sich sehr ergötzt zu haben. “Nur eine Figur”, sagte er zum Leibarzt, “haben Sie in dem Gemälde zu sehr in den Hintergrund gestellt, und das ist Ihre eigne, denn ich wette, daß Ihr zuzeiten etwas boshafter Humor den närrischen Ewson sowie den pathetischen Doktor zu tausend tollen Ausschweifungen verleitet hat und daß Sie eigentlich das exzitierende Prinzip waren, für das Sie den lamentablen Amtmann ausgeben.” – “Ich versichere, gnädigster Herr!” erwiderte der Leibarzt, “daß dieser aus seltner Narrheit komponierte Klub so in sich abgerundet war, daß alles Fremde nur dissoniert hätte. Um in dem musikalischen Gleichnis zu bleiben, waren die drei Menschen der reine Dreiklang, jeder verschieden, im Ton aber harmonisch mitklingend, der Wirt sprang hinzu wie eine Septime.” – Auf diese Weise wurde noch manches hin-und hergesprochen, bis sich, wie gewöhnlich, die fürstliche Familie in ihre Zimmer zurückzog und die Gesellschaft in der gemütlichsten Laune auseinanderging. – Ich bewegte mich heiter und lebenslustig in einer neuen Welt. Je mehr ich in den ruhigen, gemütlichen Gang des Lebens in der Residenz und am Hofe eingriff, je mehr man mir einen Platz einräumte, den ich mit Ehre und Beifall behaupten konnte, desto weniger dachte ich an die Vergangenheit sowie daran, daß mein hiesiges Verhältnis sich jemals ändern könne. Der Fürst schien ein besonderes Wohlgefallen an mir zu finden, und aus verschiedenen flüchtigen Andeutungen konnte ich schließen, daß er mich auf diese oder jene Weise in seiner Umgebung festzustellen wünschte. Nicht zu leugnen war es, daß eine gewisse Gleichförmigkeit der Ausbildung, ja eine gewisse angenommene gleiche Manier in allem wissenschaftlichen und künstlerischen Treiben, die sich vom Hofe aus über die ganze Residenz verbreitete, manchem geistreichen und an unbedingte Freiheit gewöhnten Mann den Aufenthalt daselbst bald verleidet hätte; indessen kam mir, sooft auch die Beschränkung, welche die Einseitigkeit des Hofes hervorbrachte, lästig wurde, das frühere Gewöhnen an eine bestimmte Form, die wenigstens das Äußere regelt, dabei sehr zustatten. Mein Klosterleben war es, das hier, freilich unmerklicherweise, noch auf mich wirkte. – Sosehr mich der Fürst auszeichnete, sosehr ich mich bemühte, die Aufmerksamkeit der Fürstin auf mich zu ziehen, so blieb diese doch kalt und verschlossen. Ja! meine Gegenwart schien sie oft auf besondere Weise zu beunruhigen, und nur mit Mühe erhielt sie es über sich, mir wie den ändern ein paar freundliche Worte zuzuwerfen. Bei den Damen, die sie umgaben, war ich glücklicher; mein Äußeres schien einen günstigen Eindruck gemacht zu haben, und indem ich mich oft in ihren Kreisen bewegte, gelang es mir bald, diejenige wunderliche Weltbildung zu erhalten, welche man Galanterie nennt und die in nichts anderm besteht, als die äußere körperliche Geschmeidigkeit, vermöge der man immer da, wo man steht oder geht, hinzupassen scheint, auch in die Unterhaltung zu übertragen. Es ist die sonderbare Gabe, über nichts mit bedeutenden Worten zu schwatzen und so den Weibern ein gewisses Wohlbehagen zu erregen, von dem, wie es entstanden, sie sich selbst nicht Rechenschaft geben können. Daß diese höhere und eigentliche Galanterie sich nicht mit plumpen Schmeicheleien abgeben kann, fließt aus dem Gesagten, wiewohl in jenem interessanten Geschwätz, das wie ein Hymnus der Angebeteten erklingt, eben das gänzliche Eingehen in ihr Innerstes liegt, so daß ihr eignes Selbst ihnen klar zu werden scheint und sie sich in dem Reflex ihres eignen Ichs mit Wohlgefallen spiegeln. – - Wer hätte nun noch den Mönch in mir erkennen sollen! – Der einzige mir gefährliche Ort war vielleicht nur noch die Kirche, in welcher es mir schwer wurde, jene klösterliche Andachtsübungen, die ein besonderer Rhythmus, ein besonderer Takt auszeichnet, zu vermeiden. Der Leibarzt war der einzige, der das Gepräge, womit alles wie gleiche Münze ausgestempelt war, nicht angenommen hatte, und dies zog mich zu ihm hin, so wie er sich deshalb an mich anschloß, weil ich, wie er recht gut wußte, anfangs die Opposition gebildet und meine freimütigen Äußerungen, die dem für kecke Wahrheit empfänglichen Fürsten eindrangen, das verhaßte Pharospiel mit einemmal verbannt hatten. So kam es denn, daß wir oft zusammen waren und bald über Wissenschaft und Kunst, bald über das Leben, wie es sich vor uns ausbreitete, sprachen. Der Leibarzt verehrte ebenso hoch die Fürstin als ich und versicherte, daß nur sie es sei, die manche Abgeschmacktheit des Fürsten abwende und diejenige sonderbare Art Langeweile, welche ihn auf der Oberfläche hin-und hertreibe, dadurch zu verscheuchen wisse, daß sie ihm oft ganz unvermerkt ein unschädliches Spielzeug in die Hände gebe. Ich unterließ nicht, bei