Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann

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ich in später Nacht in das schöne, große Dorf vier Stunden von B.; ich entschloß mich, in den stattlichen Gasthof einzukehren, wo mich ein freundlicher, aufgeweckter Wirt empfing. Ermüdet, ja zerschlagen von der weiten Reise, warf ich mich in meinem Zimmer gleich ins Bette, um recht auszuschlafen, aber es mochte eben eins geschlagen haben, als mich eine Flöte, die dicht neben mir geblasen wurde, weckte. In meinem Leben hatt’ ich solch ein Blasen nicht gehört. Der Mensch mußte ungeheure Lungen haben, denn mit einem schneidenden, durchdringenden Ton, der den Charakter des Instruments ganz vernichtete, blies er immer dieselbe Passage hintereinander fort, so daß man sich nichts Abscheulicheres, Unsinnigeres denken konnte. Ich schimpfte und fluchte auf den verdammten tollen Musikanten, der mir den Schlaf raubte und die Ohren zerriß, aber wie ein aufgezogenes Uhrwerk rollte die Passage fort, bis ich endlich einen dumpfen Schlag vernahm, als würde etwas gegen die Wand geschleudert, worauf es still blieb und ich ruhig fortschlafen konnte.

      Am Morgen hörte ich ein starkes Gezänk unten im Hause. Ich unterschied die Stimme des Wirts und eines Mannes, der unaufhörlich schrie: >Verdammt sei Ihr Haus, wäre ich nie über die Schwelle getreten. – Der Teufel hat mich in Ihr Haus geführt, wo man nichts trinken, nichts genießen kann! – alles ist infam schlecht und hundemäßig teuer. – Da haben Sie Ihr Geld, adieu, Sie sehn mich nicht wieder in Ihrer vermaladeiten Kneipe.< – Damit sprang ein kleiner, winddürrer Mann in einem kaffeebraunen Rocke und fuchsroter runder Perücke, auf die er einen grauen Hut ganz schief und martialisch gestülpt, schnell zum Hause heraus und lief nach dem Stalle, aus dem ich ihn bald auf einem ziemlich steifen Gaule in schwerfälligem Galopp zum Hofe hinausreiten sah. Natürlicherweise hielt ich ihn für einen Fremden, der sich mit dem Wirte entzweit habe und nun abgereiset sei; eben deshalb nahm es mich nicht wenig wunder, als ich mittags, da ich mich in der Wirtsstube befand, dieselbe komische kaffeebraune Figur mit der fuchsroten Perücke, welche des Morgens hinausritt, eintreten und ohne Umstände an dem gedeckten Tisch Platz nehmen sah. Es war das häßlichste und dabei possierlichste Gesicht, das mir jemals aufstieß. In dem ganzen Wesen des Mannes lag so etwas drollig Ernstes, daß man, ihn betrachtend, sich kaum des Lachens enthalten konnte. Wir aßen miteinander, und ein wortkarges Gespräch schlich zwischen mir und dem Wirt hin, ohne daß der Fremde, der gewaltig aß, daran Anteil nehmen wollte. Offenbar war es, wie ich nachher einsah, Bosheit des Wirts, daß er das Gespräch geschickt auf nationelle Eigentümlichkeiten lenkte und mich geradezu frug, ob ich wohl schon Irländer kennengelernt und von ihren sogenannten Bulls etwas wisse. >Allerdings!< erwiderte ich, indem mir gleich eine ganze Reihe solcher Bulls durch den Kopf ging. Ich erzählte von jenem Irländer, der, als man ihn frug, warum er den Strumpf verkehrt angezogen, ganz treuherzig antwortete: >Auf der rechten Seite ist ein Loch!< – Es kam mir ferner der herrliche Bull jenes Irländers in den Sinn, der mit einem jähzornigen Schotten zusammen in einem Bette schlief und den bloßen Fuß unter der Decke hervorgestreckt hatte. Nun bemerkte dies ein Engländer, der im Zimmer befindlich, und schnallte flugs dem Irländer den Sporn an den Fuß, den er von seinem Stiefel heruntergenommen. Der Irländer zog schlafend den Fuß wieder unter die Decke und ritzte mit dem Sporn den Schotten, der darüber aufwachte und dem Irländer eine tüchtige Ohrfeige gab. Darauf entspann sich unter ihnen folgendes sinnreiche Gespräch: >Was Teufel ficht dich an, warum schlägst du mich?< –>Weil du mich mit deinem Sporn geritzt hast!< – >Wie ist das möglich, da ich mit bloßen Füßen bei dir im Bette liege?< –>Und doch ist es so, sieh nur her.< – >Gott verdamm mich, du hast recht, hat der verfluchte Kerl von Hausknecht mir den Stiefel ausgezogen und den Sporn sitzen lassen.< – Der Wirt brach in ein unmäßiges Gelächter aus, aber der Fremde, der eben mit dem Essen fertig worden und ein großes Glas Bier heruntergestürzt hatte, sah mich ernst an und sprach: >Sie haben ganz recht, die Irländer machen oft dergleichen Bulls, aber es liegt keinesweges an dem Volke, das regsam und geistreich ist, vielmehr weht dort eine solche verfluchte Luft, die einen mit dergleichen Tollheiten wie mit einem Schnupfen befällt, denn, mein Herr! ich selbst bin zwar ein Engländer, aber in Irland geboren und erzogen und nur deshalb jener verdammten Krankheit der Bulls unterworfen.