Der kleine Fürst Staffel 6 – Adelsroman. Viola Maybach
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Читать онлайн книгу Der kleine Fürst Staffel 6 – Adelsroman - Viola Maybach страница 35
»Nein, nie gesehen«, antwortete Carl. Zu den drei Neuankömmlingen gehörte eine attraktive, sehr elegante junge Frau mit kurzen schwarzen Haaren.
»Herr Hagedorn scheint aber zu wissen, wer sie sind«, meinte Anna, »er …« Sie brach ab. »Wir sind ja blöd, Chris! Das muss Albertina von Braun mit ihren Eltern sein.«
»Stimmt«, gab Christian zu, »alle anderen Gäste kennen wir.«
»Albertina von Braun?«, fragte Carl. Er war zugleich zornig – auf seine Mutter, die dieses Zusammentreffen garantiert eingefädelt hatte – und verwirrt. Diese elegante junge Frau konnte nicht die fluchende, schimpfende, sich wie ein Mann gebärdende Person sein, die er auf der Baustelle beobachtet hatte, das war unmöglich! Wahrscheinlich war er einem Irrtum erlegen und hatte die Falsche beobachtet …
»Komm mit, Carl, wir begrüßen sie«, schlug Anna vor.
Er folgte ihr und Christian, seine Neugier war auf jeden Fall größer als der Zorn auf seine Mutter. Die würde sich später einiges anhören müssen, aber zuerst wollte er sich diese Albertina mal aus der Nähe ansehen!
*
Albertina fühlte sich wie immer beengt und unwohl in ihrem eleganten silbergrauen Seidenkleid und den schmalen Pumps. Ihr Fuß muckte zwar noch nicht auf, aber er würde es tun, wenn sie lange auf ihren hohen Absätzen herumlaufen musste, das war ihr klar. Nun ja, beim Konzert konnte sie sitzen und die Pumps unauffällig ausziehen – und das hatte sie auch vor.
Sie sah zwei Jugendliche auf sich zukommen, einen Jungen und ein Mädchen. Vermutlich der kleine Fürst und seine Cousine, dachte sie. Mit einem Mal freute sie sich darüber, ihre Eltern begleitet zu haben. Es war schön hier – aus weiter Ferne stiegen ein paar Kindheitserinnerungen an das Schloss und seinen wundervollen Park in ihr auf.
Erst als die beiden Teenager sie schon beinahe erreicht hatten, stellte sie fest, dass sie von einem gut aussehenden, ziemlich großen Mann etwa ihres Alters begleitet wurden, dessen Augen forschend auf sie gerichtet waren. Sie hatte ihn nie zuvor gesehen, dessen war sie sicher. Sein Gesicht gefiel ihr – er sah so aus, als wüsste er, was er wollte, und die Fältchen um seine Augen verrieten, dass er gern lachte. Mit Menschen, die keinen Humor hatten, konnte sie nichts anfangen. Nur: Warum guckte er sie so an wie ein Polizist, der einem Verdächtigen auf den Grund der Seele blicken will, um seine Geheimnisse zu ergründen?
Eberhard Hagedorn, der sich eben anschicken wollte, die Gäste zu den Gastgebern zu geleiten, blieb stehen und übernahm die Vorstellung. Wie erwartet handelte es sich bei den beiden Teenagern um Anna von Kant und Christian von Sternberg. Albertina mochte die beiden auf Anhieb.
»Sie sind Carl zu Kallwitz?«, rief ihre Mutter erfreut, als sie Carls Namen hörte. »Wir haben kürzlich Ihre Eltern kennengelernt und bei der Gelegenheit auch von Ihnen gesprochen.«
»Es freut mich sehr, gnädige Frau, dass wir uns nun endlich begegnen«, erwiderte Carl.
»Das ist unsere Tochter Albertina«, erklärte Eliane.
Er sah wirklich gut aus, auch aus der Nähe, stellte Albertina fest. Und diese Augen … Sie hätte etwas darum gegeben zu wissen, was in seinem Kopf vorging. Es kam ihr so vor, als hätte er mit widerstreitenden Gefühlen zu kämpfen, was sie sich jedoch nicht erklären konnte. Er kannte sie doch gar nicht!
Sein Händedruck war so fest wie ihrer, er benahm sich untadelig höflich, dennoch war etwas an ihm, das sie verunsicherte. Kannte er sie vielleicht doch von irgendwoher? Von der Baustelle womöglich? Hoffentlich nicht, dachte sie erschrocken. Bisher hatte sie noch nie Probleme gehabt, ihre beiden Leben strikt voneinander zu trennen – aber natürlich war ihr klar, dass das nicht immer so bleiben musste.
