Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann

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vibrieren, so daß die Getäuschte in den fremden Tönen nur ihre eigne innere Musik zu hören glaubte. – Ich stand nicht fern von Aurelien, sie schien mich nicht zu bemerken – ich wollte hin zu ihr, aber wie mit eisernen Banden gefesselt, vermochte ich nicht, mich von der Stelle zu rühren. – Noch einmal den Major scharf anblickend, war es mir plötzlich, als stehe Viktorin bei Aurelien. Da lachte ich auf im grimmigen Hohn: “Hei! – Hei! Du Verruchter, hast du dich im Teufelsgrunde so weich gebettet, daß du in toller Brunst trachten magst nach der Buhlin des Mönchs?”

      Ich weiß nicht, ob ich diese Worte wirklich sprach, aber ich hörte mich selbst lachen und fuhr auf wie aus tiefem Traum, als der alte Hofmarschall, sanft meine Hand fassend, frug: “Worüber erfreuen Sie sich so, lieber Herr Leonard?” – Eiskalt durchbebte es mich!

      Waren das nicht die Worte des frommen Bruders Cyrill, der mich ebenso frug, als er bei der Einkleidung mein freveliges Lächeln bemerkte? – Kaum vermochte ich, etwas Unzusammenhängendes herzustammeln. Ich fühlte es, daß Aurelie nicht mehr in meiner Nähe war, doch wagte ich es nicht aufzublicken, ich rannte fort durch die erleuchteten Säle. Wohl mag mein ganzes Wesen gar unheimlich erschienen sein; denn ich bemerkte, wie mir alles scheu auswich, als ich die breite Haupttreppe mehr herabsprang als herabstieg.