< – Der Wirt lachte noch stärker, und ich mußte unwillkürlich einstimmen, denn sehr ergötzlich war es doch, daß der Irländer, nur von Bulls sprechend, gleich selbst einen ganz vortrefflichen zum besten gab. Der Fremde, weit entfernt, durch unser Gelächter beleidigt zu werden, riß die Augen weit auf, legte die Finger an die Nase und sprach: >In England sind die Irländer das starke Gewürz, das der Gesellschaft hinzugefügt wird, um sie schmackhaft zu machen. Ich selbst bin in dem einzigen Stück dem Falstaff ähnlich, daß ich oft nicht allein selbst witzig bin, sondern auch den Witz anderer erwecke, was in dieser nüchternen Zeit kein geringes Verdienst ist. Sollten Sie denken, daß in dieser ledernen leeren Bierwirtsseele sich auch oft dergleichen regt, bloß auf meinen Anlaß? Aber dieser Wirt ist ein guter Wirt, er greift sein dürftig Kapital von guten Einfällen durchaus nicht an, sondern leiht hie und da in Gesellschaft der Reichen nur einen aus auf hohe Zinsen; er zeigt, ist er dieser Zinsen nicht versichert, wie eben jetzt, höchstens den Einband seines Hauptbuchs, und der ist sein unmäßiges Lachen; denn in dies Lachen hat er seinen Witz eingewickelt. Gott befohlen, meine Herrn!< – Damit schritt der originelle Mann zur Türe hinaus; und ich bat den Wirt sofort um Auskunft über ihn. >Dieser Irländer<, sagte der Wirt, >der Ewson heißt und deswegen ein Engländer sein will, weil sein Stammbaum in England wurzelt, ist erst seit kurzer Zeit hier, es werden nun gerade zweiundzwanzig Jahre sein. – Ich hatte als ein junger Mensch den Gasthof gekauft und hielt Hochzeit, als Herr Ewson, der auch noch ein Jüngling war, aber schon damals eine fuchsrote Perücke, einen grauen Hut und einen kaffeebraunen Rock von demselben Schnitt wie heute trug, auf der Rückreise nach seinem Vaterlande begriffen, hier vorbeikam und durch die Tanzmusik, die lustig erschallte, hereingelockt wurde. Er schwur, daß man nur auf dem Schiffe zu tanzen verstehe, wo er es seit seiner Kindheit erlernt, und führte, um dies zu beweisen, indem er auf gräßliche Weise dazu zwischen den Zähnen pfiff, einen Hornpipe aus, wobei er aber bei einem Hauptsprunge sich den Fuß dermaßen verrenkte, daß er bei mir liegen bleiben und sich heilen lassen mußte. – Seit der Zeit hat er mich nicht wieder verlassen. Mit seinen Eigenheiten habe ich meine liebe Not; jeden Tag seit den vielen Jahren zankt er mit mir, er schmält auf die Lebensart, er wirft mir vor, daß ich ihn überteure, daß er ohne Roastbeef und Porter nicht länger leben könne, packt sein Felleisen, setzt seine drei Perücken auf, eine über die andere, nimmt von mir Abschied und reitet auf seinem alten Gaule davon. Das ist aber nur sein Spazierritt, denn mittags kommt er wieder zum ändern Tore herein, setzt sich, wie Sie heute gesehen haben, ruhig an den Tisch und ißt von den ungenießbaren Speisen für drei Mann. Jedes Jahr erhält er einen starken Wechsel; dann sagt er mir ganz wehmütig Lebewohl, er nennt mich seinen besten Freund und vergießt Tränen, wobei mir auch die Tränen über die Backen laufen, aber vor unterdrücktem Lachen. Nachdem er noch lebens-und sterbenshalber seinen letzten Willen aufgesetzt und, wie er sagt, meiner ältesten Tochter sein Vermögen vermacht hat, reitet er ganz langsam und betrübt nach der Stadt. Den dritten oder höchstens vierten Tag ist er aber wieder hier und bringt zwei kaffeebraune Röcke, drei fuchsrote Perücken, eine gleißender wie die andere, sechs Hemden, einen neuen grauen Hut und andere Bedürfnisse seines Anzuges, meiner ältesten Tochter, seiner Lieblingin, aber ein Tütchen Zuckerwerk mit wie einem Kinde, unerachtet sie nun schon achtzehn Jahre alt worden. Er denkt dann weder an seinen Aufenthalt in der Stadt noch an die Heimreise. Seine Zeche berichtigt er jeden Abend, und das Geld für das Frühstück wirft er mir jeden Morgen zornig hin, wenn er wegreitet, um nicht wiederzukommen. Sonst ist er der gutmütigste Mensch von der Welt, er beschenkt meine Kinder bei jeder Gelegenheit, er tut den Armen im Dorfe wohl, nur den Prediger kann er nicht leiden, weil er, wie Herr Ewson es von dem Schulmeister erfuhr, einmal ein Goldstück, das Ewson in die Armenbüchse geworfen, eingewechselt und lauter Kupferpfennige dafür gegeben hat. Seit der Zeit weicht er ihm überall aus und geht niemals in die Kirche, weshalb der Prediger ihn für einen Atheisten ausschreit. Wie gesagt, habe ich aber oft meine liebe Not mit ihm, weil er jähzornig ist und ganz tolle Einfälle hat. Erst gestern hörte ich, als ich nach Hause kam, schon von weitem ein heftiges Geschrei und unterschied Ewsons Stimme. Als ich ins Haus trat, fand ich ihn im stärksten Zank mit der Hausmagd begriffen. Er hatte, wie es im Zorn immer geschieht, bereits seine Perücke weggeschleudert und stand im kahlen Kopf, ohne Rock, in Hemdärmeln dicht vor der Magd, der er ein großes Buch unter die Nase hielt und, stark schreiend und fluchend, mit dem Finger hineinwies. Die Magd hatte

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