Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann страница 185
Ich vermied die Residenz des Fürsten, nicht weil ich fürchtete, erkannt zu werden und aufs neue dem Kriminalgericht in die Hände zu fallen, aber wie konnte ich ohne herzzerreißende Erinnerung den Ort betreten, wo ich in frevelnder Verkehrtheit nach einem irdischen Glück zu trachten mich vermaß, dem ich Gottgeweihter ja entsagt hatte – ach, wo ich, dem ewigen reinen Geist der Liebe abgewandt, für des Lebens höchsten Lichtpunkt, in dem das Sinnliche und Übersinnliche in einer Flamme auflodert, den Moment der Befriedigung des irdischen Triebes nahm; wo mir die rege Fülle des Lebens, genährt von seinem eigenen üppigen Reichtum, als das Prinzip erschien, das sich kräftig auflehnen müsse gegen jenes Aufstreben nach dem Himmlischen, das ich nur unnatürliche Selbstverleugnung nennen konnte! – Aber noch mehr! – tief im Innern fühlte ich trotz der Erkräftigung, die mir durch unsträflichen Wandel, durch anhaltende schwere Buße werden sollte, die Ohnmacht, einen Kampf glorreich zu bestehen, zu dem mich jene dunkle, grauenvolle Macht, deren Einwirkung ich nur zu oft, zu schreckbar gefühlt, unversehends aufreizen könne. – Aurelien wiedersehen! – vielleicht in voller Anmut und Schönheit prangend! – Könnt’ ich das ertragen, ohne übermannt zu werden von dem Geist des Bösen, der wohl noch mit den Flammen der Hölle mein Blut aufkochte, daß es zischend und gärend durch die Adern strömte. – Wie oft erschien mir Aureliens Gestalt, aber wie oft regten sich dabei Gefühle in meinem Innersten, deren Sündhaftigkeit ich erkannte und mit aller Kraft des Willens vernichtete. Nur in dem Bewußtsein alles dessen, woraus die hellste Aufmerksamkeit auf mich selbst hervorging, und dem Gefühl meiner Ohnmacht, die mich den Kampf vermeiden hieß, glaubte ich die Wahrhaftigkeit meiner Buße zu erkennen, und tröstend war die Oberzeugung, daß wenigstens der höllische Geist des Stolzes, die Vermessenheit, es aufzunehmen mit den dunklen Mächten, mich verlassen habe. Bald war ich im Gebirge, und eines Morgens tauchte aus dem Nebel des vor mir liegenden Tals ein Schloß auf, das ich, näherschreitend, wohl erkannte. Ich war auf dem Gute des Barons von F. Die Anlagen des Parks waren verwildert, die Gänge verwachsen und mit Unkraut bedeckt; auf dem sonst so schönen Rasenplatz vor dem Schlosse weidete in dem hohen Grase Vieh, – die Fenster des Schlosses hin und wieder zerbrochen – der Aufgang verfallen. – Keine menschliche Seele ließ sich blicken. – Stumm und starr stand ich da in grauenvoller Einsamkeit. Ein leises Stöhnen drang aus einem noch ziemlich erhaltenen Boskett, und ich wurde einen alten, eisgrauen Mann gewahr, der in dem Boskett saß und mich, unerachtet ich ihm nahe genug war, nicht wahrzunehmen schien. Als ich mich noch mehr näherte, vernahm ich die Werte: “Tot – tot sind sie alle, die ich liebte! – Ach, Aurelie! Aurelie – auch du! – die letzte! – tot – tot für diese Welt!” Ich erkannte den alten Reinhold – eingewurzelt blieb ich stehen. – “Aurelie tot? Nein, nein, du irrst, Alter, die hat die ewige Macht beschützt vor dem Messer des freveligen Mörders.” – So sprach ich, da fuhr der Alte, wie vom Blitz getroffen, zusammen und rief laut: “Wer ist hier? – wer ist hier? Leopold! – Leopold!” – Ein Knabe sprang herbei; als er mich erblickte, neigte er sich tief und grüßte: “Laudetur Jesus Christus!” – “In omnia saecula saeculorum”, erwiderte ich, da raffte der Alte sich auf und rief noch stärker: “Wer ist hier? – wer ist hier?” – Nun sah ich, daß der Alte blind war. – “Ein ehrwürdiger Herr”, sprach der Knabe, “ein Geistlicher vom Orden der Kapuziner ist hier.” Da war es, als erfasse den Alten tiefes Grauen und Entsetzen, und er schrie: “Fort – fort – Knabe, führe mich fort – hinein – hinein – verschließ die Türen – Peter soll Wache halten – fort, fort, hinein!” Der Alte nahm alle Kraft zusammen, die ihm geblieben, um vor mir zu fliehen wie vor dem reißenden Tier. Verwundert, erschrocken sah mich der Knabe an, doch der Alte, statt sich von ihm führen zu lassen, riß ihn fort, und bald waren sie durch die Türe verschwunden, die, wie ich hörte, fest verschlossen wurde. – Schnell floh ich fort von dem Schauplatz meiner höchsten Frevel, die bei diesem Auftritt lebendiger als jemals vor mir sich wiedergestalteten, und bald befand ich mich in dem tiefsten Dickicht. Ermüdet setzte ich mich an den Fuß eines Baumes in das Moos nieder; unweit davon war ein kleiner Hügel aufgeschüttet, auf welchem ein Kreuz stand. Als ich aus dem Schlaf, in den ich vor Ermattung gesunken, erwachte, saß ein alter Bauer neben mir, der alsbald, da er mich ermuntert sah, ehrerbietig seine Mütze abzog und im Ton der vollsten, ehrlichsten Gutmütigkeit sprach: “Ei, Ihr seid wohl weither gewandert, ehrwürdiger Herr! und recht müde geworden, denn sonst wäret Ihr hier an dem schauerlichen Plätzchen nicht in solch tiefen Schlaf gesunken. Oder Ihr wisset vielleicht gar nicht, was es mit diesem Orte hier für eine Bewandtnis hat?” – Ich versicherte, daß ich als fremder, von Italien hereinwandernder Pilger durchaus nicht von dem, was hier vorgefallen, unterrichtet sei. “Es geht”, sprach der Bauer, “Euch und Euere Ordensbrüder ganz besonders an, und ich muß gestehen, als ich Euch so sanft schlafend fand, setzte ich mich her, um jede etwanige Gefahr von Euch abzuwenden. Vor mehrern Jahren soll hier ein Kapuziner ermordet worden sein. So viel ist gewiß, daß ein Kapuziner zu der Zeit durch unser Dorf kam und, nachdem er übernachtet, dem Gebürge zuwanderte. An demselben Tage ging mein Nachbar den tiefen Talweg unterhalb des Teufelsgrundes hinab und hörte mit einemmal ein fernes durchdringendes Geschrei, welches ganz absonderlich in den Lüften verklang. Er will sogar, was mir aber unmöglich scheint, eine Gestalt von der Bergspitze herab in den Abgrund stürzen gesehen haben. So viel ist gewiß, daß wir alle im Dorfe, ohne zu wissen, warum, glaubten, der Kapuziner könne wohl herabgestürzt sein, und daß mehrere von uns hingingen und, soweit es nur