Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон Gesammelte Werke bei Null Papier

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Küs­se nicht mehr wie Schand­ma­le auf ih­ren Lip­pen bren­nen, und sie wür­de sich einst nicht schä­men, wenn man sie nach der einen, großen, bren­nen­den Lie­be ih­rer Ju­gend frag­te.

      Vin­cent ent­täusch­te sie auch dies­mal.

      Wie er die Nacht ver­bracht hat­te, da­nach zu fra­gen, wag­te sie nicht. Aber was da an der Richt­stät­te er­schi­en, nicht am Arm des Mis­sio­nars schrei­tend, son­dern von vier hand­fes­ten Män­nern ge­zerrt und ge­schleppt, war nicht der Mann, dem sie vor we­ni­gen Ta­gen noch durch Him­mel und Höl­le ge­folgt wäre. Es war ein schlot­tern­des, kno­chen­lo­ses Et­was, wim­mernd und wil­len­los.

      Um den Gal­gen hat­te sich in wei­tem Kreis die gan­ze Gold­grä­ber­ge­mein­schaft ver­sam­melt, alle vier­zig Män­ner, die ges­tern als Ge­schwo­re­ne am­tiert hat­ten, der Rich­ter, der An­klä­ger, Ja­cob Wel­se, des­sen ver­bun­de­nes Haupt tiefer als tags zu­vor er­graut schi­en.

      »Ehe wir dir die Sch­lin­ge um den Hals le­gen und dich an die­sem Bau­me hän­gen las­sen, bis das Le­ben aus dir ge­wi­chen ist, darfst du noch ein­mal zu uns spre­chen, Gre­go­ry St. Vin­cent!« ver­kün­de­te der Rich­ter.

      »Sag nichts! Bett­le nicht um dein Le­ben!« flüs­ter­te Fro­na dem De­lin­quen­ten zu. Er lag un­ter dem Gal­gen wie leb­los, auf ih­ren Kni­en lag sie ne­ben ihm. »Sei tap­fer! Das Le­ben ist nichts, nur Mut gilt!«

      Aber bei dem Ge­dan­ken, noch ein­mal spre­chen, noch einen Ver­such der Ver­tei­di­gung ma­chen zu dür­fen, er­kann­te der im In­ners­ten Zer­bro­che­ne plötz­lich, dass das Le­ben im­mer noch lock­te, dass er un­ter die­ser la­chen­den Son­ne und beim Zwit­schern der Rot­kehl­chen, mit­ten in die­sem Früh­lings­grün nicht ster­ben konn­te. Durch alle Po­ren drang ihm die Ah­nung, dass nichts vor­bei war, so­lan­ge man at­me­te, und wenn er je in sei­nem Le­ben tap­fer ge­we­sen, dann wur­de er es in die­ser Mi­nu­te.

      Er rich­te­te sich auf. In sein schnee­wei­ßes Ge­sicht trat wie­der eine Spur von Far­be. Jetzt kau­er­te er wie ein zu schwer be­la­de­nes Last­tier auf al­len vie­ren, jetzt kam er auf die Knie und stütz­te sich mit bei­den Ar­men auf das Fass, das sein Scha­fott wer­den soll­te.

      An­fangs tat er nur den Mund auf, mit ver­zerr­ten Lip­pen, aber kein Ton woll­te sich in sei­ner Keh­le bil­den. Dann wur­de aus dem un­ar­ti­ku­lier­ten Keu­chen und Heu­len eine mensch­li­che Stim­me, er form­te Wor­te, und plötz­lich stand er auf­recht, nur noch auf die Schul­tern des Mis­sio­nars ge­stützt, und sprach: Wor­te, rich­ti­ge Sät­ze … So ge­wal­tig war sein Wil­le zum Le­ben, dass er, die grau­si­ge Angst im Ge­nick, den­noch im­stan­de war, ein Be­kennt­nis zu for­men und eine Rede zu hal­ten.

      »Ich will mich nicht scho­nen, ihr Män­ner!« sag­te er. »Ich will al­les be­ken­nen, die gan­ze Wahr­heit. Ich bin ein Feig­ling ge­we­sen, ich habe ge­lo­gen, aber auf Feig­heit und Lüge steht auch nach eu­ren Ge­set­zen nicht der Tod. Es sind nicht zwei Män­ner in John Borgs Hüt­te ge­kom­men in je­ner Nacht, es war nur ein Mann.

      Borg hat­te ihn im­mer er­war­tet.

