Der kleine Fürst Staffel 6 – Adelsroman. Viola Maybach

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Der kleine Fürst Staffel 6 – Adelsroman - Viola Maybach Der kleine Fürst

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      Robert stand noch geschlagene zwei Minuten regungslos im Rahmen seiner Wohnungstür, bevor er wieder zum Leben erwachte. Er schloss die Tür sehr langsam und fast andächtig, dann ging er in sein Wohnzimmer, setzte sich in einen Sessel und dachte intensiv nach.

      *

      »Er hat sie schon mal gesehen«, raunte Anna dem kleinen Fürsten zu. »Da wette ich mit dir.«

      »Aber wo?«, fragte Christian zweifelnd. »Gesagt hat er nichts davon.«

      »Aber er hat so geguckt!«, erklärte Anna.

      Das musste Christian zugeben: Carl hatte Albertina bei der Vorstellung angesehen, als sei er sicher, dass sie nicht diejenige war, für die sie sich ausgab. Das war schon seltsam gewesen.

      Der Dirigent des Orchesters trat jetzt ans Pult, Beifall brandete auf, wenig später erklangen die ersten Töne, und alle Gespräche verstummten. Es war ein Konzert der Sonderklasse, die Musik entfaltete an diesem schönen Ort einen Zauber, dem sich niemand entziehen konnte.

      Auch Carl nicht, der mit seinen Eltern schräg hinter Albertina und ihren Eltern saß – die Plätze neben ihnen waren bereits besetzt gewesen. »Gib zu, dass sie reizend ist!«, hatte seine Mutter ihm zugeflüs-tert, und er hatte ihr mit einem abwesenden Nicken geantwortet. Ja, sie war reizend. Aber wer war die Frau gewesen, die er auf der Baustelle beobachtet hatte?

      Immer wieder glitten seine Augen zu Albertina hinüber. Er konnte sie im Halbprofil sehen, die weiche Linie ihres Halses, ihr rundes Kinn, die hohen Wangenknochen. Ab und zu, wenn sie den Kopf wandte, sah er auch ihre dichten Wimpern und die schmale kleine Nase. Das gibt’s doch nicht, dachte er verwirrt, ich werde mich doch nicht bei diesem Konzert in eine Frau verlieben, die zwei Gesichter hat – denn er musste ja auf der Baustelle die Richtige beobachtet haben: Seine diskreten Erkundigungen hatten schließlich ergeben, dass Albertina von Braun als einzige Frau dort arbeitete.

      Die Musik hüllte ihn ein und machte sein Herz weit. Er schloss die Augen und ließ sich endlich ganz weit weg tragen von den Klängen, die den Schlosspark erfüllten. Nach dem Konzert wollte der Beifall nicht enden, und auch Carl klatschte so lange, bis das Orches-ter eine heitere Zugabe spielte, die zu diesem schönen Spätsommerabend passte. Danach aber war endgültig Schluss. Das Orchester wurde noch mit herzlichstem Applaus verabschiedet, als die ersten Limousinen bereits vom Schloss-hof rollten.

      Carl und seine Eltern würden auf Sternberg übernachten, er hatte es also nicht eilig. Allerdings hätte er gerne gewusst, ob auch die Familie von Braun zu den Übernachtungsgästen gehörte, denn dann ergäbe sich ja vielleicht eine Gelegenheit, die Bekanntschaft mit Albertina unauffällig zu vertiefen …

      »Kanntest du sie?«, fragte eine Stimme neben ihm.

      Er schrak zusammen und entdeckte Anna und Christian neben sich.

      »Wen denn?«, fragte er.

      »Albertina«, erklärte der kleine Fürst. »Du hast sie so angesehen, als stimmte etwas nicht. Du hast sie vorher schon mal gesehen, oder?«

      Verflixt, dachte Carl, ich muss mich besser beherrschen. Wenn man mir so deutlich ansieht, was ich denke, dann habe ich nicht aufgepasst!

      »Wir erzählen es niemandem«, versicherte Anna, die ihn sehr genau beobachtet hatte.