Sie war fast erleichtert, als sie ihre Mutter sagen hörte: »Da kommen ja auch Sofia und Fritz!«
Sie drehte sich um und sah ein elegantes Paar mittleren Alters näherkommen, dem ihre Eltern sie vorstellten. Danach wandten sich Sofia und Friedrich von Kant Carl zu Kallwitz zu, sodass sein forschender Blick nicht länger auf ihr ruhte. Er brachte sie durcheinander, und das gefiel ihr nicht. Sie konnte derzeit keinen Mann in ihrem Leben gebrauchen. Viel zu lange hatte es gedauert, bis sie in ihrem geliebten Beruf Fuß gefasst hatte – davon würde sie sich in den nächsten Jahren von keinem Mann abhalten lassen, mochte er noch so attraktiv sein …
Zum Glück ahnte er nichts von dem Aufruhr in ihrem Inneren, und sie hatte nicht die Absicht, ihm etwas darüber zu erzählen.
*
»Sabine!« Robert starrte die Frau seiner Träume an wie eine Erscheinung, riss sich jedoch schnell zusammen. »Was verschafft mir denn die Ehre deines Besuchs?«, fragte er und war stolz darauf, dass das sogar ein wenig kühl klang.
»Ich muss mit dir reden«, erklärte Sabine. »Geht das?«
Robert hatte schon die eilige Beteuerung auf der Zunge, dass das natürlich ginge, aber er bremste sich. »Ich habe nicht viel Zeit«, behauptete er. »Worum geht es denn?« Er musste richtig an sich halten, sie nicht in seine Wohnung zu bitten. Vorsichtshalber hielt er sich am Türrahmen fest, damit er nicht weich wurde. Ihm fiel auf, dass sie ziemlich blass und mitgenommen aussah, aber er verhärtete sein Herz gegen diese Erkenntnis. Das ging ihn nichts an!
»Um mich … äh … um uns«, stammelte Sabine.
Robert glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. »Willst du mich auf den Arm nehmen?«, fragte er. »Uns? Du und ich, das hat es überhaupt nie gegeben – also kann es auch nicht um ›uns‹ gehen.«
»Ja, das … das stimmt.« Sie verstummte.
Seine Verwunderung wuchs. So, wie sie jetzt vor ihm stand, so kleinlaut und irgendwie bedauernswert, kannte er sie bislang gar nicht. Plötzlich verspürte er Panik. War vielleicht etwas Entsetzliches passiert, und sie brauchte einen Freund? War sie deshalb zu ihm gekommen – und er behandelte sie wie eine Fremde? Das hatte sie nicht verdient, er musste …
Noch bevor er seinen Gedankengang abgeschlossen hatte, ergriff Sabine erneut das Wort. »Also gut, dann geht es eben um mich. Könnten wir nicht … ich meine, kannst du mich nicht einen Augenblick reinlassen? Ich möchte nicht hier im Treppenhaus darüber reden.«
Roberts Unsicherheit wich. Es ging nicht um eine Katastrophe, das spürte er. Und zugleich merkte er, dass ihm anders zumute war als früher, wenn er mit Sabine zu tun gehabt hatte. Woran lag das? Hatte er endlich den nötigen Abstand gewonnen? Hatte er seine Gefühle für sie überwunden? »Nein«, antwortete er, »ich möchte dich nicht in meiner Wohnung haben. Und, wie gesagt, ich habe nicht viel Zeit. Sag also, was du sagen willst – und dann geh bitte wieder.«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich habe es wohl verdient, dass du mich so behandelst«, erwiderte sie mit leiser Stimme. »Ich habe mich geirrt, Robert, das wollte ich dir sagen. Du bist mir überhaupt nicht gleichgültig. Du hast mich nur genervt, weil du mich so gedrängt hast, aber seit du das nicht mehr tust, merke ich erst, wie gern ich dich habe. Du fehlst mir.«
Mit allem hatte Robert gerechnet, aber nicht mit diesem Geständnis. Sie sah ihm wohl an, wie entgeistert er war, denn sie trat bereits einen Schritt zurück. »Entschuldige!«, sagte sie. »Ich … ich weiß ja, dass du in eine andere Frau verliebt bist. Ich habe meine Gefühle für dich einfach zu spät entdeckt, und ich wollte, dass du es wenigstens erfährst. Es hätte ja sein können, dass du