Der kleine Fürst Staffel 6 – Adelsroman. Viola Maybach
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Читать онлайн книгу Der kleine Fürst Staffel 6 – Adelsroman - Viola Maybach страница 24
»Er stattet seinen Eltern jeden Tag einen Besuch auf dem Friedhof ab«, antwortete Friedrich jetzt, »und erzählt ihnen in Gedanken, was sich in seinem Leben ereignet hat. Das hilft ihm sehr. Außerdem ist es natürlich gut, dass er in seiner gewohnten Umgebung bleiben konnte und in gewisser Weise ohnehin schon Teil unserer Familie war. Wir haben ja ziemlich eng zusammengelebt auf Sternberg. Unsere beiden Kinder sind praktisch von Anfang an wie Geschwister für ihn gewesen.«
»Der kleine Fürst«, sagte Albertina nachdenklich.
»Ja, der kleine Fürst.«
»Warum wird er eigentlich so genannt?«
»Weil er noch kein Fürst ist, das wird er ja erst mit achtzehn. Und früher, als er wirklich noch klein war, haben die Leute ihn im Unterschied zu seinem Vater so genannt. Leopold war ja sehr groß – und so hieß es dann scherzhaft: der große und der kleine Fürst.«
»Es hört sich nett an.«
»So ist es auch gemeint. Ein Kosename. Christian ist sehr beliebt, zu Recht übrigens. Ein großartiger Junge. Etwas zu ernst für sein Alter vielleicht, aber das ist ja kein Wunder.«
»Waren Sie noch nie auf Sternberg?«, warf Graf Ernst ein.
»Nein«, antwortete Albertina. »Dabei liegt es ja ganz in der Nähe, aber ich bin noch nie dort gewesen.«
Ihre Mutter hatte die letzten Sätze gehört. »Aber natürlich warst du schon auf Sternberg, Albertina!«, rief sie. »Wir haben früher gelegentlich Ausflüge dorthin gemacht, das hast du nur vergessen. Du warst noch ein Kind damals. Einmal waren wir zum Beispiel anlässlich eines großen Wohltätigkeitsbasars dort – wir haben Kuchen verkauft.«
»Das weiß ich noch!«, sagte Albertina. »Aber ich wusste nicht, dass das auf Schloss Sternberg war. Da muss ich fünf oder sechs gewesen sein.«
Ihre Mutter nickte und wandte sich mit einem Lächeln wieder Baronin Sofia zu, um das unterbrochene Gespräch fortzusetzen.
Als sich die kleine Tischgesellschaft auflöste, um vor dem Kamin noch einen Kaffee zu trinken, verabschiedete sich Albertina. Sie war so müde, dass sie sich am liebsten oben in ihr altes Kinderzimmer gelegt und dort geschlafen hätte – doch das war aus verschiedenen Gründen ein Ding der Unmöglichkeit. Sie musste nach Hause, und das so schnell wie möglich.
Als sie Baron Friedrich die Hand reichte, sagte dieser: »Besuchen Sie uns auf Sternberg, wann immer Sie wollen. Wir würden uns sehr da-
rüber freuen, Frau von Braun.«
Sie bedankte sich für die Einladung und versprach, darüber nachzudenken. Im Wagen drehte sie die Musikanlage auf – sie musste sich ja noch einige Zeit wach halten.
*
Christian von Sternberg, genannt der kleine Fürst, sah auf, als seine Cousine Anna von Kant die Tür zu seinem Zimmer öffnete. Sie war zwei Jahre jünger als er und nicht nur seine Cousine, sondern auch seine beste Freundin. Mit ihr konnte er über alles reden. »Ich kann nicht schlafen«, verkündete sie. »Deshalb wollte ich sehen, ob du auch noch wach bist.«
»Komm rein«, sagte er. »Wir können uns noch einen Film zusammen ansehen, wenn du willst.«
Sie nickte und ließ sich auf sein Bett fallen. Jetzt erst bemerkte sie, dass der Fernsehapparat lief. »Was läuft denn?«
Christian warf einen Blick auf den Bildschirm, der Ton war leise gestellt. »Ich habe nur Nachrichten angesehen, hier aus der Region. Sie haben über diese Riesenbrücke berichtet, die gerade gebaut wird.«
»Wahnsinnig interessant«, murmelte Anna.
