Der kleine Fürst Staffel 6 – Adelsroman. Viola Maybach
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Читать онлайн книгу Der kleine Fürst Staffel 6 – Adelsroman - Viola Maybach страница 37
Sie folgten also der Baronin ins Schloss. Der erste Mensch, auf den Carls Blick fiel, als er die Bibliothek betrat, war Albertina. Er lächelte ihr zu und hoffte, dass man ihm nicht ansah, was er dabei dachte.
Sie erwiderte sein Lächeln flüchtig, dann wandte sie sich dem neben ihr sitzenden Baron Friedrich zu, ohne Carl eines weiteren Blickes zu würdigen.
*
»Caroline, ich hoffe, das ist dir eine Lehre«, sagte Graf Ernst zu Kallwitz, als er sich zu später Stunde mit seiner Frau in die Gäste-
suite zurückgezogen hatte, die sie auf Sternberg bewohnten. »Albertina hat nicht das geringste Interesse an Carl gezeigt, ich hoffe, das ist selbst dir aufgefallen.«
Sie nickte niedergeschlagen. »Ich verstehe das aber nicht, er kann doch sonst über mangelnden Erfolg bei Frauen nicht klagen, Ernst! Sie hat ihn ja nicht einmal angesehen, und ich glaube, gesprochen haben sie überhaupt nicht miteinander.«
»Nein, haben sie nicht«, bestätigte der Graf. »Aber mit allen anderen hat sie gesprochen – und zwar auf die charmante Art, die uns neulich so für sie eingenommen hat.«
Caroline zu Kallwitz nickte. »Aber ich verstehe es nicht!«, wiederholte sie.
»Ob du es verstehst oder nicht, spielt leider keine Rolle. Sei bitte so gut, diese Sache jetzt auf sich beruhen zu lassen. In Liebesangelegenheiten anderer Menschen sollte man sich nicht einmischen, das ist meine feste Überzeugung – nicht einmal, wenn sie den eigenen Sohn betreffen.«
»Aber er scheint durchaus Interesse an ihr zu haben, Ernst!«
»Was hilft ihm das, wenn dieses Interesse nicht erwidert wird? Bitte, Caro …«
»Ist ja schon gut«, seufzte sie. »Der heutige Abend hat mich entmutigt, du hättest mir gar nicht mehr ins Gewissen reden müssen, schließlich bin ich nicht blind. Dabei ist sie nicht gebunden, das weiß ich ganz sicher.«
»Caroline!«
»Ich habe ganz beiläufig danach gefragt, Ernst!«, beteuerte die Gräfin. »Wirklich, es war ganz unauffällig. Aber ihr Verhalten heute Abend war eindeutig, das sehe ich ein.«
»Na, also«, erwiderte Ernst erleichtert. »Dann lass uns bitte nicht länger darüber sprechen.«
Sie nickte stumm.
Er umarmte sie und gab ihr einen Kuss. Es tat ihm leid, dass sie so enttäuscht war, und auch er hätte ja gegen eine Verbindung zwischen Albertina und Carl nichts einzuwenden gehabt – doch erzwingen ließ sie sich natürlich nicht. »Ich gehe jetzt schlafen, kommst du auch?«
»Geh nur schon vor«, bat sie, »ich möchte noch einen Moment hier sitzen bleiben.«
Graf Ernst legte sich an diesem Abend in dem irrigen Glauben ins Bett, das Thema »Albertina und Carl« sei ein für alle Mal erledigt.
