Gesammelte Werke. Джек Лондон
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In diesem Augenblick lenkte ein großes Floß, das an jedem Ende von einem Steuerriemen geführt wurde, in geräuschloser Fahrt in den Kanal ein. Als es der Richtstätte gerade gegenüberlag, wandte das vordere Ende sich dem Ufer zu, eine Leine wurde ans Land geworfen, dann kam mit gewaltigem Satz ein weißer Mann an den Strand, der die Leine ein paarmal um den Galgenbaum schlang.
»Lasst euch nicht stören, Jungens!« sagte der Mann, der mit einem Blick die ganze Situation erfasst hatte. »Wird schon richtig sein, was ihr da macht! Nur haben wir da einen Burschen an Bord, der auch nicht mehr lang’ zu leben hat. Vielleicht haben ein paar von euch Zeit, sich auch um den zu kümmern?«
Als ob die Goldgräber glücklich wären, einen anderen Gegenstand für ihre Aufmerksamkeit zu finden, wandten aller Augen sich jetzt dem Floß zu. Auch Jacob Welse, dessen Kopf verbunden war, der aber jetzt frischer und tatkräftiger aussah als am Tage zuvor, folgte den unerwarteten Vorgängen.
»Was habt ihr da für eine Ladung?« fragte er und wies auf einen Haufen Tannenzweige, mit denen das Floß gefrachtet war. Der andere Floßschiffer trat an die Fracht heran und warf ein paar von den Zweigen beiseite.
»Frisches Elchfleisch, Jungens!« rief er mit der Stimme eines Verkäufers auf dem Jahrmarkt. »Ausgezeichnete Ware! Frisches Fleisch, ihr Männer! Wenn wir bis Dawson fahren, reißen sie es uns aus den Händen, für 10 Unzen Goldstaub das Kilo! Aber weil ihr’s seid, und weil man sich den Weg nach Dawson auch sparen möchte, sollt ihr es billiger haben!«
»Und das ist, wie gesagt, die Fracht Nummer zwei«, sprach der erste Mann und wies auf die Umrisse einer Männergestalt, die mit vielen Decken verhüllt war.
»Den haben wir erst heute Morgen aufgelesen, so ungefähr 30 Meilen flussaufwärts.«
»Der braucht einen Doktor«, erzählte der Zweite. »Muss eine Meinungsverschiedenheit mit einem Grizzlybären gehabt haben, und der Bär hat das letzte Wort behalten. Aber wir haben keine Zeit. Entweder kauft ihr gleich oder gar nicht! Bei der Sonne hält sich das Fleisch nicht!«
Frona und St. Vincent sahen zugleich, wie der Verwundete die Böschung hinauf und durch die Menge getragen wurde. Eine bronzefarbene Hand hing schlaff von der rohgezimmerten Bahre herab, ein bronzefarbenes Gesicht kam zwischen den Decken zum Vorschein. Die Männer, die ihn trugen, machten in der Nähe des improvisierten Galgens halt, um zu beschließen, wohin sie ihn tragen wollten. Plötzlich fühlte Frona einen rasenden Griff an ihrem Arm. St. Vincent bohrte seine Nägel in ihr Fleisch.
»Sieh doch!« St. Vincent bebte an allen Gliedern, sein Gesicht mit den lodernden Angst-Augen war in diesem Augenblick noch weißer als zuvor.
»Schau hin! Die Narbe!«
Der Indianer schlug die Augen auf, sein leergeblutetes Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse des Erkennens.
»Das ist der Mann! Das ist der Mörder!« brüllte St. Vincent der Menge zu, mit einem ganz zerborstenen Organ. »Schaut ihn euch an, schaut die Narbe an! Das ist der Mann, der John Borg überfallen hat!«
Gleich darauf hätte man nicht mehr glauben können, dass soviel Menschen zusammengekommen waren, um über einen der Ihren hochnotpeinliches Gericht zu halten. Nur die Schlinge, die aus der Krone des Baumes herniederbaumelte, erinnerte noch an den Anlass zu dieser Versammlung. Aber St. Vincent selbst lag jetzt am Fuß des Baumes. Er streckte sich in der Sonne, und wahrscheinlich schlief er. Die Angst war von ihm genommen, nach vierundzwanzig Stunden des Zitterns und Zagens, nach einer Kette übermenschlicher Anstrengungen schlief er, wie jedes Wesen sich in den Schlaf flüchtet, um neue Kräfte zum Leben zu sammeln, auch unter dem Galgen.
Der verwundete Indianer war in eine Hütte getragen worden. Bei ihm saßen Jacob Welse, der Vorsitzende des Gerichtes und La Flitche. Sie versuchten in vielen Indianersprachen, ihn zum Sprechen zu bringen. Mit seinem letzten Atem sollte er die Wahrheit bekennen. Nach langem Suchen probierte La Flitche es mit einem Dialekt, den er in Kindertagen einmal gelernt und beinahe wieder vergessen hatte. Bei den ersten Lauten fuhr über das Gesicht des Sterbenden ein frohes Aufleuchten …
1 Prahlhans, Aufschneider <<<
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Am Ufer wurde wacker gehandelt, die Goldwaage war in Tätigkeit, Mann um Mann brachte eine gewaltige Elchlende oder einen Schlegel, eingehandelt gegen eine Summe von Gold, mit der man in anderen Ländern zumindest ein paar Rinder kaufen konnte, in Sicherheit. Frona saß nicht weit von Corliss. Ihre verweinten, erstaunten Augen fassten dieses ganze Bild nicht. Sie bewachte den Schlaf des Unglücklichen. Durch ihr Herz tobten wilde Stürme. Hass und Liebe zu diesem schönen, verführerischen, elenden Menschen rangen in ihr. Noch wusste sie nicht, ob sie ihn tief genug verachten konnte, um ihn nicht mehr lieben zu müssen.
*
Ein paar Stunden später wurde die Verhandlung wieder aufgenommen. Bill Brown rief die Männer, die sich selbst zu Geschworenen ernannt hatten, im Kreise um den Galgen zusammen. Er sprach:
»Kameraden! Männer von Klondike und Alaska! Ihr werdet sogleich aus dem Munde von La Flitche hören, was der sterbende Indianer ihm gebeichtet hat, und ihr werdet dann entscheiden, wie viel Schuld diesen Mann unter dem Galgen trifft. Nur eine Frage will ich zuvor noch an Sie richten, Gregory St. Vincent! Warum haben Sie nicht früher gesprochen? Sie hatten das Wort, so oft Sie es wünschten. Wir haben Ihren Fall geprüft, wie kein Gerichtshof in den Staaten ihn besser hätte prüfen können. Wir haben gewusst, dass unser Spruch vor den höchsten Behörden des Landes bestehen muss, und es hätte Herrn Welses Warnung nicht bedurft, um uns zu sagen, welche Verantwortung wir trugen!
Denn Sie hatten Unrecht, Herr Welse! Es gibt ein Notgesetz für Alaska, unter dessen Schutz unser Gerichtshof tagt. Fünfhundert Meilen im Kreis von der nächsten Behörde ist ein Gericht wie das unsere befugt, Urteile zu fällen und zu vollziehen, wenn die Gefahr