Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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der den armen Cyrillus treffen sollte. Er berichtete dem Papst, daß es auf nichts Geringeres abgesehen sei, als auf eine heimliche Verschwörung, die ihn der Kirche als unwürdig der dreifachen Krone darstellen sollte; Cyrillus habe den Auftrag, ihn dahin zu bringen, daß er irgendeine öffentliche Bußübung vornehme, welche dann als Signal des förmlichen, unter den Kardinalen gärenden Aufstandes dienen würde. Jetzt fand der Papst in den salbungsvollen Reden unseres Bruders die versteckte Absicht leicht heraus, der Alte wurde ihm tief verhaßt, und um nur irgendeinen auffallenden Schritt zu vermeiden, litt er ihn noch in seiner Nähe. Als Cyrillus wieder einmal Gelegenheit fand, zu dem Papst ohne Zeugen zu sprechen, sagte er geradezu, daß der, der den Lüsten der Welt nicht ganz entsage, der nicht einen wahrhaft heiligen Wandel führe, ein unwürdiger Statthalter des Herrn und der Kirche eine Schmach und Verdammnis bringende Last sei, von der sie sich befreien müsse. Bald darauf, und zwar nachdem man Cyrillus aus den innern Kammern des Papstes treten gesehen, fand man das Eiswasser, welches der Papst zu trinken pflegte, vergiftet. Daß Cyrillus unschuldig war, darf ich dir, der du den frommen Greis gekannt hast, nicht versichern. Doch überzeugt war der Papst von seiner Schuld und der Befehl, den fremden Mönch bei den Dominikanern heimlich hinzurichten, die Folge davon. Du warst in Rom eine auffallende Erscheinung; die Art, wie du dich gegen den Papst äußertest, vorzüglich die Erzählung deines Lebenslaufs, ließ ihn eine gewisse geistige Verwandtschaft zwischen ihm und dir finden; er glaubte, sich mit dir zu einem höhern Standpunkt erheben und in sündhaftem Vernünfteln über alle Tugend und Religion recht erlaben und erkräftigen zu können, um, wie ich wohl sagen mag, mit rechter Begeisterung für die Sünde zu sündigen. Deine Bußübungen waren ihm nur ein recht klug angelegtes heuchlerisches Bestreben, zum höheren Zweck zu gelangen. Er bewunderte dich und sonnte sich in den glänzenden, lobpreisenden Reden, die du ihm hieltst. So kam es, daß du, ehe der Dominikaner es ahnte, dich erhobst und der Rotte gefährlicher wurdest, als es Cyrillus jemals werden konnte. – Du merkst, Medardus! daß ich von deinem Beginnen in Rom genau unterrichtet bin; daß ich jedes Wort weiß, welches du mit dem Papst sprachst, und darin liegt weiter nichts Geheimnisvolles, wenn ich dir sage, daß das Kloster in der Nähe Sr. Heiligkeit einen Freund hat, der mir genau alles berichtete. Selbst als du mit dem Papst allein zu sein glaubtest, war er nahe genug, um jedes Wort zu verstehen. – Als du in dem Kapuzinerkloster, dessen Prior mir nahe verwandt ist, deine strenge Bußübungen begannst, hielt ich deine Reue für echt. Es war auch wohl dem so, aber in Rom erfaßte dich der böse Geist des sündhaften Hochmuts, dem du bei uns erlagst, aufs neue. Warum klagtest du dich gegen den Papst Verbrechen an, die du niemals begingst? – Warst du denn jemals auf dem Schlosse des Barons von F.?” – “Ach! mein ehrwürdiger Vater”, rief ich, von innerm Schmerz zermalmt, “das war ja der Ort meiner entsetzlichsten Frevel! – Das ist aber die härteste Strafe der ewigen unerforschlichen Macht, daß ich auf Erden nicht gereinigt erscheinen soll von der Sünde, die ich in wahnsinniger Verblendung beging? – Auch Euch, mein ehrwürdiger Vater, bin ich ein sündiger Heuchler?” – “In der Tat”, fuhr der Prior fort, “bin ich jetzt, da ich dich sehe und spreche, beinahe überzeugt, daß du nach deiner Buße der Lüge nicht mehr fähig warst, dann aber waltet noch ein mir bis jetzt unerklärliches Geheimnis ob. Bald nach deiner Flucht aus der Residenz (der Himmel wollte den Frevel nicht, den du zu begehen im Begriff standest, er errettete die fromme Aurelie), bald nach deiner Flucht, sage ich, und nachdem der Mönch, den selbst Cyrillus für dich hielt, wie durch ein Wunder sich gerettet hatte, wurde es bekannt, daß nicht du, sondern der als Kapuziner verkappte Graf Viktorin auf dem Schlosse des Barons gewesen war. Briefe, die sich in Euphemiens Nachlaß fanden, hatten dies zwar schon früher kundgetan, man hielt aber Euphemien selbst für getäuscht, da Reinhold versicherte, er habe dich zu genau gekannt, um selbst bei deiner treuesten Ähnlichkeit mit Viktorin getäuscht zu werden. Euphemiens Verblendung blieb unbegreiflich. Da erschien plötzlich der Reitknecht des Grafen und erzählte, wie der Graf, der seit Monaten im Gebürge einsam gelebt und sich den Bart wachsen lassen, ihm in dem Walde, und zwar bei dem sogenannten Teufelsgrunde, plötzlich als Kapuziner gekleidet erschienen sei. Obgleich er nicht gewußt, wo der Graf die Kleider hergenommen, so sei ihm doch die Verkleidung weiter nicht aufgefallen, da er von dem Anschlage des Grafen, im Schlosse des Barons in Mönchshabit zu