Zum Kontinent des eisigen Südens. Erich von Drygalski

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Zum Kontinent des eisigen Südens - Erich von Drygalski Edition Erdmann

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Interesse hatte der Fang eines Blau- oder Menschenhais, der an die Angel gegangen war. Es war ein großes Tier, über 2 m lang. Seine Bluttemperatur betrug 17,5 °C. Auch wurde die Konzentration seines Blutes von Gazert durch Gefrierversuche untersucht, und es stellte sich dabei heraus, dass es konzentrierter war als das Blut der Landtiere.

      Nach dem Sturm hatte sich das Wetter gebessert, wenn auch das Rollen des Schiffes in diesem Gebiet anhaltend stark blieb und viele Schäden im Laboratorium zur Folge hatte.

      Am 22. November morgens trat die afrikanische Küste hervor, und zwar zunächst der hohe Tafelberg, wie gewöhnlich auch jetzt von Wolken verhüllt. Wir hielten den Kurs etwas nördlich von ihm und näherten uns so rasch, dass wir die Küste schon am selben Abend erreichten.

      Vor uns lag Kapstadt mit übervollem Hafen, mit seinen Häusern sich schon am Abhang des Tafelberges emporziehend, davor die Robbeninsel, ein niedriges sandiges Land, auf welchem heute neben dem Leuchtturm ein Leprahospital steht.

      Wir wurden zuvorkommend empfangen, und, obwohl der Hafen und die Tafelbucht davor überfüllt waren, sogleich in den Innenhafen gelotst.

      Kapstadt

      In Kapstadt hatten wir verschiedenartige Aufgaben. In ihrem wissenschaftlichen Teil waren sie verhältnismäßig einfach und bestanden außer Bestimmungen der magnetischen Schiffskonstanten wesentlich noch darin, die magnetischen Instrumente selbst mit denen eines festen Observatoriums zum letzten Mal zu vergleichen, bevor wir ins Südpolargebiet aufbrachen, um ihre etwaigen Fehler zu kennen. Zum Beobachtungsort hätte sich ein Punkt in der Nähe von Simonstown geeignet, wo schon James Clark Ross die Konstanten seiner magnetischen Instrumente bestimmt und auch neuerdings die englische Südpolarexpedition unter Kapitän Scott in gleicher Weise gearbeitet hatte.

      Da es aber aus anderen Gründen wünschenswert war, in Kapstadt selbst zu bleiben, wählten wir zum Beobachtungsort den Signalhügel auf dem Lions-Rump.

      Schwieriger als diese wissenschaftlichen Aufgaben waren zwei andere, die wir in Kapstadt zu erledigen hatten, nämlich die Ausbesserung des Schiffs behufs Beseitigung der Leckage und die Ab- und Neuanmusterung eines Teils der Mannschaft.

      Für den ersteren Zweck wäre es erwünscht gewesen, ein Trockendock zu bekommen. Dies erwies sich jedoch als unmöglich, weil das Trockendock durch ein schwedisches, stark havariertes Schiff besetzt war. So blieb uns nichts anderes übrig, als unseren »Gauß« mit eigenen Mitteln ausbessern zu lassen so gut, wie es ging, was immerhin einige Schwierigkeiten hatte und schließlich auch nicht gelang. Wir begaben uns sodann an Land, um uns bei dem Kaiserlichen Generalkonsul, Herrn von Lindequist, zu melden, und besprachen mit ihm, was zunächst zu tun war.

      Kapstadt stand unter Kriegsrecht, doch merkte man nicht viel davon; nur die gewaltigen Magazine, welche den Hafen in weitem Umkreis umgaben, ließen vermuten, dass dort außergewöhnliche Verhältnisse herrschten.

      Aus dem Hinterland fehlte jede Versorgung und erfolgte deshalb zum großen Teil von Australien her; die Proviantfirmen verdienten Millionen. Fast alles Fleisch wurde in gefrorenem Zustand auf großen Eisdampfern herübergeschafft und dann doch zu verhältnismäßig niedrigen Preisen verkauft.

      Unter den Ausflügen, die ich selbst gemacht habe, wird mir der eine auf den Tafelberg stets in Erinnerung bleiben, in Begleitung von Vanhöffen, Gazert und Werth und unter der vortrefflichen Führung unseres dortigen Landsmanns Dr. Marloth.

      Dr. Philippi hatte unter der Führung des Geologen Herrn Schwarz einen Ausflug in das Innere nach der Karroo unternommen, um die altglazialen Bildungen dort zu studieren. Durch das Entgegenkommen der britischen Behörden vollzog sich derselbe glatt, wenn auch naturgemäß unter militärischer Begleitung. Denn der Krieg war damals bis an die Tore Kapstadts gekommen, und unmittelbar neben der Bahnlinie standen die Burenheere.

