Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann страница 188
Nein, es war nicht der wesenlose, entsetzliche Teufel des Wahnsinns, der hinter mir herrante, der, wie ein mich bis ins Innerste zerfleischendes Untier, aufhockte auf meinen Schultern; es war der entflohene wahnsinnige Mönch, der mich verfolgte, der endlich, als ich in tiefer Ohnmacht dalag, meine Kleider nahm und mir die Kutte überwarf. Er war es, der an der Klosterpforte lag, mich – mich selbst auf schauderhafte Weise darstellend! – Ich bat den Prior, nur fortzufahren in seiner Erzählung, da die Ahnung der Wahrheit, wie es sich mit mir auf die wunderbarste, geheimnisvollste Weise zugetragen, in mir aufdämmere. – “Nicht lange dauerte es”, erzählte der Prior weiter, “als sich bei dem Manne die deutlichsten, unzweifelhaftesten Spuren des unheilbaren Wahnsinns zeigten, und unerachtet, wie gesagt, die Züge seines Gesichts den deinigen auf das genaueste glichen, unerachtet er fortwährend rief: >Ich bin Medardus, der entlaufene Mönch, ich will Buße tun bei euch< – so war doch bald jeder von uns überzeugt, daß es fixe Idee des Fremden sei, sich für dich zu halten. Wir zogen ihm das Kleid der Kapuziner an, wir führten ihn in die Kirche, er mußte die gewöhnlichen Andachtsübungen vornehmen, und wie er dies zu tun sich bemühte, merkten wir bald, daß er niemals in einem Kloster gewesen sein könne. Es mußte mir wohl die Idee kommen: >Wie, wenn dies der aus der Residenz entsprungene Mönch, wie, wenn dieser Mönch Viktorin wäre?< – Die Geschichte, die der Wahnsinnige ehemals dem Förster aufgetischt hatte, war mir bekannt worden, indessen fand ich, daß alle Umstände, das Auffinden und Austrinken des Teufelselixiers, die Vision in dem Kerker, kurz, der ganze Aufenthalt im Kloster, wohl die durch deine auf seltsame psychische Weise einwirkende Individualität erzeugte Ausgeburt des erkrankten Geistes sein könne. Merkwürdig war es in dieser Hinsicht, daß der Mönch in bösen Augenblicken immer geschrieen hatte, er sei Graf und gebietender Herr! – Ich beschloß, den fremden Mann der Irrenanstalt zu St. Getreu zu übergeben, weil ich hoffen durfte, daß, wäre Wiederherstellung möglich, sie gewiß dem Direktor jener Anstalt, einem in jede Abnormität des menschlichen Organismus tief eindringenden, genialen Arzte, gelingen werde. Des Fremden Genesen wenigstens zum Teil enthüllen. – Es kam nicht dazu. In der dritten Nacht weckte mich die Glocke, die, wie du weißt, angezogen wird, sobald jemand im Krankenzimmer meines Beistandes bedarf. Ich trat hinein, man sagte mir, der Fremde habe eifrig nach mir verlangt und es scheine, als habe ihn der Wahnsinn gänzlich verlassen, wahrscheinlich wolle er beichten; denn er sei so schwach, daß er die Nacht wohl nicht überleben werde. >Verzeiht<, fing der Fremde an, als ich ihm mit frommen Worten zugesprochen, >verzeiht, ehrwürdiger Herr, daß ich Euch täuschen zu wollen mich vermaß. Ich bin nicht der Mönch Medardus, der Euerm Kloster entfloh. Den Grafen Viktorin seht Ihr vor Euch … Fürst sollte er heißen, denn aus fürstlichem Hause ist er entsprossen, und ich rate Euch, dies zu beachten, da sonst mein Zorn Euch treffen könnten – Sei er auch Fürst, erwiderte ich, so wäre dies in unsern Mauern und in seiner jetzigen Lage ohne alle Bedeutung und es schiene mir besser zu sein, wenn er sich abwende von dem Irdischen und in Demut erwarte, was die ewige Macht über ihn verhängt habe. – Er sah mich starr an, ihm schienen die Sinne zu vergehen, man gab ihm stärkende Tropfen, er erholte sich bald und sprach: >Es ist mir so, als müsse ich bald sterben und vorher mein Herz erleichtern. Ihr habt Macht über mich, denn so sehr Ihr Euch auch verstellen möget, merke ich doch wohl, daß Ihr der heilige Antonius seid und am besten wisset, was für Unheil Eure Elixiere angerichtet. Ich hatte wohl Großes im Sinne, als ich beschloß, mich als ein geistlicher Herr darzustellen mit großem Barte und brauner Kutte. Aber als ich so recht mit mir zu Rate ging, war es, als träten die heimlichsten Gedanken aus meinem Innern heraus und verpuppten sich zu einem körperlichen Wesen, das recht graulich doch mein Ich war. Dies zweite Ich hatte grimmige Kraft und schleuderte mich, als aus dem schwarzen Gestein des tiefen Abgrundes, zwischen sprudelndem, schaumigen Gewässer, die Prinzessin schneeweiß hervortrat, hinab. Die Prinzessin fing mich auf in ihren Armen und wusch meine Wunden aus, daß ich bald keinen Schmerz mehr fühlte. Mönch war ich nun freilich geworden, aber das Ich meiner Gedanken war stärker und trieb mich, daß ich die Prinzessin, die mich errettet und die ich sehr liebte, samt ihrem Bruder ermorden mußte. Man warf mich in den Kerker, aber Ihr wißt selbst, heiliger Antonius, auf welche Weise Ihr, nachdem ich Euern verfluchten Trank gesoffen, mich entführtet durch die Lüfte. Der grüne Waldkönig nahm mich schlecht auf, unerachtet er doch meine Fürstlichkeit kannte; das Ich meiner Gedanken erschien bei ihm und rückte mir allerlei Häßliches vor und wollte; weil wir doch alles zusammen getan, in Gemeinschaft mit mir bleiben. Das geschah auch, aber bald, als wir davonliefen, weil man uns den Kopf abschlagen wollte, haben wir uns doch entzweit. Als das lächerliche Ich indessen immer und ewig genährt sein wollte von meinem Gedanken, schmiß ich es nieder, prügelte es derb ab und nahm ihm seinen Rock.< – So weit waren die Reden des Unglücklichen einigermaßen verständlich, dann verlor er sich in das unsinnige alberne Gewäsch des höchsten Wahnsinns. Eine Stunde später, als das Frühamt eingeläutet wurde, fuhr er mit einem durchdringenden entsetzlichen Schrei auf und sank, wie es uns schien, tot nieder. Ich ließ ihn nach der Totenkammer bringen, er sollte in unserm Garten an geweihter Stätte begraben werden, du kannst dir aber wohl unser Erstaunen, unsern Schreck denken, als die Leiche, da wir sie hinaustragen und einsargen wollten, spurlos verschwunden