      Ich mied den Hof, denn Aurelien ohne Gefahr, mein tiefstes Geheimnis zu verraten, wiederzusehen, schien mir unmöglich. Einsam lief ich durch Flur und Wald, nur sie denkend, nur sie schauend. Fester und fester wurde meine Oberzeugung, daß ein dunkles Verhängnis ihr Geschick in das meinige verschlungen habe und daß das, was mir manchmal als sündhafter Frevel erschienen, nur die Erfüllung eines ewigen unabänderlichen Ratschlusses sei. So mich ermutigend, lachte ich der Gefahr, die mir dann drohen könnte, wenn Aurelie in mir Hermogens Mörder erkennen sollte. Dies dünkte mir jedoch überdem höchst unwahrscheinlich. – Wie erbärmlich erschienen mir nun jene Jünglinge, die in eitlem Wahn sich um die bemühten, die so ganz und gar mein eigen worden, daß ihr leisester Lebenshauch nur durch das Sein in mir bedingt schien. – Was sind mir diese Grafen, diese Freiherren, diese Kammerherren, diese Offiziere in ihren bunten Röcken – in ihrem blinkenden Golde, ihren. schimmernden Orden anders als ohnmächtige, geschmückte Insektlein, die ich, wird mir das Volk lästig, mit kräftiger Faust zermalme. – In der Kutte will ich unter sie treten, Aurelien bräutlich geschmückt in meinen Armen, und diese stolze, feindliche Fürstin soll selbst das Hochzeitslager bereiten dem siegenden Mönch, den sie verachtet. – In solchen Gedanken arbeitend, rief ich oft laut Aureliens Namen und lachte und heulte wie ein Wahnsinniger. Aber bald legte sich der Sturm. Ich wurde ruhiger und fähig, darüber Entschlüsse zu fassen, wie ich nun mich Aurelien nähern wollte. – Eben schlich ich eines Tages durch den Park, nachsinnend, ob es ratsam sei, die Abendgesellschaft zu besuchen, die der Fürst ansagen lassen, als man von hinten her auf meine Schulter klopfte. Ich wandte mich um, der Leibarzt stand vor mir. “Erlauben Sie mir Ihren werten Puls!” fing er sogleich an und griff, starr mir ins Auge blickend, nach meinem Arm. “Was bedeutet das?” frug ich erstaunt. “Nicht viel”, fuhr er fort, “es soll hier still und heimlich einige Tollheit umherschleichen, die die Menschen recht banditenmäßig überfällt und ihnen eins versetzt, daß sie leicht aufkreischen müssen, klingt das auch zuweilen nur wie ein unsinnig Lachen. Indessen kann alles auch nur ein Phantasma oder jener tolle Teufel nur ein gelindes Fieber mit steigender Hitze sein, darum erlauben Sie Ihren werten Puls, Liebster!” –“Ich versichre Sie, mein Herr! daß ich von dem allen kein Wort verstehe!” So fiel ich ein, aber der Leibarzt hatte meinen Arm gefaßt und zählte den Puls mit zum Himmel gerichtetem Blick – eins – zwei, drei. – Mir war sein wunderliches Betragen rätselhaft, ich drang in ihn, mir doch nur zu sagen, was er eigentlich wolle. “Sie wissen also nicht, werter Herr Leonard, daß Sie neulich den ganzen Hof in Schrecken und Bestürzung gesetzt haben? – Die Oberhofmeisterin leidet bis dato an Krämpfen, und der Konsistorialpräsident versäumt die wichtigsten Sessionen, weil es Ihnen beliebt hat, über seine podagrischen Füße wegzurennen, so daß er, im Lehnstuhl sitzend, noch über mannigfache Stiche beträchtlich brüllt! – Das geschah nämlich, als Sie, wie von einiger Tollheit heimgesucht, aus dem Saale stürzten, nachdem sie ohne merkliche Ursache so aufgelacht hatten, daß allen ein Grausen ankam und sich die Haare sträubten!” – In dem Augenblick dachte ich an den Hofmarschall und meinte, daß ich mich nun wohl erinnere, in Gedanken laut aufgelacht zu haben, um so weniger könne das aber von solch wunderlicher Wirkung gewesen sein, als der Hofmarschall mich ja ganz sanft gefragt hätte, worüber ich mich so erfreue. “Ei, Ei!” – fuhr der Leibarzt fort, “das will nichts bedeuten, der Hofmarschall ist solch ein homo impavidus, der sich aus dem Teufel selbst nichts macht. Er blieb in seiner ruhigen Dolcezza, obgleich erwähnter Konsistorialpräsident wirklich meinte, der Teufel habe aus Ihnen, mein Teurer! auf seine Weise gelächelt, und unsere schöne Aurelie von solchem Grausen und Entsetzen ergriffen wurde, daß alle Bemühungen der Herrschaft, sie zu beruhigen, vergebens blieben und sie bald die Gesellschaft verlassen mußte, zur Verzweiflung sämtlicher Herren, denen sichtlich das Liebesfeuer aus den exaltierten Toupets dampfte! In dem Augenblick, als Sie, werter Herr Leonard, so lieblich lachten, soll Aurelie mit schneidendem, in das Herz dringenden Ton: >Hermogen!< gerufen haben. Ei, Ei! was mag das bedeuten? – Das könnten Sie vielleicht wissen –Sie sind überhaupt ein lieber, lustiger, kluger Mann, Herr Leonard, und es ist mir nicht unlieb, daß ich Ihnen Franceskos merkwürdige Geschichte anvertraut habe, das muß recht lehrreich für Sie werden!” – Immerfort hielt der Leibarzt meinen Arm fest und sah mir starr in die Augen. – “Ich weiß”, sagte ich, mich ziemlich unsanft losmachend, “ich weiß Ihre wunderliche Reden nicht zu deuten, mein Herr, aber ich muß gestehen, daß, als ich Aurelien von den geschmückten Herren umlagert sah, denen, wie Sie witzig bemerken, das Liebesfeuer aus den exaltierten Toupets dampfte, mir eine sehr bittre Erinnerung aus meinem früheren Leben durch die Seele fuhr und daß ich, von recht grimmigem Hohn über mancher Menschen töricht Treiben ergriffen, unwillkürlich hell auflachen mußte. Es tut mir leid, daß ich, ohne es zu wollen, so viel Unheil angerichtet habe, und ich büße dafür, indem ich mich selbst auf einige Zeit vom Hofe verbanne. Mag mir die Fürstin, mag mir Aurelie verzeihen.” “Ei, mein lieber Herr Leonard”, versetzte der Leibarzt, “man hat ja wohl wunderliche Anwandlungen, denen man leicht widersteht, wenn man sonst nur reinen Herzens ist.” – “Wer darf sich dessen rühmen hienieden?” frug ich dumpf in mich hinein. Der Leibarzt änderte plötzlich Blick und Ton. “Sie scheinen mir”, sprach er milde und ernst, “Sie scheinen mir aber doch wirklich krank. – Sie sehen blaß und verstört aus – Ihr Auge ist eingefallen und brennt seltsam in rötlicher Glut … Ihr Puls geht fieberhaft … Ihre Sprache klingt dumpf … soll ich Ihnen etwas aufschreiben?” – “Gift!” sprach ich kaum vernehmbar. – “Ho ho!” rief der Leibarzt, “steht es so mit Ihnen? Nun, nun, statt des Gifts das niederschlagende Mittel zerstreuender Gesellschaft. – Es kann aber auch sein, daß … Wunderlich ist es aber doch … vielleicht –” “Ich bitte Sie, mein Herr!” rief ich ganz erzürnt, “ich bitte Sie, mich nicht mit abgebrochenen, unverständlichen Reden zu quälen, sondern lieber geradezu alles …” – “Halt!” unterbrach mich der Leibarzt, “halt … es gibt die wunderlichsten Täuschungen, mein Herr Leonard, beinahe ist’s mir gewiß, daß man auf augenblicklichen Eindruck eine Hypothese gebaut hat, die vielleicht in wenigen Minuten in nichts zerfällt. Dort kommt die Fürstin mit Aurelien, nützen Sie dieses zufällige Zusammentreffen, entschuldigen Sie Ihr Betragen … Eigentlich … mein Gott! eigentlich haben Sie ja auch nur gelacht … freilich auf etwas wunderliche Weise, wer kann aber dafür, daß schwachnervige Personen darüber erschrecken. Adieu!”

      Der Leibarzt sprang mit der ihm eignen Behendigkeit davon. Die Fürstin kam mit Aurelien den Gang herab. – Ich erbebte. – Mit aller Gewalt raffte ich mich zusammen. Ich fühlte nach des Leibarztes geheimnisvollen Reden, daß es nun galt, mich auf der Stelle zu behaupten. Keck trat ich den Kommenden entgegen. Als Aurelie mich ins Auge faßte, sank sie mit einem dumpfen Schrei wie tot zusammen, ich wollte hinzu, mit Abscheu und Entsetzen winkte mich die Fürstin fort, laut um Hülfe rufend. Wie von Furien und Teufeln gepeitscht, rannte ich fort durch den Park. Ich schloß mich in meine Wohnung ein und warf mich, vor Wut und Verzweiflung knirschend, aufs Lager! – Der Abend kam, die Nacht brach ein, da hörte ich die Haustüre aufschließen, mehrere Stimmen murmelten und flüsterten

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