Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann

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stürzte mit einem kleinen Messer in der Hand auf den Maler, aber noch ehe er ihn erreicht, sank er mit einem dumpfen Geheul ohnmächtig nieder, und der Maler verschwand hinter dem Pfeiler. Da erwachten alle wie aus einer Betäubung, man eilte Francesko zu Hilfe, er lag totenähnlich da. Um alles Aufsehen zu vermeiden, wurde er von den beiden vertrauten Männern in die Zimmer des Fürsten getragen. Als er aus der Ohnmacht erwachte, verlangte er heftig, daß man ihn entlasse in seine Wohnung, ohne eine einzige Frage des Fürsten über den geheimnisvollen Vorgang in der Kirche zu beantworten. Den ändern Morgen war Francesko aus der Residenz mit den Kostbarkeiten, die ihm die Gunst des Prinzen und des Fürsten zugewendet, entflohen. Der Fürst unterließ nichts, um dem Geheimnisse, dem gespenstischen Erscheinen des Malers auf die Spur zu kommen. Die Kapelle hatte nur zwei Eingänge, von denen einer aus den inneren Zimmern des Palastes nach den Logen neben dem Hochaltar, der andere hingegen aus dem breiten Hauptkorridor in das Schiff der Kapelle führte. Diesen Eingang hatte der Page bewacht, damit kein Neugieriger sich nahe, der andere war verschlossen, unbegreiflich blieb es daher, wie der Maler in der Kapelle erscheinen und wieder verschwinden können. – Das Messer, welches Francesko gegen den Maler gezückt, behielt er, ohnmächtig werdend, wie im Starrkrampf in der Hand, und der Page (derselbe, der an dem unglücklichen Vermählungsabende den Prinzen entkleidete und der nun die Türe der Kapelle bewachte) behauptete, es sei dasselbe gewesen, was damals neben dem Prinzen gelegen, da es seiner silbernen blinkenden Schale wegen sehr ins Auge falle. – Nicht lange nach diesen geheimnisvollen Begebenheiten kamen Nachrichten von der Prinzessin; an eben dem Tage, da Franceskos Vermählung vor sich gehen sollte, hatte sie einen Sohn geboren und war bald nach der Entbindung gestorben. – Der Fürst betrauerte ihren Verlust, wiewohl das Geheimnis der Brautnacht schwer auf ihr lag und in gewisser Art einen vielleicht ungerechten Verdacht gegen sie selbst erweckte. Der Sohn, die Frucht einer freveligen, verruchten Tat, wurde in entfernten Landen unter dem Namen des Grafen Viktorin erzogen. Die Prinzessin (ich meine die Schwester der Fürstin), im Innersten zerrissen von den schrecklichen Begebenheiten, die in so kurzer Zeit auf sie eindrangen, wählte das Kloster. Sie ist, wie es Ihnen bekannt sein wird, Äbtissin des Zisterzienserklosters in ***. – Ganz wunderbar und geheimnisvoll sich beziehend auf jene Begebenheiten an unserm Hofe ist nun aber ein Ereignis, das sich unlängst auf dem Schlosse des Barons F. zutrug und diese Familie so wie damals unsern Hof auseinanderwarf. – Die Äbtissin hatte nämlich, gerührt von dem Elende einer armen Frau, die mit einem kleinen Kinde auf der Pilgerfahrt von der heiligen Linde ins Kloster einkehrte, ihren –”

      Hier unterbrach ein Besuch die Erzählung des Leibarztes, und es gelang mir, den Sturm, der in mir wogte, zu verbergen. Klar stand es vor meiner Seele, Francesko war mein Vater, er hatte den Prinzen mit demselben Messer ermordet, mit dem ich Hermogen tötete! – Ich beschloß, in einigen Tagen nach Italien abzureisen und so endlich aus dem Kreise zu treten, in den mich die böse feindliche Macht gebannt hatte. Denselben Abend erschien ich im Zirkel des Hofes; man erzählte viel von einem herrlichen, bildschönen Fräulein, die als Hofdame in der Umgebung der Fürstin heute zum erstenmal erscheinen werde, da sie erst gestern angekommen.

      Die Flügeltüren öffneten sich, die Fürstin trat herein, mit ihr die Fremde. – Ich erkannte Aurelien.

