Gesammelte Werke von Dostojewski. Федор Достоевский
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In der Tür drängten sich mehrere Neugierige, und einige von ihnen hatten die größte Lust hereinzukommen. Dieser ganze Vorgang hatte sich fast in einem Augenblicke abgespielt.
»Fort mit dir! Es ist noch zu früh! Warte, bis du gerufen wirst! … Warum die ihn nur so früh hergebracht haben?« murmelte Porfirij Petrowitsch höchst ärgerlich, als wenn ihm jemand sein Konzept verdorben hätte.
Plötzlich warf sich Nikolai auf die Knie nieder.
»Was willst du?« rief Porfirij verwundert.
»Ich habe es getan! Ich habe das Verbrechen begangen! Ich bin der Mörder!« sagte Nikolai; er atmete nur mühsam, sprach aber mit ziemlich lauter Stimme.
Etwa zehn Sekunden lang schwiegen alle wie versteinert; sogar der Polizist war zurückgewichen und rührte Nikolai nicht mehr an; er zog sich mechanisch zur Tür zurück und blieb dort stehen, ohne sich zu regen.
»Was soll das heißen?« rief Porfirij Petrowitsch, sobald er sich von der momentanen Erstarrung wieder freigemacht hatte.
»Ich … bin der Mörder«, sagte Nikolai noch einmal nach einer kurzen Pause.
»Wie? … Du? … Wie? … Wen hast du ermordet?«
Porfirij Petrowitsch war augenscheinlich fassungslos. Nikolai schwieg wieder ein kleines Weilchen.
»Aljona Iwanowna und ihre Schwester Lisaweta Iwanowna habe ich … mit einem Beile … ermordet. Eine Verblendung war über mich gekommen …«, fügte er hinzu und verstummte wieder. Er lag noch immer auf den Knien.
Porfirij Petrowitsch stand einige Augenblicke in Gedanken versunken da; aber dann raffte er sich zusammen und gab mit der Hand den ungebetenen Zeugen einen Wink, daß sie sich entfernen möchten. Diese verschwanden sofort und machten die Tür wieder zu. Dann richtete er seinen Blick auf Raskolnikow, der in einer Ecke stand und verstört Nikolai ansah, ging ein paar Schritte auf ihn zu, blieb aber auf einmal wieder stehen, ließ seinen Blick zu Nikolai, dann wieder zu Raskolnikow, dann wieder zu Nikolai herüberwandern; endlich stürzte er, wie von einer Eingebung erfüllt, auf Nikolai los.
»Warum kommst du mir denn gleich von vornherein mit deiner Verblendung?« schrie er ihn grimmig an. »Ich habe dich ja noch gar nicht gefragt, ob eine Verblendung über dich gekommen ist oder nicht … Antworte: hast du den Mord begangen?«
»Ich bin der Mörder … Ich gestehe es«, erwiderte Nikolai.
»Ach was! Womit hast du den Mord begangen?«
»Mit einem Beile. Das hatte ich mir vorher beschafft.«
»Ach was! Nur nicht so eilig! Allein?«
Nikolai verstand die Frage nicht.
»Hast du den Mord allein begangen?«
»Ja, ganz allein. Mitjka ist unschuldig; er war gar nicht daran beteiligt.«
»Rede nicht vorschnell von Mitjka! … Na so was! … Wie bist du denn damals die Treppe hinuntergekommen? Die Hausknechte haben euch doch beide zusammen gesehen?«
»Ich bin damals absichtlich mit Mitjka zusammen hinuntergelaufen, … um den Verdacht von mir abzulenken« erwiderte Nikolai prompt, als hätte er sich vorher auf die Antwort vorbereitet.
»Na ja, es ist so!« rief Porfirij wütend. »Er sagt eine Lektion auf!« murmelte er wie für sich und sah auf einmal wieder Raskolnikow an.
