem Schwerte von der Schiffswand, die nun eine Speckseite war, urplötzlich einen dicken Span herunter und trat mit demselben feierlich in die Kajüte, um einen Imbiß zu halten.

      Heinrich ritt nun auf seinem Goldfuchs in das Dorf ein, darin sein Oheim wohnte; es sah ganz fremd aus, die Häuser waren neu gebaut und alle Kamine rauchten, indessen die Bewohner sämtlich hinter den hellen Fenstern zu erblicken waren, wie sie eifrig um den Tisch herum saßen und aßen, keine Seele sich aber auf der Straße sehen ließ und ihn also auch niemand bemerkte. Dessen war er aber höchlich froh; denn er entdeckte erst jetzt, daß er auf seinem leuchtenden Pferde noch die alten abgeschabten und anbrüchigen Kleider anhatte. Er bestrebte sich, desnahen auch, ungesehen hinter das Haus des Oheims zu gelangen; aber wie wunderte er sich, als dieses über und über mit Efeu bewachsen und außerdem noch ganz von den alten wuchtigen Nußbäumen überhangen war, so daß kein Stein und kein Ziegel zu sehen war und nur hie und da ein Stückchen Fensterscheibe durch das dichte Grün blinkte. Er sah wohl, daß sich Leute hinter denselben bewegten, aber er konnte niemanden erkennen. Der Garten war mit einer Wildnis von wuchernden Feldblumen bedeckt, aus denen die alten verwilderten Gartenstauden baumhoch emporragten, und Schwärme wild gewordener Bienen brausten auf dieser Blumenwildnis umher. Im Bienenhause aber lag sein alter Liebesbrief, den der Wind einst dahin getragen, vergilbt und vom Wetter zugerichtet, ohne daß ihn die Jahre her jemand gefunden, obgleich er offen dalag; er nahm ihn und wollte ihn entfalten, da riß ihn jemand aus seiner Hand, und als er sich umsah, huschte Judith damit lachend um die Ecke und küßte Heinrich aus der Entfernung durch die Luft, daß er den Kuß auf seinem Munde fühlte; aber der Kuß verwandelte sich sogleich in ein Apfelküchlein, das er begierig aß, da er im Schlafe mächtigen Hunger empfand. Dies sah er auch sogleich ein und überlegte, daß er ja träume, daß aber der Apfelkuchen von jenen Apfeln herkomme, welche er einst küssend mit Judith zusammen gegessen. Aber das Stückchen Kuchen machte ihn erst recht heißhungrig, und er gedachte, daß es nun Zeit sei, in das Haus zu gehen, wo wohl eine gute Mahlzeit bereit sein würde. Er packte also einen schweren Mantelsack aus, welcher sich unversehens auf seinem Pferde befand, nachdem er dasselbe an einen Baum gebunden, und aus seinem Mantelsack rollten die schönsten Kleider hervor und ein feines weißes Hemd mit gestickter Brust. Wie er dieses auseinanderfaltete, wurden zwei daraus, aus den zweien vier, aus den vieren acht, kurz, eine Menge der feinsten Leitwäsche breitete sich aus, welche wieder in den Mantelsack zu packen Heinrich sich abmühte, aber vergeblich; immer wurden es mehr Hemden und bedeckten den Boden umher, und Heinrich empfand die größte Angst, über diesem sonderbaren Geschäft von seinen Verwandten überrascht zu werden. Endlich ergriff er in der Verzweiflung eines, um es anzuziehen, und stellte sich schamhaft hinter einen Nußbaum; aber man sah vom Hause aus an diese Stelle, und er schlich sich beklemmt hinter einen andern, und so immer fort von einem Baume zum andern, bis er, dicht an das Haus gelehnt und sich in den Efeu hineindrückend, in der größten Verwirrung und Eile den Anzug wechselte, die schönen Kleider anzog und doch fast nicht fertig damit werden konnte, und als er es endlich war, befand er sich wieder in der größten Not, wohin er das traurige Bündel der alten Kleider bergen möge. Wohin er es auch trug, immer fiel ihm ein Stück auf die Erde; zuletzt gelang es mit saurer Mühe, das Zeug in den Bach zu werfen, wo es aber durchaus nicht talab schwimmen wollte, sondern sich immer an selber Stelle herumdrehte ganz gemächlich. Er ergriff eine verwitterte Bohnenstange, die ihm in den Händen zerbrach, und quälte sich ab, die schlechten Lumpen in die Strömung hineinzustoßen; aber die morsche Stange brach und brach immer wieder und zersplitterte bis auf das letzte Stümpfchen. Da berührte ein süßer duftiger Hauch seine Wangen, den er so recht durch allen Traum hindurch empfand, und Anna stand vor ihm und führte ihn freundlich in das grüne Haus hinein. Er stieg Hand in Hand mit ihr die Treppe hinauf und trat in die Stube, wo der Oheim, die Tante, die Basen und die Vettern sämtlich versammelt waren und ihn herzlich begrüßten. Er sah sich aufatmend um; die alte Wohnung war ganz neu und sonntäglich aufgeputzt, manches neue, ihm noch unbekannte Möbel, wie es im Laufe der Jahre wohl in ein Haus kommt, stand da, und es war so sonnenhell in dem Gemach, daß Heinrich nicht begriff, wie durch den dicken Efeu all das Licht herkomme. Der Oheim und die Tante waren in ihren besten Jahren, die Bäschen und die Vettern lustig und blühender als je, der Schulmeister ebenfalls ein sehr schöner Mann und aufgeräumt wie ein Jüngling, und Anna war als Mädchen von vierzehn Jahren in jenem rotgeblümten Kleide und mit der lieblichen Halskrause. Was aber sehr sonderbar war alle, Anna nicht ausgenommen, trugen lange feine kölnische Pfeifen in den Händen und rauchten einen wohlriechenden Tabak und Heinrich ebenfalls. Dabei standen sie, die Verstorbenen und die noch Lebendigen, keinen Augenblick still, sondern gingen mit freundlichen frohen Mienen unablässig die Stube auf und nieder, hin und her, und dazwischen niedrig am Boden die zahlreichen Jagdhunde, das Reh, der Marder, zahme Falken und Tauben in friedlicher Eintracht, nur daß die Tiere den entgegengesetzten Strich mit den Menschen gingen und so ein wunderbares Weben durcheinanderging Der große Nußbaumtisch war mit dem schönsten weißen Damasttuche gedeckt und mit einer duftenden vollaufgerüsteten Mahlzeit besetzt, an welche aber niemand rührte. Heinrich konnte kaum erwarten, bis man sich zu Tische setze, so wässerte ihm der Mund, und unterdessen sagte er zum Oheim »Ei, Ihr scheint es Euch da recht wohl sein zu lassen!« – »Versteht sich!« sagte der, und alle wiederholten »Versteht sich!« mit angenehm klingender Stimme.

      Plötzlich befahl der Oheim, daß man zu Tische sitze, und alle stellten die Pfeifen pyramidenweise zusammen auf den Boden, je drei und drei, wie die Soldaten die Gewehre. Darauf schienen sie unversehens wieder zu vergessen, daß sie sich eigentlich zu Tisch setzen wollten, zum großen Verdruß Heinrichs; denn sie gingen nun ohne die Pfeifen wieder umher und fingen allmählich an zu singen, und Heinrich sang mit:

      »Wir träumen, wir träumen,

      Wir träumen, träumen, träumen,

      Wir säumen, träumen, säumen,

      Wir

Скачать книгу