Er musste lachen, als er ihr gelangweiltes Gesicht sah. »Mich hat es schon interessiert«, erklärte er. »Das ist ein gigantisches Unternehmen – du machst dir keine Vorstellung davon, wie viele Tonnen Beton die da verbauen.«
»Von mir aus«, meinte Anna und unterdrückte ein Gähnen. »Also, was gucken wir jetzt an? Du hast von einem Film gesprochen.«
Christian nahm die Fernbedienung vom Tisch, warf einen Blick in die Zeitung und wählte dann einen anderen Sender. Der Vorspann lief bereits, sie sahen gerade noch die Titel.
Sofort war Anna wieder hellwach. »Super, den kenne ich noch gar nicht!«, rief sie.
»Dann ist der Abend ja gerettet«, stellte Christian fest. »Deine Eltern kommen bestimmt erst spät wieder, oder?«
»Ich schätze schon.« Anna stopfte sich ein paar Kissen ins Kreuz, um besser zu liegen. »Sie sind ja zum ersten Mal bei diesen neuen Bekannten – da dauert es bestimmt etwas länger.«
Christian streckte sich neben ihr aus. Der Film begann.
*
»Willst du schon wieder Schicksal spielen?«, fragte Graf Ernst zu Kallwitz mit gutmütigem Lächeln. »Lass das sein, Caroline, du weißt, dass unser Sohn keine Einmischung in sein Privatleben wünscht. Und wenn du es genau wissen willst: Das kann ich sehr gut nachvollziehen.«
»Aber sie ist reizend, Ernst!«, rief Gräfin Caroline. »So natürlich, so lebhaft, dabei klug und auch noch hübsch anzusehen. Wir können Carl immerhin ein bisschen von ihr vorschwärmen. Du bist doch selbst ganz hingerissen von ihr.«
»Sie hat mir gut gefallen, das stimmt. Sonst sind die Gespräche bei solchen Gelegenheiten ja in ihrer Belanglosigkeit häufig nicht zu unterbieten, aber mit ihr konnte man sich richtig gut unterhalten. Auch Fritz war sehr angetan von der jungen Dame.«
»Alle sind also begeistert von ihr – und ich darf unserem Sohn nichts davon sagen?«, rief Caroline temperamentvoll.
Er legte begütigend eine Hand auf ihren Arm. »Du darfst ja«, sagte er. »Du solltest ihm bloß nicht sagen, dass Albertina von Braun die geeignete Frau für ihn wäre, denn dann verschließt er sich garantiert wie eine Auster.«
»Ja, da kannst du Recht haben«, gab sie zu. »Also werde ich ganz diplomatisch vorgehen.«
Ernst zu Kallwitz schmunzelte in sich hinein. Er kannte seine Frau gut genug, um zu wissen, dass die Begeisterung mit ihr durchgehen und sie alle Vorsicht vergessen lassen würde. Aber das ließ sich wohl kaum verhindern, also konnte er sich weitere Vorhaltungen sparen. »Tu das, meine Liebe«, sagte er und gab ihr einen Kuss. »Ich werde dich aber, wenn ich darf, vorher noch einmal an deinen Vorsatz erinnern.«
Sie kniff ihn liebevoll in die Wange. »Du denkst, mit mir gehen wieder die Pferde durch, Ernst, aber das wird nicht der Fall sein. Ich lasse ihn nicht merken, was ich mir wünsche, du wirst schon sehen.«
Er küsste sie erneut. »Lass uns schlafen gehen«, schlug er vor. »Es ist spät genug geworden, und bis Carl am Sonntag kommt, haben wir ja noch Zeit, darüber zu reden, wie du Albertina von Braun am unauffälligsten ins Gespräch bringen kannst.«
Sie nickte und unterdrückte ein Gähnen. Ihr letzter Gedanke vor dem Schlafengehen galt noch einmal Albertina: Wie schön wäre