Zum Kontinent des eisigen Südens. Erich von Drygalski

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Zum Kontinent des eisigen Südens - Erich von Drygalski Edition Erdmann

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der Expedition allein zu begründen und die Kerguelenstation für unerlässlich zu halten, da ich die genannten Wissenszweige wohl für überaus wichtig, aber doch nur für gleichberechtigt mit Biologie, Ozeanographie und anderen Forschungsrichtungen hielt.

      Dieses war der Grund, weswegen die Kerguelenstation in meinen ersten Entwürfen nicht enthalten gewesen ist, desgleichen auch nicht in meinem Entwurf der Immediateingabe an Seine Majestät den Kaiser, meinen ersten Vorträgen bei der Reichsregierung und Denkschriften an den Deutschen Reichstag. Wenn ich später aber den erdmagnetisch-meteorologischen Wünschen die Aufnahme der Station in mein Programm einräumte, so geschah es in voller Würdigung der großen Wichtigkeit der Station für diese Disziplinen, aber doch in der Überzeugung, dass sie nur ein Teil der Expedition blieb, welcher für deren ganzes Wesen darum nicht fundamental war.

      Unsere Expedition unterschied sich nämlich von den älteren Entwürfen neben manchem anderen dadurch, dass die ausführenden Personen und der Leiter volle Freiheit erhielten, während in älteren Entwürfen bestimmte Instruktionen vorgesehen waren, nach denen die Expedition zu handeln hatte. Bei diesem letzteren Verfahren ist es nun leichter, Stationen zu gründen.

      Wo die ausführenden Persönlichkeiten dagegen Freiheit des Handelns haben, ist es durchaus notwendig, dass sie selbst auch die vorzunehmenden Untersuchungen planen und vorbereiten. Da nun aber von vornherein keiner vorhanden war, welcher an die Kerguelenstation für sich gedacht hat, mussten die Arbeiten dieser Station zunächst von solchen vorgezeichnet werden, die an ihrer Durchführung nicht mehr selbst beteiligt sein konnten.

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       Enzenspergers Grab an der Nordseite des Stationsbergs auf den Kerguelen

      (Quelle: Geographisches Institut, Universität München)

      Um diesem Übelstand abzuhelfen, wurden die Mitglieder der Kerguelenstation möglichst frühzeitig gewählt und zur aktiven Mitwirkung bei den Vorbereitungen herangezogen. Die Herren Dr. Luyken und Dr. Werth sind im Herbst 1900 zu uns getreten und auch für die Hilfsarbeiten waren in den Matrosen Wienke und Urbansky frühzeitig gute Kräfte gewonnen; ein fünfter Mitarbeiter für meteorologische Zwecke ist seit dem Frühjahr 1901 bei uns beschäftigt gewesen. Die Umstände brachten es mit sich, dass dieser Letztere kurz vor unserer Abreise, im Juli 1901, wieder ausschied. Unter den zahlreichen Bewerbungen, welche noch vorlagen, fielen die Blicke damals sofort auf Enzensperger, der auf der Zugspitze weilte und den meteorologischen Dienst dort gerade ein Jahr lang versehen hatte.

      Joseph Enzensperger brachte in hohem Maße die Eigenschaften mit, deren die Kerguelenstation bedurfte. Mit sicherer Kenntnis des eigenen Fachs, der Meteorologie, verband er einen offenen Sinn für die Natur und für alle Erscheinungen, die ihn umgaben, und eine durch viele Alpentouren geschulte Erfahrung in der Bewältigung natürlicher Schwierigkeiten, wo sie am größten sind. Er hielt sich nicht an das einzelne Fach, sondern hatte den Blick auf das Ganze gerichtet.

      Wie bekannt, sind Enzensperger, Luyken und der Matrose Wienke mit dem Lloydampfer »Karlsruhe« zunächst nach Sydney gefahren, um dort unsere Hunde, einigen Proviant und die Ausrüstung der Kerguelenstation zu übernehmen und mit dem Lloydampfer »Tanglin«, welchen das Reich für diese Zwecke gechartert hatte, nach den Kerguelen zu bringen. Unsere Vereinbarungen galten der ersten Anlage der Station auf den Kerguelen für den wahrscheinlichen und wünschenswerten Fall, dass der »Tanglin« dort früher eintreffen würde als der »Gauß«. In letzterer Hinsicht wurde verabredet, dass der »Tanglin« zunächst nach dem bekannten, von Wal- und Robbenschlägern am meisten geschätzten Dreiinselhafen des Royal Sound vorgehen sollte, die Herren sollten sich umtun, ob die Inseln des Hafens selbst sich zur Anlage der Station eigneten, und, wenn nicht, unter Hinterlegung einer Nachricht weitergehen, um nach einem anderen passenden Stationsort zu suchen.

