Gesammelte Werke. Джек Лондон
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Mary warf ihr einen halberschrockenen Blick zu.
»So meinte ich es nicht, Saxon«, klagte sie. »Weiß Gott, nein. Den Weg würde ich nie gehen; aber sag’ selbst, ob ein solcher Tag einen nicht nervös machen kann. Hör nur!«
Die Frau, welche Krämpfe bekommen hatte, lag auf dem Rücken und trommelte mit den Absätzen auf dem Fußboden, während sie immerfort monoton wie eine Sirene schrie. Zwei Frauen griffen sie unter dem Arm und schleiften sie über den Fußboden. Sie trommelte und schrie unaufhörlich. Die Tür öffnete sich, und es ertönte ein gewaltiges, gedämpftes Dröhnen großer Maschinen, und in diesem Dröhnen ertrank ihr Trommeln und Schreien, worauf die Tür sich wieder schloss. Der Geruch von verbranntem Zeug hing noch in der Luft als eine unheimliche Erinnerung an das Geschehene.
»Das ist zum Krankwerden«, sagte Mary.
Und dann verging eine lange Zeit, in der die Eisen sich hoben und senkten, ohne dass das Maximaltempo in der Stube auch nur einen Augenblick vermindert wurde. Die Inspektorin stolzierte unterdessen zwischen den Tischen auf und ab, und ihre Augen stießen Drohungen gegen alle beginnende Schlaffheit und Hysterie aus. Hin und wieder ließ eine Plätterin für einen Augenblick das Eisen los, gähnte oder seufzte und machte sich dann mit müdem Entschluss wieder an die Arbeit. Der lange Sommertag schwand, aber die Wärme nicht, und die Arbeit wurde unter dem harten Schein der elektrischen Lampen fortgesetzt. Gegen neun Uhr begann die erste Frau heimzugehen. Die berghohen Wäschehaufen waren zusammengeschrumpft. Nur wenige Reste lagen noch hie und da auf den Plättbrettern, wo die Plätterinnen noch arbeiteten.
Saxon wurde etwas früher fertig als Mary, und als sie hinausging, blieb sie einen Augenblick am Brett der anderen stehen.
»Sonnabend abend und wieder eine Woche vorbei«, klagte Mary.
Das junge Gesicht war bleich und eingefallen, und unter den schwarzen Augen, die so müde blickten, lagen tiefe Schatten.
»Wie viel hast du denn verdient, Saxon?«
»Zwölfundeinenviertel« antwortete Saxon nicht ohne einen gewissen Stolz. »Und ich hätte noch mehr verdient, wenn die Stärkefabriken nicht die Stärke verfälschten.«
»Ja, das muss man sagen«, meinte Mary bewundernd. »Du kannst etwas schaffen – du frisst es gleichsam. Ich – ich habe nur zehn und einen halben verdient – für eine Woche Mühe. Wir sehen uns also um neun Uhr vierzig an der Bahn. Aber bestimmt. Wir können noch ein bisschen herumschlendern, ehe der Tanz anfängt. Am Nachmittag kommen ein paar Freunde von mir.«
Zwei Straßen von der Plätterei entfernt hatten sich ein paar Halbstarke unter einer Bogenlampe an einer Ecke aufgestellt. Saxon eilte an ihnen vorbei. Unwillkürlich wurde ihr Gesicht hart und straff. Sie erfasste zwar nicht den Wortlaut ihrer Bemerkungen, erriet ihn aber aus dem rohen Gelächter, das sie begleitete, und das Blut strömte ihr warm und zornig in die Wangen, während sie weiterging in der Abendluft, die schon kühl zu werden begann.
Zu beiden Seiten lagen Arbeiterwohnungen, Häuser aus verwittertem Holz, dessen alter Anstrich von jahrelangem Schmutz bedeckt war. Nur ihre Billigkeit und Hässlichkeit machten sie bemerkenswert.
Es war dunkel, aber sie ging nicht fehl, und das Schloss kreischte wie gewöhnlich vorwurfsvoll und kläglich unter ihren Händen, – wie sie diesen Gruß kannte! Sie trat in die Küche, wo eine einsam flatternde Gasflamme brannte. Es war eine kleine Küche, die nicht unordentlich zu nennen war, weil nichts darin war, was sie unordentlich machen konnte. Die gegipste Decke, die vom Dampf vieler Waschtage dunkel und hässlich war, wurde von Rissen, einer Erinnerung an das große Erdbeben im letzten Frühling, durchkreuzt. Der Fußboden war uneben und hatte tiefe Risse; vor dem Herd war er ganz abgetreten, und eine aus einer flachgehämmerten und doppelt gelegten Petroleumkanne verfertigte Platte glich den Schaden aus. Ein Ausguss, ein schmutziges, derbes Handtuch, ein paar Stühle und ein Tisch vervollständigten das Bild.
Ein Apfelgehäuse krachte unter ihrem Fuß, als sie den Stuhl an den Tisch zog. Auf einem abgenutzten Stück Wachstuch wartete das Abendessen. Sie nahm ein wenig von den kalten, fettgetränkten Bohnen, ließ sie aber stehen und schmierte sich ein Stück Brot.
Das baufällige Haus zitterte unter schweren schleppenden Schritten, und Sarah trat ein, eine frühgealterte Frau mit hängendem Busen und wirrem Haar, das fette Gesicht in mürrische, vergrämte Falten gelegt.
»Na, bist du da?« grunzte sie zur Begrüßung. »Ich habe das Essen nicht warmhalten können. Was für ein Tag! Ich bin vor Hitze fast krepiert.«
Sarah kam näher und stellte sich in ihrer ganzen mächtigen Fülle an den Tisch.
»Was ist mit den Bohnen?« begann sie herausfordernd.
»Nichts, sie sind nur …« Saxon flüchtete vor dem aufziehenden Unwetter. »Ich habe nur keinen Hunger. Es ist heute so warm gewesen. Es war furchtbar in der Plätterei.«
Gleichgültig trank sie einen Schluck von dem kalten Tee, der so lange gezogen hatte, dass er wie Tinte schmeckte, und gleichgültig schluckte sie ihn und den Rest des Getränkes vor den Augen ihrer Schwägerin hinunter. Dann wischte sie sich den Mund mit ihrem Taschentuch und stand auf.
»Ich glaube, ich gehe zu Bett.«
»Merkwürdig, dass du nicht zum Tanzen gehst«, schnüffelte Sarah. »Ja, es ist wirklich komisch – jeden Abend kommst du todmüde nach Hause, aber jeden Abend kannst du ausgehen und bis in den hellen Morgen hinein tanzen.«
Saxon wollte antworten, besann sich aber und presste die Lippen zusammen. Dann verlor sie plötzlich die Selbstbeherrschung und sagte heftig: »Du bist wohl auch einmal jung gewesen?«
Sie wartete die Antwort nicht ab, sondern machte kehrt und ging in ihr Zimmer, das neben der Küche lag. Es war ein ganz kleiner Raum, und auch hier hatte das Erdbeben seine Spuren im Putz hinterlassen. Ein Bett, ein billiger Stuhl aus Kiefernholz und eine sehr alte Kommode bildeten das ganze Mobiliar. Die Kommode hatte Saxon ihr ganzes Leben gekannt. Ihr Anblick war mit ihren frühesten Erinnerungen verwebt. Sie wusste, dass sie mit ihren Vorfahren