erscheinen, denselben ein ganzes Jahr zu tragen und so auch wohl noch höhere Dinge auszuführen, unterrichtet gewesen. Geahnt habe er wohl, wo der Graf zum Kapuzinerrock gekommen sei, da er den Tag vorher gesagt, wie er einen Kapuziner im Dorfe gesehen und von ihm, wandere er durch den Wald, seinen Rock auf diese oder jene Weise zu bekommen hoffe. Gesehen habe er den Kapuziner nicht, wohl aber einen Schrei gehört, bald darauf sei auch im Dorf von einem im Walde ermordeten Kapuziner die Rede gewesen. Zu genau habe er seinen Herrn gekannt, zu viel mit ihm noch auf der Flucht aus dem Schlosse gesprochen, als daß hier eine Verwechselung stattfinden könne. – Diese Aussage des Reitknechts entkräftete Reinholds Meinung, und nur Viktorins gänzliches Verschwinden blieb unbegreiflich. Die Fürstin stellte die Hypothese auf, daß der vorgebliche Herr von Krczynski aus Kwiecziczewo eben der Graf Viktorin gewesen sei, und stützte sich auf seine merkwürdige, ganz auffallende Ähnlichkeit mit Francesko, an dessen Schuld längst niemand zweifelte, sowie auf die Motion, die ihr jedesmal sein Anblick verursacht habe. Viele traten ihr bei und wollten, im Grunde genommen, viel gräflichen Anstand an jenem Abenteurer bemerkt haben, den man lächerlicherweise für einen verkappten Mönch gehalten. Die Erzählung des Försters von dem wahnsinnigen Mönch, der im Walde hausete und zuletzt von ihm aufgenommen wurde, fand nun auch ihren Zusammenhang mit der Untat Viktorins, sobald man nur einige Umstände als wahr voraussetzte. – Ein Bruder des Klosters, in dem Medardus gewesen, hatte den wahnsinnigen Mönch ausdrücklich für den Medardus erkannt, er mußte es also wohl sein. Viktorin hatte ihn in den Abgrund gestürzt; durch irgendeinen Zufall, der gar nicht unerhört sein durfte, wurde er errettet. Aus der Betäubung erwacht, aber schwer am Kopfe verwundet, gelang es ihm, aus dem Grabe heraufzukriechen. Der Schmerz der Wunde, Hunger und Durst machten ihn wahnsinnig – rasend! – So lief er durch das Gebürge, vielleicht von einem mitleidigen Bauer hin und wieder gespeiset und mit Lumpen behangen, bis er in die Gegend der Försterwohnung kam. Zwei Dinge bleiben hier aber unerklärbar, nämlich wie Medardus eine solche Strecke aus dem Gebürge laufen konnte, ohne angehalten zu werden, und wie er, selbst in den von Ärzten bezeugten Augenblicken des vollkommensten, ruhigsten Bewußtseins, sich zu Untaten bekennen konnte, die er nie begangen. Die, welche die Wahrscheinlichkeit jenes Zusammenhangs der Sache verteidigten, bemerkten, daß man ja von den Schicksalen des aus dem Teufelsgrunde erretteten Medardus gar nichts wisse; es sei ja möglich, daß sein Wahnsinn erst ausgebrochen, als er auf der Pilgerreise in der Gegend der Försterwohnung sich befand. Was aber das Zugeständnis der Verbrechen, deren er beschuldigt, belange, so sondern, anscheinend bei Verstande, doch immer wahnsinnig geblieben wäre. Daß er die ihm angeschuldigten Mordtaten wirklich begangen, dieser Gedanke habe sich zur fixen Idee umgestaltet. – Der Kriminalrichter, auf dessen Sagazität man sehr baute, sprach, als man ihn um seine Meinung frug: >Der vorgebliche Herr von Krczynski war kein Pole und auch kein Graf, der Graf Viktorin gewiß nicht, aber unschuldig auch keinesweges – der Mönch blieb wahnsinnig und unzurechnungsfähig in jedem Fall, deshalb das Kriminalgericht auch nur auf seine Einsperrung als Sicherheitsmaßregel erkennen konnten – Dieses Urteil durfte der Fürst nicht hören, denn er war es allein, der, tief ergriffen von den Freveln auf dem Schlosse des Barons, jene von dem Kriminalgericht in Vorschlag gebrachte Einsperrung in die Strafe des Schwerts umwandelte. – Wie aber alles in diesem elenden vergänglichen Leben, sei es Begebenheit oder Tat, noch so ungeheuer im ersten Augenblick erscheinend, sehr bald Glanz und Farbe verliert, so geschah es auch, daß das, was in der Residenz und vorzüglich am Hofe Schauer und Entsetzen erregt hatte, herabsank bis zur ärgerlichen Klatscherei. Jene Hypothesee, daß Aureliens entflohener Bräutigam Graf Viktorin gewesen, brachte die Geschichte der Italienerin in frisches Andenken, selbst die früher nicht Unterrichteten wurden von denen, die nun nicht mehr schweigen zu dürfen glaubten, aufgeklärt, und jeder, der den Medardus gesehen, fand es natürlich, daß seine Gesichtszüge vollkommen denen des Grafen Viktorin glichen, da sie Söhne eines Vaters waren. Der Leibarzt war überzeugt, daß die Sache sich so verhalten mußte, und sprach zum Fürsten: “Wir wollen froh sein, gnädigster Herr! daß beide unheimliche Gesellen fort sind, und es bei der ersten vergeblich gebliebenen Verfolgung bewenden lassen.< – Dieser Meinung trat der Fürst aus dem Grunde seines Herzens bei, denn er fühlte wohl, wie der doppelte Medardus ihn von einem Mißgriff zum ändern verleitet hatte. >Die Sache wird geheimnisvoll

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