      Ihm fiel wieder ein, wie gut er immer mit Anna und Christian ausgekommen war – und dass die beiden schon einige Geheimnisse aufgedeckt hatten, ohne ihr Wissen jemals für eigene Zwecke auszunutzen. »Ja«, antwortete er daher, »ich habe sie schon einmal gesehen. Das glaube ich zumindest.«

      »Wo denn?«

      Carl seufzte. Am liebsten hätte er mit seinem Freund Robert über diese ganze verflixte Angelegenheit gesprochen – und zwar persönlich, nicht am Telefon. Aber Robert war nicht hier. Was sprach also dagegen, dieses Gespräch mit Anna und dem kleinen Fürsten zu führen, da sein Freund ihm nicht zur Verfügung stand?

      »Auf der Baustelle«, sagte er, »und das kam so …«

      Um sie herum leerte sich der Schlosspark ziemlich schnell, eine lange Reihe von Limousinen fuhr die Auffahrt hinunter. Anna und Christian lauschten aufmerksam, während Carl ihnen von dem Eindruck erzählte, den er auf der Baustelle von Albertina gewonnen hatte.

      »Versteht ihr?«, fragte er schließlich. »Meine Eltern waren so be-geistert von ihr, dass ich dachte: Ich kann ja mal gucken. Und dann höre ich sie fluchen und … ich glaube, ausgespuckt hat sie auch noch.« Er musste bei der Erinnerung lachen. »Sehen konnte ich sie kaum, weil sie einen Helm trug, aber allein ihr Verhalten war für mich Anlass genug, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Ich habe von diesem Besuch niemandem etwas erzählt, auch meinen Eltern nicht.«

      »Und jetzt?«, fragte Anna.

      »Na ja, Anna, jetzt sieht die Sache mit einem Mal völlig anders aus«, erwiderte Carl. »Da ich euch sowieso schon einen tiefen Einblick in mein Inneres gewährt habe: Ich bin völlig hingerissen von ihr – ich meine, von ihr, wie sie jetzt ist.«

      »Und was willst du machen?«

      »Eigentlich wollte ich noch einmal auf die Baustelle fahren, es könnte ja sein, dass ausgerechnet an dem Tag eine andere Frau dort war …«

      »Das glaubst du doch nicht im Ernst, oder?«, fragte der kleine Fürst.

      »Nein, eigentlich nicht«, gab Carl zu. »Ihr kennt sie auch nicht besser als ich, oder?«

      »Wir haben sie heute kennengelernt, genau wie du«, erklärte Anna. »Sag ihr doch, dass du sie toll findest – dann wirst du schon sehen, wie sie reagiert.«

      »Ich weiß nicht recht, Anna. Wenn du sie auf der Baustelle erlebt hättest, wüsstest du, warum ich zögere. So gut sie mir jetzt gefällt – ich hätte Probleme damit, eine Frau oder Freundin zu haben, die flucht wie ein Fuhrknecht und sich auch sonst so benimmt.«

      »Hier tut sie das aber nicht«, wandte Christian ein.

      »Nein, hier nicht. Aber sie hat ja offenbar noch ein zweites Leben. Ich muss in Ruhe darüber nachdenken.«

      »Wir könnten herausfinden, ob sie einen Freund hat«, schlug Anna vor. »Und wenn sie keinen hat: ob sie vielleicht einen sucht.«

      »Ich habe natürlich keine Ahnung, Anna, trotzdem glaube ich sicher zu wissen, was ihr herausfinden werdet.«

      »Was denn?«

      »Sie hat keinen Freund, und sie sucht auch keinen. Sie liebt ihren Beruf und ist froh, dass sie ihn ausüben kann.«

      »Könnte sein«, gab Anna zu. »Aber sie kann sich trotzdem in dich verlieben.«

      »Und wie soll ich es anstellen, damit das passiert?«

      »Auf keinen Fall darfst du sie drängen«, erklärte Anna und wirkte dabei wie eine weise alte Frau.

      Carl seufzte. »Ich bin ja nicht einmal sicher, ob ich mir überhaupt wünschen soll, ihr näherzukommen, Anna. Wie schon gesagt: Eine Frau mit zwei Gesichtern entspricht nicht meinem Traumbild.«

      Christian wollte etwas entgegnen, doch die Baronin kam mit schnellen Schritten näher und rief: »Wo bleibt ihr denn? Wir sitzen in der Bibliothek und lassen den

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