Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann

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zu vollbringen.” Ich weiß selbst nicht, wie ich dazu kam, die letzten Worte, die außer meiner Ideenreihe lagen, zu sprechen, aber mit ihnen drängten sich im bunten Gewirr Bilder durcheinander, die nur im Entsetzlichsten sich zu einen schienen. – Aurelie sollte auf immer die Welt verlassen, sie sollte, wie ich, durch ein Gelübde, das mir jetzt nur die Ausgeburt des religiösen Wahnsinns schien, dem Irdischen entsagen? – So wie ehemals, als ich, dem Satan verkauft, in Sünde und Frevel den höchsten, strahlendsten Lichtpunkt des Lebens zu schauen wähnte, dachte ich jetzt daran, daß beide, ich und Aurelie, im Leben, sei es auch nur durch den einzigen Moment des höchsten irdischen Genusses, vereint und dann als der unterirdischen Macht Geweihte sterben müßten. – Ja, wie ein gräßlicher Unhold, wie der Satan selbst ging der Gedanke des Mordes mir durch die Seele! – Ach, ich Verblendeter gewahrte nicht, daß in dem Moment, als ich der Äbtissin Worte auf mich deutete, ich preisgegeben war der vielleicht härtesten Prüfung, daß der Satan Macht bekommen über mich und mich verlocken wollte zu dem Entsetzlichsten, das ich noch begangen! Der Bruder, zu dem ich gesprochen, sah mich erschrocken an: “Um Jesus und der heiligen Jungfrau willen, was sagt Ihr da!” so sprach er; ich schaute nach der Äbtissin, die im Begriff stand, den Saal zu verlassen, ihr Blick fiel auf mich, totenbleich starrte sie mich an, sie wankte, die Nonnen mußten sie unterstützen. Es war mir, als lisple sie die Worte: “O all ihr Heiligen, meine Ahnung.” Bald darauf wurde der Prior Leonardus zu ihr gerufen. Schon läuteten aufs neue alle Glocken des Klosters, und dazwischen tönten die donnernden Töne der Orgel, die Weihgesänge der im Chor versammelten Schwestern durch die Lüfte, als der Prior wieder in den Saal trat. Nun begaben sich die Brüder der verschiedenen Orden in feierlichem Zuge nach der Kirche, die von Menschen beinahe so überfüllt war, als sonst am Tage des heiligen Bernardus. An einer Seite des mit duftenden Rosen geschmückten Hochaltars waren erhöhte Sitze für die Geistlichkeit angebracht, der Tribüne gegenüber, auf welcher die Kapelle des Bischofs die Musik des Amts, welches er selbst hielt, ausführte. Leonardus rief mich an seine Seite, und ich bemerkte, daß er ängstlich auf mich wachte; die kleinste Bewegung erregte seine Aufmerksamkeit; er hielt mich an, fortwährend aus meinem Brevier zu beten. Die Klaren-Nonnen versammelten sich in dem mit einem niedrigen Gitter eingeschlossenen Platz dicht vor dem Hochaltar, der entscheidende Augenblick kam; aus dem Innern des Klosters, durch die Gittertüre hinter dem Altar führten die Zisterzienser-Nonnen Aurelien herbei. – Ein Geflüster rauschte durch die Menge, als sie sichtbar worden, die Orgel schwieg, und der einfache Hymnus der Nonnen erklang in wunderbaren, tief ins Innerste dringenden Akkorden. Noch hatte ich keinen Blick aufgeschlagen; von einer furchtbaren Angst ergriffen, zuckte ich krampfhaft zusammen, so daß mein Brevier zur Erde fiel. Ich bückte mich darnach, es aufzuheben, aber ein plötzlicher Schwindel hätte mich von dem hohen Sitz herabgestürzt, wenn Leonardus mich nicht faßte und festhielt. “Was ist dir, Medardus”, sprach der Prior leise, “du befindest dich in seltsamer Bewegung, widerstehe dem bösen Feinde, der dich treibt.” Ich faßte mich mit aller Gewalt zusammen, ich schaute auf und erblickte Aurelien, vor dem Hochaltar kniend. O Herr des Himmels, in hoher Schönheit und Anmut strahlte sie mehr als je! Sie war bräutlich – ach! ebenso wie an jenem verhängnisvollen Tage, da sie mein werden sollte, gekleidet. Blühende Myrten und Rosen im künstlich geflochtenen Haar. Die Andacht, das Feierliche des Moments hatte ihre Wangen höher gefärbt, und in dem zum Himmel gerichteten Blick lag der volle Ausdruck himmlischer Lust. Was waren jene Augenblicke, als ich Aurelien zum erstenmal, als ich sie am Hofe des Fürsten sah, gegen dieses Wiedersehen. Rasender als jemals flammte in mir die Glut der Liebe – der wilden Begier auf – “O Gott – o, all ihr Heiligen! laßt mich nicht wahnsinnig werden, nur nicht wahnsinnig – rettet mich, rettet mich von dieser Pein der Hölle – Nur nicht wahnsinnig laßt mich werden – denn das Entsetzliche muß ich sonst tun und meine Seele preisgeben der ewigen Verdammnis!” – So betete ich im Innern, denn ich fühlte, wie immer mehr und mehr der böse Geist über mich Herr werden wollte. – Es war mir, als habe Aurelie teil an dem Frevel, den ich nur beging, als sei das Gelübde, das sie zu leisten gedachte, in ihren Gedanken nur der feierliche Schwur, vor dem Altar des Herrn mein zu sein. – Nicht die Christusbraut, des