      Am Donnerstag, dem 5. Dezember, hatten wir Kapstadt zu verlassen gedacht, doch zögerte sich die Abfahrt zwei Tage hinaus, weil die Schiffsarbeiten nicht fertig geworden waren, während die wissenschaftlichen Beobachtungen schon am 30. November beschlossen werden konnten.

      Das Hinterschiff war gedichtet worden, soweit dieses ohne Dockung lediglich mithilfe einer Entlastung des Hinterschiffs durch Umstauung möglich gewesen war. In den letzten Tagen wurden etwa 70 Tons englische Kohle eingenommen, die wir zu dem horrenden Preis von 72 Schilling pro Tonne erhielten. Als dieses geschehen war, trat aber die Leckage, welche infolge der Arbeiten verschwunden schien, leider von Neuem zutage; am Nachmittag des 6. Dezember wurde ich, zum »Gauß« zurückkehrend, mit der unerfreulichen Nachricht empfangen, dass das Wasser ebenso hoch stand, wie in den schlimmsten Zeiten vorher.

      Hier war nun wenig zu tun. Einen längeren Aufenthalt wünschte ich um keinen Preis, zumal der Sitz der Leckage gar nicht ermittelt war; Zeit und Mühe waren vergeblich gewesen. Ich gab deshalb den Befehl zur Abfahrt und setzte dieselbe auf Sonnabend, den 7. Dezember, vormittags fest in der Hoffnung, dass die Zukunft Rat schaffen würde.

      Inzwischen hatten sich die Schwierigkeiten mit der Mannschaft bis zu einem gewissen Grad behoben. Sechs Leute waren entlassen worden, und zwar der Zweite Bootsmann, der Koch und ein Matrose als die Anstifter der Unruhen, zwei andere wegen kleinerer Vergehen gegen die Disziplin und der sechste auf seinen eigenen Wunsch. Ein Ersatz hatte sich wunderbar leicht gefunden, indem viele damals in Südafrika zusammengeströmte Elemente, die teilweise schon ein abenteuerliches Leben hinter sich hatten, durch unsere Expedition angelockt wurden, und so war am Abend des 6. Dezember unser Bedarf an Besatzung wieder gedeckt.

      In allerletzter Stunde erschienen über den richtigen Bestand hinaus noch zwei junge schwedische Matrosen an Bord, die einer dort liegenden schwedischen Bark entlaufen waren, beide aus guter Familie und nur von dem dringenden Wunsch beseelt, die Expedition begleiten zu dürfen. Viel Zeit zur Überlegung oder zu Erörterungen gab es nicht mehr; die Gäste hatten sich eingefunden und die Taue wurden losgeworfen.

      Um 12 Uhr mittags am 7. Dezember 1901 konnte also die Abfahrt vonstattengehen. Von der Kommandobrücke des »Gauß« entbot uns Herr von Lindequist den letzten Abschied des Reiches; die Schiffe im Hafen hatten Flaggenschmuck angelegt, von dem Kai spielte die Militärkapelle deutsche Lieder, unsere Gäste folgten in einem kleinen Dampfer bis in die äußere Bucht.

      Eine starke Dünung aus Südwesten empfing uns, und der »Gauß« begann stark zu rollen. Aus dem Laboratorium erklang das verderbliche Klingen der Gläser; in den Kabinen und im Salon rollten die vielen Blumenspenden und andere Geschenke, die uns Freunde in Kapstadt gesandt hatten, wirr durcheinander. So stürzte, als kaum die letzten Gesänge verklungen waren, alles von der Kommandobrücke herab, um zu retten, was noch zu retten war, wirklich ein starker Kontrast.

      Langsam und wehmutsvoll haben wir unsere Kabinen geordnet und begaben uns danach frühzeitig zur Ruhe.

      Über die Crozetinseln

      nach den Kerguelen

      Die Fahrt um das Kap der Guten Hoffnung ist im Sommer verhältnismäßig leicht, während sie im Winter Schwierigkeiten bereitet.

      Auch wir merkten diesen Gegensatz bald. Schon am Tag nach unserer Abfahrt wurde eine starke Erwärmung des Meerwassers beobachtet und seine Farbe wurde blau, während sie am Tag vorher schmutzig grün gewesen war. Wir hatten den Agulhasstrom also erreicht, standen aber noch in Sicht des Landes.

      Am 11. Dezember näherten wir uns der südlichen Grenze des warmen Agulhasstroms und nahmen an der wirren Bewegung des Wassers wahr, wie er hier mit der entgegengesetzten Strömung der Westwindregionen kämpfte.

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