      Dass die Umgebung des Dreiinselhafens sich nicht für die Anlage der Station eignete, war Enzensperger und Luyken bei ihrer Ankunft klar gewesen, wie uns, als wir mit dem »Gauß« dort einfuhren. Sie waren deshalb noch am 9. November 1901 nach der Beobachtungsbucht weiter gefahren, wo die englische Expedition zur Beobachtung des Venusdurchganges im Jahr 1874 gearbeitet hatte, und hatten sich nach kurzem Suchen dafür entschieden, die Station an diesem Ort zu gründen. Es war zweifellos auch die geeignetste Stelle, denn sie gewährte durch Benutzung der von der früheren Expedition verbliebenen Bestände manche Vorteile.

      Mit der Anlage der Station war sogleich begonnen worden, und als der »Gauß« den Stationsplatz erreichte, stand bereits das Wohnhaus am Fuß eines niedrigen Lavaberges, der sich nach Norden hin in Stufen zum Fjord hinabsenkte. Der Berg bot dem Haus Schutz gegen die herrschenden westlichen Winde und war doch nicht so hoch, um die meteorologischen Anlagen in der Umgebung des Hauses störend zu beeinflussen. Ferner stand bereits Luykens magnetisches Variationshaus, wenn auch die Wahl des Platzes dafür wegen des wasserdurchtränkten, schwankenden Bodens schwierig gewesen war, um die Instrumente fundieren zu können. Östlich von dem Stationshaus war ein kleiner See mit trübem, aber brauchbarem Wasser. Sein Abfluss war sogleich vertieft worden, um den Wasserspiegel zu senken und den Boden in der Umgebung des Hauses zu trocknen. Westlich vom Haus senkte sich das Gelände zu einem Bach herab, der im Hintergrund des Fjords mündete und frisches Wasser für alle Zwecke hergab. In der Umgebung des Stationshauses waren nicht allein die astronomischen Beobachtungspfeiler und die Wegeanlagen der früheren englischen Expedition noch erhalten, sondern in zahlreichen Rundhöckerfelsen, den Spuren früherer größerer Vergletscherung, auch natürliche Pfeiler gegeben, auf welchen sich wissenschaftliche Arbeiten zweckmäßig ausführen ließen. In der Nähe des Hauses lag zwischen steilen Felsen eine kleine Bucht, in welcher das Boot der Station guten Schutz fand. Die Küste war 10 bis 20 m hoch, aber in dieser Bucht und in dem erwähnten Bach für alle Zwecke zugänglich.

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       Aufbau der Kerguelenstation am Stationsberg im Sommer

      (Quelle: Geographisches Institut, Universität München)

      Der erste Rundgang um die Stationsanlagen, welchen wir unmittelbar nach der Ankunft am Nachmittag des 2. Januar machten, zeigte, was noch zu tun war. Wir ließen unsere Zimmerleute Heinrich und Reimers an Land gehen, um die Stationsanlagen weiter zu fördern, während der »Gauß« am ersten schönen Tag die Bucht wieder verlassen sollte, um etwas weiter draußen, aber noch vor dem Dreiinselhafen, zur Bestimmung magnetischer Konstanten auf verschiedenen Kursen zu drehen. Dann sollte er beginnen, die für ihn auf den Kerguelen gestapelte Bagage einzunehmen, welche aus der neuseeländischen Westportkohle, etwas Proviant, Holzmaterial für den Bau der Stationshäuser in der Antarktis und vor allem in unseren Hunden bestand, die in vortrefflicher Gesundheit, wenn auch etwas mager, um den Felsen des Stationshauses angekettet waren und sich bereits reichlich vermehrt hatten. Junge Tiere spielten um die alten herum und fielen nur ab und zu den Raubmöwen (Lestris) zur Beute, welche in großen Scharen den Stationsfelsen umschwärmten und in ihrer dummen Dreistigkeit nicht allein Kaninchen und junge Hunde, sondern auch Menschen zum Ziel ihrer Begehrlichkeit wählten, was aber natürlich zu ihrem Unheil ausfiel.

      Am 3. Januar konnten wir das Drehen nicht vornehmen, weil ein böiger Sturm herrschte, bis zur Stärke 11 oder mehr. Der Tag wurde deshalb mit kleineren Ausflügen verbracht, wobei Philippi geschrammte Geschiebe fand, welche von der früheren Vergletscherung herrührten, und Vanhöffen an einem unzugänglichen Steilabfall noch zwei prächtige Stauden Kerguelenkohl konstatierte, welche die Kaninchen übrig gelassen hatten, weil sie dorthin nicht gelangen konnten. In diesem Sturm setzte sich der »Gauß« ungewollt in Bewegung und begann um 4 Uhr nachmittags zu treiben. Die Schiffsmannschaft wurde schnell alarmiert, der zweite Anker fiel, und die Katastrophe war verhütet. Abends um 6 Uhr versuchten an Land gewesene Mitglieder der Expedition, zum Schiff zurückzugelangen. Unter der Steuerung Vanhöffens kamen sie auch quer zum Wind bis in unmittelbare Nähe des »Gauß«, vermochten die ihnen zugeworfene

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