Seine Gedanken waren offenbar so stark von Nikolai in Anspruch genommen gewesen, daß er für einen Augenblick an Raskolnikow gar nicht mehr gedacht hatte. Jetzt kam ihm das auf einmal zum Bewußtsein, und er wurde ordentlich verlegen.
»Entschuldigen Sie, Väterchen Rodion Romanowitsch«, wandte er sich zu ihm, »das geht wohl nicht so in Gegenwart eines Dritten; haben Sie die Güte … Sie haben ja hier nichts mehr zu tun … Ich bin selbst … Sie sehen, was man für Überraschungen erlebt! … Darf ich Sie bitten! …«
Er faßte ihn an der Hand und zeigte nach der Tür.
»Das scheinen Sie nicht erwartet zu haben«, sagte Raskolnikow, der die Sache natürlich noch nicht klar begriff, aber doch bereits erheblich an Mut gewonnen hatte.
»Auch Sie, Väterchen, haben es nicht erwartet. Ei, wie Ihre Hand zittert! He-he!«
»Auch Sie zittern, Porfirij Petrowitsch.«
»Jawohl, jawohl; das hatte ich nicht erwartet.«
Sie standen schon in der Tür. Porfirij wartete ungeduldig darauf, daß Raskolnikow hinausginge.
»Und die Überraschung, von der Sie sprachen, die wollen Sie mir nun nicht zeigen?« fragte Raskolnikow spöttisch.
»So reden Sie nun, und dabei schlagen Ihnen doch noch die Zähne im Munde aufeinander, he-he! Was sind Sie für ein spottlustiger Mensch! Na, auf Wiedersehen!«
»Meiner Ansicht nach können wir einander einfach Adieu sagen!«
»Wie es Gott lenken wird, wie es Gott lenken wird!« murmelte Porfirij und verzog den Mund zu einem eigentümlichen Lächeln.
Beim Durchschreiten der Kanzlei bemerkte Raskolnikow, daß viele ihn aufmerksam betrachteten. Im Vorzimmer erkannte er unter der Menge die beiden Hausknechte aus »jenem« Hause, die er damals in der Nacht aufgefordert hatte, mit zum Polizeibureau zu kommen. Sie standen da und warteten auf etwas. Kaum war er jedoch auf die Treppe gelangt, als er hinter sich Porfirijs Stimme hörte. Er drehte sich um und sah, daß ihm dieser ganz außer Atem nachgelaufen kam.
»Nur noch ein Wort, Rodion Romanowitsch! Wie sich diese ganze Geschichte lösen wird, das wollen wir Gott anheimgeben; aber ich werde Sie über einige Punkte doch noch in der gesetzlichen Form befragen müssen … Also sehen wir uns noch, nicht wahr?«
Porfirij blieb lächelnd vor ihm stehen.
»Nicht wahr?« fügte er noch einmal hinzu.
Es machte den Eindruck, als wollte er noch weiterreden; aber es kam nichts mehr.
»Ich möchte Sie noch um Entschuldigung bitten, Porfirij Petrowitsch, wegen meines Verhaltens von vorhin, … ich bin etwas zu hitzig geworden«, begann Raskolnikow; er war schon wieder ganz dreist geworden und verspürte ein unwiderstehliches Verlangen, ein bißchen zu schauspielern.
»Oh, das tut ja nichts, tut ja gar nichts!« fiel Porfirij in freudigem Tone ein. »Ich bin ja auch meinerseits … Ich habe nun einmal so einen bissigen Charakter; ich gestehe es, ich gestehe es! Nun aber, wir sehen uns ja noch. So Gott will, sehen wir uns noch recht oft wieder! …«
»Und dann werden wir einander recht genau kennenlernen?« erwiderte Raskolnikow.
»Jawohl, recht genau werden wir einander dann kennenlernen«, stimmte ihm Porfirij Petrowitsch bei und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen sehr ernst an. »Sie gehen jetzt zur Feier eines