dieser Gelegenheit mich zu beklagen, daß ich, ohne den Grund erforschen zu können, der Fürstin durch meine Gegenwart oft ein unausstehliches Mißbehagen zu erregen scheine. Der Leibarzt stand sofort auf und holte, da wir uns gerade in seinem Zimmer befanden, ein kleines Miniaturbild aus dem Schreibepult, welches er mir mit der Weisung, es recht genau zu betrachten, in die Hände gab. Ich tat es und erstaunte nicht wenig, als ich in den Zügen des Mannes, den das Bild darstellte, ganz die meinigen erkannte. Nur der Änderung der Frisur und der Kleidung, die nach verjährter Mode gemalt war, nur der Hinzufügung meines starken Backenbarts, dem Meisterstück Belcampos, bedurfte es, um das Bild ganz zu meinem Porträt zu machen. Ich äußerte dies unverhohlen dem Leibarzt. “Und eben diese Ähnlichkeit”, sagte er, “ist es, welche die Fürstin erschreckt und beunruhigt, sooft Sie in ihre Nähe kommen, denn Ihr Gesicht erneuert das Andenken einer entsetzlichen Begebenheit, die vor mehreren Jahren den Hof traf wie ein zerstörender Schlag. Der vorige Leibarzt, der vor einigen Jahren starb und dessen Zögling in der Wissenschaft ich bin, vertraute mir jenen Vorgang in der fürstlichen Familie und gab mir zugleich das Bild, welches den ehemaligen Günstling des Fürsten, Francesko, darstellt und zugleich, wie Sie sehen, rücksichts der Malerei ein wahres Meisterstück ist. Es rührt von dem wunderlichen fremden Maler her, der sich damals am Hofe befand und eben in jener Tragödie die Hauptrolle spielte.” – Bei der Betrachtung des Bildes regten sich gewisse verworrene Ahnungen in mir, die ich vergebens trachtete, klar aufzufassen. – Jene Begebenheit schien mir ein Geheimnis erschließen zu wollen, in das ich selbst verflochten war, und um so mehr drang ich in den Leibarzt, mir das zu vertrauen, welches zu erfahren mich die zufällige Ähnlichkeit mit Francesko zu berechtigen scheine. – “Freilich”, sagte der Leibarzt, “muß dieser höchst merkwürdige Umstand Ihre Neugierde nicht wenig aufregen, und so ungern ich eigentlich von jener Begebenheit sprechen mag, über die noch jetzt, für mich wenigstens, ein geheimnisvoller Schleier liegt, den ich auch weiter gar nicht lüften will, so sollen Sie doch alles erfahren, was ich davon weiß. Viele Jahre sind vergangen und die Hauptpersonen von der Bühne abgetreten, nur die Erinnerung ist es, welche feindselig wirkt. Ich bitte, gegen niemanden von dem, was Sie erfuhren, etwas zu äußern.” Ich versprach das, und der Arzt fing in folgender Art seine Erzählung an:
“Eben zu der Zeit, als unser Fürst sich vermählte, kam sein Bruder in Gesellschaft eines Mannes, den er Francesko nannte, unerachtet man wußte, daß er ein Deutscher war, sowie eines Malers von weiten Reisen zurück. Der Prinz war einer der schönsten Männer, die man gesehen, und schon deshalb stach er vor unserm Fürsten hervor, hätte er ihn auch nicht an Lebensfülle und geistiger Kraft übertroffen. – Er machte auf die junge Fürstin, die damals bis zur Ausgelassenheit lebhaft und der der Fürst viel zu formell, viel zu kalt war, einen seltenen Eindruck, und ebenso fand sich der Prinz von der jungen, bildschönen Gemahlin seines Bruders angezogen. Ohne an ein strafbares Verhältnis zu denken, mußten sie der unwiderstehlichen Gewalt nachgeben, die ihr inneres Leben, nur wie wechselseitig sich entzündend, bedingte, und so die Flamme nähren, die ihr Wesen in eins verschmolz. – Francesko allein war es, der in jeder Hinsicht seinem Freunde an die Seite gesetzt werden konnte, und so wie der Prinz auf die Gemahlin seines Bruders, so wirkte Francesko auf die ältere Schwester der Fürstin. Francesko wurde sein Glück bald gewahr, benutzte es mit durchdachter Schlauheit, und die Neigung der Prinzessin wuchs bald zur heftigsten, brennendsten Liebe. Der Fürst war von der Tugend seiner Gemahlin zu sehr überzeugt, um nicht alle hämische Zwischenträgerei zu verachten, wiewohl ihn das gespannte Verhältnis mit dem Bruder drückte; und nur dem Francesko, den er seines seltnen Geistes, seiner lebensklugen Umsicht halber liebgewonnen, war es möglich, ihn in gewissen Gleichmut zu erhalten. Der Fürst wollte ihn zu den ersten Hofstellen befördern, Francesko begnügte sich aber mit den geheimen Vorrechten des ersten Günstlings und mit der Liebe der Prinzessin. In diesen Verhältnissen bewegte sich der Hof, so gut es gehen wollte, aber nur die vier durch geheime Bande verknüpften Personen waren glücklich in dem Eldorado der Liebe, das sie sich gebildet und das anderen verschlossen. – Wohl mochte es der Fürst, ohne daß man es wußte, veranstaltet haben, daß mit vielem Pomp eine italienische Prinzessin am Hofe erschien, die früher dem Prinzen als Gemahlin zugedacht war und der er, als er auf der Reise sich am Hofe ihres Vaters befand,