Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann страница 184
Ich fühlte wohl, daß, solange ich mich in Rom befände, mein Leben in steter Gefahr bleiben müsse, aber zu dem peinigenden Andenken an alle begangene Frevel, das die strengste Buße nicht zu vertilgen vermocht hatte, gesellte sich der körperliche empfindliche Schmerz des abwelkenden Armes, und so achtete ich ein qualvolles, sieches Dasein nicht, das ich durch einen schnell mir gegebenen Tod wie eine drückende Bürde fahren lassen konnte. Immer mehr gewöhnte ich mich an den Gedanken, eines gewaltsamen Todes zu sterben, und er erschien mir bald sogar als ein glorreiches, durch meine strenge Buße erworbenes Märtyrertum. Ich sah mich selbst, wie ich zu den Pforten des Klosters hinausschritt und wie eine finstere Gestalt mich schnell mit einem Dolch durchbohrte. Das Volk versammelte sich um den blutigen Leichnam – “Medardus – der fromme büßende Medardus ist ermordet!” – So rief man durch die Straßen, und dichter und dichter drängten sich die Menschen, laut wehklagend um den Entseelten. – Weiber knieten nieder und trockneten mit weißen Tüchern die Wunde, aus der das Blut hervorquoll. Da sieht eine das Kreuz an meinem Halse, laut schreit sie auf: “Er ist ein Märtyrer, ein Heiliger – seht hier das Zeichen des Herrn, das er am Halse trägt!” – Da wirft sich alles auf die Knie. – Glücklich, der den Körper des Heiligen berühren, der nur sein Gewand erfassen kann! – Schnell ist eine Bahre gebracht, der Körper hinaufgelegt, mit Blumen bekränzt, und im Triumphzuge unter lautem Gesang und Gebet tragen ihn Jünglinge nach St. Peter! – So arbeitete meine Phantasie ein Gemälde aus, das meine Verherrlichung hienieden mit lebendigen Farben darstellte, und nicht gedenkend, nicht ahnend, wie der böse Geist des sündlichen Stolzes mich auf neue Weise zu verlocken trachte, beschloß ich, nach meiner völligen Genesung in Rom zu bleiben, meine bisherige Lebensweise fortzusetzen und so entweder glorreich zu sterben oder, durch den Papst meinen Feinden entrissen, emporzusteigen zu hohen Würden der Kirche. – Meine starke, lebenskräftige Natur ließ mich endlich den namenlosen Schmerz ertragen und widerstand der Einwirkung des höllischen Safts, der von außen her mein Inneres zerrütten wollte. Der Arzt versprach meine baldige Herstellung, und in der Tat empfand ich nur in den Augenblicken jenes Delirierens, das dem Einschlafen vorherzugehen pflegt, fieberhafte Anfälle, die mit kalten Schauern und fliegender Hitze wechselten. Gerade in diesen Augenblicken war es, als ich, ganz erfüllt von dem Bilde meines Martyriums, mich selbst, wie es schon oft geschehen, durch einen Dolchstich in der Brust ermordet schaute. Doch statt daß ich mich sonst gewöhnlich auf dem spanischen Platz niedergestreckt und bald von einer Menge Volks, die meine Heiligsprechung verbreitete, umgeben sah, lag ich einsam in einem Laubgange des Klostergartens in B. – Statt des Blutes quoll ein ekelhafter farbloser Saft aus der weit aufklaffenden Wunde, und eine Stimme sprach: “Ist das Blut vom Märtyrer vergossen? – Doch ich will das unreine Wasser klären und färben, und dann wird das Feuer, welches über das Licht gesiegt, ihn krönen!” Ich war es, der dies gesprochen; als ich mich aber von meinem toten Selbst getrennt fühlte, merkte ich wohl, daß ich der wesenlose Gedanke meines Ichs sei, und bald erkannte ich mich als das im Äther schwimmende Rot. Ich schwang mich auf zu den leuchtenden Bergspitzen – ich wollte einziehn durch das Tor goldner Morgenwolken in die heimatliche Burg, aber Blitze durchkreuzten, gleich im Feuer auflodernden Schlangen, das Gewölbe des Himmels, und ich sank herab, ein feuchter, farbloser Nebel. “Ich – ich”, sprach der Gedanke, “ich bin es, der Eure Blumen – Euer Blut färbt – Blumen und Blut sind Euer Hochzeitschmuck, den ich bereite!” – Sowie ich tiefer und tiefer niederfiel, erblickte ich die Leiche mit weit aufklaffender Wunde in der Brust, aus der jenes unreine Wasser in Strömen floß. Mein Hauch sollte das Wasser umwandeln in Blut, doch geschah es nicht, die Leiche richtete sich auf und starrte mich an mit hohlen, gräßlichen Augen und heulte wie der Nordwind in tiefer Kluft: “Verblendeter, törichter Gedanke, kein Kampf zwischen Licht und Feuer, aber das Licht ist die Feuertaufe durch das Rot, das du zu vergiften trachtest.” – Die Leiche sank nieder; alle Blumen auf der Flur neigten verwelkt ihre Häupter, Menschen, bleichen Gespenstern ähnlich, warfen sich zur Erde, und ein tausendstimmiger trostloser Jammer stieg in die Lüfte: “O Herr, Herr! ist so unermeßlich die Last unsrer Sünde, daß du Macht gibst dem Feinde, unseres Blutes Sühnopfer zu ertöten?” Stärker und stärker, wie des Meeres brausende Welle, schwoll die Klage! – Der Gedanke wollte zerstäuben in dem gewaltigen Ton des trostlosen Jammers, da wurde ich wie durch einen elektrischen Schlag emporgerissen