      Zweiter Teil

       Inhaltsverzeichnis

      Erster Abschnitt

      Der Wendepunkt

       Inhaltsverzeichnis

      In wessen Leben ging nicht einmal das wunderbare, in tiefster Brust bewahrte Geheimnis der Liebe auf! – Wer du auch sein magst, der du künftig diese Blätter liesest, rufe dir jene höchste Sonnenzeit zurück, schaue noch einmal das holde Frauenbild, das, der Geist der Liebe selbst, dir entgegentrat. Da glaubtest du ja nur in ihr dich, dein höheres Sein zu erkennen. Weißt du noch, wie die rauschenden Quellen, die flüsternden Büsche, wie der kosende Abendwind von ihr, von deiner Liebe so vernehmlich zu dir sprachen? Siehst du es noch, wie die Blumen dich mit hellen freundlichen Augen anblickten, Gruß und Kuß von ihr bringend? – Und sie kam, sie wollte dein sein ganz und gar. Du umfingst sie voll glühenden Verlangens und wolltest, losgelöset von der Erde, auflodern in inbrünstiger Sehnsucht! – Aber das Mysterium blieb unerfüllt, eine finstre Macht zog stark und gewaltig dich zur Erde nieder, als du dich aufschwingen wolltest mit ihr zu dem fernen Jenseits, das dir verheißen. Noch ehe du zu hoffen wagtest, hattest du sie verloren, alle Stimmen, alle Töne waren verklungen, und nur die hoffnungslose Klage des Einsamen ächzte grauenvoll durch die düstre Einöde. – Du, Fremder! Unbekannter! hat dich je solch namenloser Schmerz zermalmt, so stimme ein m den trostlosen Jammer des ergrauten Mönchs, der, in finstrer Zelle der Sonnenzeit seiner Liebe gedenkend, das harte Lager mit blutigen Tränen netzt, dessen bange Todesseufzer in stiller Nacht durch die düstren Klostergänge hallen. Aber auch du, du mir im Innern Verwandter, auch du glaubst es, daß der Liebe höchste Seligkeit, die Erfüllung des Geheimnisses im Tode aufgeht. – So verkünden es uns die dunklen weissagenden Stimmen, die aus jener keinem irdischen Maßstab meßlichen Urzeit zu uns herübertönen, und wie in den Mysterien, die die Säuglinge der Natur feierten, ist uns ja auch der Tod das Weihfest der Liebe! Ein Blitz fuhr durch mein Innres, mein Atem stockte, die Pulse schlugen, krampfhaft zuckte das Herz, zerspringen wollte die Brust! – Hin zu ihr – hin zu ihr – sie an mich reißen in toller Liebeswut! – “Was widerstrebst du, Unselige! der Macht, die dich unauflöslich an mich gekettet? Bist du nicht mein! – mein immerdar?” Doch besser wie damals, als ich Aurelien zum erstenmal im Schlosse des Barons erblickte, hemmte ich den Ausbruch meiner wahnsinnigen Leidenschaft. Überdem waren aller Augen auf Aurelien gerichtet, und so gelang es mir, im Kreise gleichgültiger Menschen mich zu drehen und zu wenden, ohne daß irgendeiner mich sonderlich bemerkt oder gar angeredet hätte, welches mir unerträglich gewesen sein würde, da ich nur sie sehen – hören – denken wollte.

      Man sage nicht, daß das einfache Hauskleid das wahrhaft schöne Mädchen am besten ziere, der Putz der Weiber übt einen geheimnisvollen Zauber, dem wir nicht leicht widerstehen können. In ihrer tiefsten Natur mag es liegen, daß im Putz recht aus ihrem Innern heraus sich alles schimmernder und schöner entfaltet, wie Blumen nur dann vollendet sich darstellen, wenn sie in üppiger Fülle in bunten glänzenden Farben aufgebrochen. – Als du die Geliebte zum erstenmal geschmückt sahst, fröstelte da nicht ein unerklärlich Gefühl dir durch Nerv und Adern? – Sie kam dir so fremd vor, aber selbst das gab ihr einen unnennbaren Reiz. Wie durchbebten dich Wonne und namenlose Lüsternheit, wenn du verstohlen ihre Hand drücken konntest! – Aurelien hatte ich nie anders als im einfachen Hauskleide gesehen, heute erschien sie, der Hofsitte gemäß, in vollem Schmuck. – Wie schön sie war! Wie fühlte ich mich bei ihrem Anblick von unnennbarem Entzücken, von süßer Wollust durchschauert! – Aber da wurde der Geist des Bösen mächtig in mir und erhob seine Stimme, der ich williges Ohr lieh. “Siehst du es nun wohl, Medardus”, so flüsterte es mir zu, “siehst du es nun wohl, wie du dem Geschick gebietest, wie der Zufall, dir untergeordnet, nur die Faden geschickt verschlingt, die du selbst gesponnen?” – Es gab in dem Zirkel des Hofes Frauen, die für vollendet schön geachtet werden konnten, aber vor Aureliens das Gemüt tief ergreifendem Liebreiz verblaßte alles wie in unscheinbarer Farbe. Eine eigne Begeisterung regte die Trägsten auf, selbst den älteren Männern riß der Faden gewöhnlicher Hofkonversation, wo es nur auf Wörter ankommt, denen von außen her einiger Sinn anfliegt, jählings ab, und es war lustig, wie jeder mit sichtlicher Qual darnach rang, in Wort und Miene recht sonntagsmäßig vor der Fremden zu erscheinen. Aurelie nahm diese Huldigungen mit niedergeschlagenen Augen, in holder Anmut hoch errötend, auf; aber als nun der Fürst die älteren Männer um sich sammelte und mancher bildschöne Jüngling sich schüchtern mit freundlichen Worten Aurelien nahte, wurde sie sichtlich heitrer und unbefangener. Vorzüglich gelang es einem Major von der Leibgarde, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, so daß sie bald in lebhaftem

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