      Jede Nacht band er an sei­ne Tür einen Blechei­mer. Den nann­te er die Mör­der­fal­le. Wenn ein Frem­der von au­ßen in die Hüt­te ein­tre­ten woll­te, muss­te er den Alarm aus­lö­sen. Borg schlief im­mer mit dem Re­vol­ver im Gür­tel. Aber in sei­ner letz­ten Nacht hat­te er zu viel Whis­ky ge­trun­ken, denn in sei­ner ste­ten Angst vor Ver­fol­gern muss­te er manch­mal Be­täu­bung su­chen. Ich wach­te auf von lei­sen Schrit­ten, die um die Hüt­te schli­chen, aber er schnarch­te tief. Die Lam­pe war tief her­ab­ge­schraubt. Ich sah Bel­la an der Türe han­tie­ren; sie hat­te den Blechei­mer ge­räusch­los her­un­ter­ge­holt und bei­sei­te­ge­stellt. Ganz lei­se ging die Türe auf, und ein Mensch schlich her­ein. Er kam der Lam­pe nahe, ich sah sein Ge­sicht. Es war ein In­dia­ner, und ich wer­de sein Ge­sicht nie ver­ges­sen. Quer über sei­ner Stirn, in der Höhe der Au­gen­brau­en, trug er eine brei­te, furcht­ba­re, rote Nar­be.

      Und wenn ihr mir drei­tau­send In­dia­ner vor­führt, wer­de ich die­sen Mann auf den ers­ten Blick er­ken­nen!«

      »Und was ta­test du?«

      »Ich tat nichts. Ich lag in mei­ne De­cken ge­wi­ckelt und tat nichts.«

      »War der Mann be­waff­net?«

      »Er trug ein brei­tes Mes­ser in der Hand und schritt ge­räusch­los auf Borgs La­ger zu. Bel­la stand da und wies ihm den Weg. Es war kein Zwei­fel, dass die bei­den Mord plan­ten.«

      »Und du ta­test nichts?«

      »Seid doch nicht so sinn­los grau­sam in eu­ren Fra­gen!« heul­te Gre­go­ry. »Könnt ihr denn nicht be­grei­fen, dass es Men­schen gibt, die aus Fleisch und Blut sind, nicht aus Stahl und Ei­sen, wie man es in die­sem Lan­de sein soll?! Na­tür­lich tat ich nichts … was soll­te ich denn tun? Ich lag in mei­nem Schweiß, und mir war, als ob sie­den­des Öl über mei­nen Kopf rann. Ich habe mich so ge­fürch­tet, dass ich das Gan­ze für einen gräss­li­chen Traum hielt. Ich habe mich so ge­fürch­tet, dass ich dach­te, mei­ne Haa­re wer­den weiß. Ich habe mich so ge­fürch­tet, dass ich nicht ein­mal heu­len konn­te vor Furcht. Ich bin bei­na­he ge­stor­ben vor Furcht. Was fällt euch denn ein? Was wollt ihr von mir? Könnt ihr von ei­nem Men­schen ver­lan­gen, dass er ein Held ist? Ich bin kein Held! Und das ist mein gan­zes Ver­bre­chen!

      Dann be­gann der Kampf im Halb­dun­kel. Der In­dia­ner stieß mit sei­nem Mes­ser auf den schnar­chen­den Borg ein. Aber das Licht war zu schwach, er hat­te nicht den Mut ge­habt, ihm die De­cken weg­zu­rei­ßen. Borg fuhr auf, er war gleich bei vol­ler Be­sin­nung und fuhr dem In­dia­ner an die Gur­gel. Er schnell­te sich aus dem Bett und fiel mit sei­nem gan­zen Ge­wicht auf den Mann. Sie ran­gen um das Mes­ser, Borg hat­te es schon fast an sich ge­ris­sen, da biss der Mör­der ihm in die Faust. Er be­kam die be­waff­ne­te Hand frei und stieß im­mer wie­der zu. Sie wälz­ten sich ge­gen Ti­sche und Stüh­le, dass das Holz zu­sam­men­krach­te, und dann fiel der ers­te Schuss.«

      »Und du?«

      »Ich woll­te mich auf­raf­fen, woll­te um Hil­fe brül­len oder mit ei­nem Stuhl­bein den Mör­der er­schla­gen, aber ich konn­te nicht. Wie an Hän­den und Fü­ßen ge­fes­selt lag ich da, Gott hel­fe mir. Bel­la hat­te den ers­ten Schuss ab­ge­feu­ert, auf Borg, aber er leb­te im­mer noch. Er leb­te noch und kämpf­te noch, als wenn er drei Le­ben hät­te. Er schrie so­gar nach mir ›Hil­fe! Helft mir doch, St. Vin­cent!‹ Aber dann war plötz­lich kei­ne Hil­fe mehr nö­tig. Er hat­te mit sei­ner ei­ser­nen Faust den In­dia­ner knock­out ge­schla­gen, und dann lag Bel­la plötz­lich wie­der vor ihm, wie ich es oft ge­se­hen hat­te, wie ein Hund, der die Peit­sche er­war­tet. Borg riss ihr den Re­vol­ver aus der Hand und schoss zwei­mal auf den In­dia­ner. Sei­ne Au­gen wa­ren von strö­men­dem Blut ge­blen­det, er traf ihn nicht. Die Ku­geln pfif­fen scharf an mei­nem Kopf vor­bei in die Wand. Ihr könnt sie dort noch fin­den. Ich glau­be, er woll­te den In­dia­ner und mich zu­gleich er­schie­ßen, aber er fehl­te uns bei­de. Den drit­ten Schuss gab er auf Bel­la ab, und der traf.

      Al­les an­de­re war so,

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