Mönchs, der sein Gelübde brach, verbrecherisches Weib sah ich in ihr. –Sie mit aller Inbrunst der wütenden Begier umarmen und dann ihr den Tod geben – der Gedanke erfaßte mich unwiderstehlich. Der böse Geist trieb mich wilder und wilder – schon wollte ich schreien: “Haltet ein, verblendete Toren! nicht die von irdischem Triebe reine Jungfrau, die Braut des Mönchs wollt ihr erheben zur Himmelsbraut!” – mich hinabstürzen unter die Nonnen, sie herausreißen – ich faßte in die Kutte, ich suchte nach dem Messer, da war die Zeremonie so weit gediehen, daß Aurelie anfing, das Gelübde zu sprechen. – Als ich ihre Stimme hörte, war es, als bräche milder Mondesglanz durch die schwarzen, von wildem Sturm gejagten Wetterwolken. Licht wurde es in mir, und ich erkannte den bösen Geist, dem ich mit aller Gewalt widerstand. – Jedes Wort Aureliens gab mir neue Kraft, und im heißen Kampf wurde ich bald Sieger. Entflohen war jeder schwarze Gedanke des Frevels, jede Regung der irdischen Begier. – Aurelie war die fromme Himmelsbraut, deren Gebet mich retten konnte von ewiger Schmach und Verderbnis. – Ihr Gelübde war mein Trost, meine Hoffnung, und hell ging in mir die Heiterkeit des Himmels auf. Leonardus, den ich nun erst wieder bemerkte, schien die Änderung in meinem Innern wahrzunehmen, denn mit sanfter Stimme sprach er: “Du hast dem Feinde widerstanden, mein Sohn! Das war wohl die letzte schwere Prüfung, die dir die ewige Macht auferlegt!” Das Gelübde war gesprochen; während eines Wechselgesanges, den die Klaren-Schwestern anstimmten, wollte man Aurelien das Nonnengewand anlegen. Schon hatte man die Myrten und Rosen aus dem Haar geflochten, schon stand man im Begriff, die herabwallenden Locken abzuschneiden, als ein Getümmel in der Kirche entstand – ich sah, wie die Menschen auseinandergedrängt und zu Boden geworfen wurden; – näher und näher wirbelte der Tumult. – Mit rasender Gebärde – mit wildem, entsetzlichen Blick drängte sich ein halbnackter Mensch (die Lumpen eines Kapuzinerrocks hingen ihm um den Leib), alles um sich her mit geballten Fäusten niederstoßend, durch die Menge. – Ich erkannte meinen gräßlichen Doppeltgänger, aber in demselben Moment, als ich, Entsetzliches ahnend, hinabspringen und mich ihm entgegenwerfen wollte, hatte der wahnsinnige Unhold die Galerie, die den Platz des Hochaltars einschloß, übersprungen. Die Nonnen stäubten schreiend auseinander; die Äbtissin hatte Aurelien fest in ihre Arme eingeschlossen. – “Ha ha ha! –” kreischte der Rasende mit gellender Stimme, “wollt ihr mir die Prinzessin rauben? – Ha ha ha! – Die Prinzessin ist mein Bräutchen, mein Bräutchen” – und damit riß er Aurelien empor und stieß ihr das Messer, das er hochgeschwungen in der Hand hielt, bis an das Heft in die Brust, daß des Blutes Springquell hoch emporspritzte. “Juchhe – Juch Juch – nun hab ich mein Bräutchen, nun hab ich die Prinzessin gewonnen!” – So schrie der Rasende auf und sprang hinter den Hochaltar, durch die Gittertüre fort in die Klostergänge. Voll Entsetzen kreischten die Nonnen auf. – “Mord – Mord am Altar des Herrn”, schrie das Volk, nach dem Hochaltar stürmend. “Besetzt die Ausgänge des Klosters, daß der Mörder nicht entkomme”, rief Leonardus mit lauter Stimme, und das Volk stürzte hinaus, und wer von den Mönchen rüstig war, ergriff die im Winkel stehenden Prozessionsstäbe und setzte dem Unhold nach durch die Gänge des Klosters. Alles war die Tat eines Augenblicks; bald kniete ich neben Aurelien, die Nonnen hatten mit weißen Tüchern die Wunde, so gut es gehen wollte, verbunden und standen der ohnmächtigen Äbtissin bei. Eine starke Stimme sprach neben mir: “Sancta Rosalia, ora pro nobis”, und alle, die noch in der Kirche geblieben, riefen laut: “Ein Mirakel – ein Mirakel, ja, sie ist eine Märtyrin. – Sancta Rosalia, ora pro nobis.” – Ich schaute auf. – Der alte Maler stand neben mir, aber ernst und mild, so wie er mir im Kerker erschien. – Kein irdischer Schmerz über Aureliens Tod, kein Entsetzen über die Erscheinung des Malers konnte mich fassen, denn in meiner Seele dämmerte es auf, wie nun die rätselhaften Schlingen, die die dunkle Macht geknüpft, sich lösten.

      “Mirakel, Mirakel!” schrie das Volk immerfort, “seht ihr wohl den alten Mann im violetten Mantel? – Der ist aus dem Bilde des Hochaltars herabgestiegen – ich habe es gesehen – ich auch – ich auch –” riefen mehrere Stimmen durcheinander, und nun stürzte alles auf die Knie nieder, und das verworrene Getümmel verbrauste und ging über in ein von heftigem Schluchzen und Weinen unterbrochenes Gemurmel des Gebets. Die Äbtissin erwachte aus der Ohnmacht und sprach mit dem herzzerschneidenden Ton des tiefen, gewaltigen Schmerzes: “Aurelie! – mein Kind!

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