*
»Ich muss mit dir reden«, sagte Robert, nachdem Carl sich gemeldet hatte. »Störe ich?«
»Überhaupt nicht, ich bin froh, dass du anrufst. Was ist denn passiert?«
»Sabine war bei mir und hat mir eine Liebeserklärung gemacht. Was sagst du nun?«
Carl war dankbar dafür, von seinen Gedanken an Albertina abgelenkt zu werden. »Ich bin platt!«, behauptete er, obwohl er sich etwas in der Art ja schon gedacht hatte. »Erzähl!«
Die Geschichte sprudelte nur so aus Robert heraus, und Carl kam schließlich zu dem gleichen Ergebnis wie sein Freund: »Du hast dazu gelernt!«, stellte er fest. »Nun verfall bloß nicht wieder in den alten Fehler und wirf dich ihr zu Füßen – bildlich gesprochen.«
»Das Bedürfnis habe ich gar nicht«, erklärte Robert. »Ich weiß selbst nicht mehr, warum ich ihr gegenüber immer so unsicher und ohne Selbstbewusstsein war. Das ist vorbei, Carl. Ich würde mich heute nicht mehr so behandeln lassen von ihr.«
»Willst du ihr sagen, dass es gar keine Amelie gibt?«
»Mal sehen, das weiß ich noch nicht genau. Aber ich schätze mal, es wäre nicht sehr nett, sie noch lange schmoren zu lassen, oder? Ich meine, ich liebe sie ja nach wie vor, daran hat sich nichts geändert.«
»Ich würde jedenfalls nichts überstürzen«, riet Carl, und Robert versprach, diesen Rat zu beherzigen.
Nach dem Gespräch war Carl wieder hellwach und verspürte Lust auf einen nächtlichen Spaziergang durch den Park. Leise schlich er nach unten – aber er war wohl nicht leise genug gewesen, denn wie ein Schatten tauchte Eberhard Hagedorn auf.
»Ich lasse Sie hinaus, Graf Kallwitz«, sagte er.
»Sie haben mich erschreckt, Herr Hagedorn! Schlafen Sie denn nie?«
»Später«, erklärte der alte Butler mit seinem zurückhaltenden Lächeln. »Wenn alle Gäste schlafen.«
»Meinetwegen müssen Sie nicht wach bleiben«, beteuerte Carl. »Ich kann hinterher alles wieder abschließen.«
Doch darauf ließ sich Eberhard Hagedorn nicht ein. »Das ist meine Aufgabe«, erklärte er ruhig, »außerdem bin ich noch gar nicht müde. Wollen Sie in den Park? Dann mache ich die Beleuchtung noch einmal an.«
»Nein, nein, ich vertrete mir nur ein bisschen die Beine und schnappe frische Luft. Und ich bleibe bestimmt nicht lange«, versprach Carl. Er schlüpfte hinaus in die überraschend kühle Nacht. Es war doch während des Konzerts noch ganz warm gewesen! Kurz entschlossen änderte er seine Meinung und näherte sich mit raschen Schritten dem Schlosspark – wenn er sich bewegte, würde ihm schnell wieder warm werden.
Doch es erwies sich, dass der Schlosspark bei Nacht seine Tücken hatte: Nach einigen hundert Metern übersah Carl eine vorwitzige Pflanze, die sich nicht da-rauf beschränkte, an einem eigens angebrachten Klettergerüst emporzuranken, sondern eine ihrer Schlingen über den Weg geschickt hatte. In dieser Schlinge blieb Carl hängen. Bevor er begriff, was geschehen war, lag er auch schon am Boden. In seine Handflächen, mit denen er versucht hatte, den Sturz in letzter Sekunde abzufangen, bohrte sich schmerzhaft etwas Spitzes. Außerdem war er sicher, sich die Knie aufgeschlagen zu haben. Das war ihm nicht mehr passiert, seit er zur Grundschule gegangen war!
»Verdammt!«, schimpfte er. »Was habe ich hier überhaupt zu suchen?«
Ausgerechnet in diesem Augenblick verschwand die ohnehin recht schmale Mondsichel hinter einer Wolke, und es wurde stockfinster.
»Was ist denn passiert?«, fragte eine Stimme über ihm.
Sehen konnte er nur einen Schatten, aber die Stimme erkannte er natürlich: Sie gehörte Albertina. Ausgerechnet, dachte er erbittert. »Ich bin gestürzt«, erklärte er. »Mein Fuß hat sich in einer Schlinge verfangen.«
Eine Taschenlampe blinkte auf, Albertina ging in die Hocke. Überrascht sah er, dass sie Jeans, T-Shirt und Turnschuhe trug. Im Schein der Taschenlampe gelang es ihm, seinen Fuß zu befreien. »Haben Sie sich verletzt?«, fragte sie.
»Nein, nur die Knie aufgeschrammt, wie damals als