Die dreißig tolldreisten Geschichten. Оноре де Бальзак

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Die dreißig tolldreisten Geschichten - Оноре де Бальзак

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Lebensgefahr. Er eilte also unverzüglich nach der Rue de la Calandre, wo der Goldschmied um diese Zeit bei seinem Gevatter, dem Tuchhändler Cornelius, und seiner Frau zu Abend zu essen pflegte. Nachdem er an die Tür geklopft und denen hinter dem Gitter geantwortet hatte, dass er dem Goldschmied eine wichtige und eilige Botschaft auszurichten habe, wurde ihm aufgetan. Er winkte den lustigen Goldschmied von den Freuden der Tafel hinweg in eine Ecke des Saals.

      »Guter Freund«, sagte er zu ihm, »wenn Ihr wüsstet, dass ein lieber Nachbar Euch die bekannten Zinken auf die Stirn pflanzte – Ihr werdet wohl wissen, dass ich nicht von den Zacken einer Königskrone rede! –, und wenn man Euch den übereifrigen Freund gefesselt überlieferte, Ihr würdet Euch gewiss nicht besinnen, ihn in den Fluss zu werfen.«

      »Ganz richtig«, antwortete der Goldschmied; »aber wenn Ihr etwa Schindluder mit mir treiben wollt, so kann es Euch teuer zu stehen kommen.«

      »Ich meine es gut mit Euch«, erwiderte der Stoffel, »und Ihr dürft mir's glauben: ebensooft als Ihr mit der Gevatterin hier hat drüben der Advokat Sauluder mit Eurer Ehefrau seinen Zeitvertreib. Kommt mit hinüber in Euer Haus, und wenn Ihr den Sauluder nicht bei Eurer Frau findet, so könnt Ihr daraufrechnen, dass in der Kammer, in dem großen Schrank, wo Ihr die alten Kleider aufzuhängen pflegt, derjenige steckt, der Euch, indes Ihr bei andern kehrt, Euer eigenes Stüblein wischt und scheuert. Wenn Ihr mir den Schrank verkaufen wollt, so will ich mich mit einem Karren bei der Brücke halten und Eurer Befehle gewärtig sein.«

      Der Meister Goldschmied nahm Mantel und Barett, schied und lief nach seinem Haus wie eine vergiftete Ratte nach ihrem Loch. Er kommt an, er klopft; man öffnet, er tritt ein, er rast die Stiege hinauf, er findet zwei Gedecke auf dem Esstisch, er hört im Nebenzimmer den Schrank verschließen, und er sieht seine Frau ihm entgegenkommen mit einem Gesicht, wie wenn sie kein Wässerlein trüben könnte.

      »Lieber Schatz«, sagte er, »da sind zwei Gedecke!«

      »Natürlich«, antwortete sie unschuldig, »sind wir nicht zwei?«

      »Nein, wir sind drei«, antwortete er.

      »So kommt der Herr Gevatter zum Nachtessen?« versetzte sie lächelnd und mit einer Miene der vollkommensten Unschuld.

      »Nein«, erwiderte er, »ich meine den Gevatter da drin im Schrank.«

      »In was für einem Schrank«, fragte sie, »Ihr seid wohl nicht recht bei Trost? Wo ist denn ein Schrank? Seit wann packt man denn seine Gevattersleute in Schränke? Bin ich etwa die Frau danach, die die Gevattersleute schränkevoll im Haus hat? Ihr müsst verrückt geworden sein, dass Ihr einen Schrank für einen Gevattersmann haltet. Ich kenne keinen andern Gevatter als den Meister Cornelius, den Tuchmacher, und keinen andern Schrank als den in unsrer Schlafstube, wo wir unsre Kleider aufbewahren.«

      »Liebe Frau«, erwiderte darauf der Goldschmied, »es gibt gar böse Leute in dieser Welt, und denke dir, da ist mir vorhin ein Kerl in den Weg gelaufen und hat mir gesagt, ich solle doch einmal in dem Schrank draußen im Verschlag nachsehen, ich werde da unsern Freund, den Advokaten, darin finden.«

      »So ein Lump!« rief die Frau; »sollte man meinen, dass es Menschen gibt, die eine Freude dran haben, andrer Leute Häuslichkeit in Wirrwarr zu bringen.«

      »Zum Glück kenne ich dich, mein Liebchen«, entgegnete der Meister, »und du bist mir lieber als zehn alte Schränke. Da soll kein Hader zwischen uns kommen; der Mann, der mich aufgehetzt hat, ist ein Milchhändler; ich will ihm den Schrank verkaufen, dass er mir aus den Augen kommt, das dumme Möbel könnte mir gelegentlich böse Gedanken machen. Ich würde immer versucht sein, nachzusehen, ob kein Gevatter darin steckt. Da will ich mir lieber zwei kleinere dafür kaufen, worin man allerhöchstens ein siebenjähriges Kind unterbringen kann. Auf diese Weise werden wir am besten die bösen Mäuler stopfen, die deine Tugend verleumden möchten.«

      »Tut, wie Ihr sagt«, antwortete die Frau, »mir liegt gar nichts an dem alten Schrank, er ist auch zufällig ganz leer. Unsre Sachen sind beim Schneider zum Ausbessern, Ihr könnt ihn morgen in aller Frühe wegschaffen lassen. Und jetzt, denke ich, wollen wir zu Abend essen.«

      »Nicht so schnell«, war seine Antwort; »es wird mir besser schmecken, wenn der verfluchte Schrank erst aus dem Hause ist.«

      Die Frau lachte:

      »Es scheint allerdings, dass das verdammte Möbel leichter aus dem Haus als aus Eurem Kopf herauszubringen ist.«

      Der Meister rief laut auf den Boden hinauf: »Holla, Gesellen, Lehrbuben!«

      In weniger als einem Augenblick waren seine Leute auf den Beinen. Sofort wurde der Schrank gepackt und nach der Stiege getragen. Dabei kam der unglückliche Rechtsverdreher zufällig auf den Kopf anstatt auf die Beine zu stehen, und weil er solche Turnübungen nicht gewöhnt war, scharrte er unwillkürlich mit seinen Stiefeln an den Wänden.

      »Der arme Schrank«, sagte die Frau, »er kracht in allen Fugen.«

      »Es tut ihm weh, dass er weggetragen wird«, sprach der Mann, »er hatte sich so an Euch gewöhnt.«

      Ohne weiteren Widerspruch ließ sich der Schrank die Stiege hinuntergleiten.

      »Holla, Mann mit dem Karren!« rief drunten der Goldschmied. Und Stoffel, von den Gesellen und Lehrbuben unterstützt, machte sich daran, den Schrank aufzuladen.

      »Autsch, autsch!« rief drinnen der vom Hofgericht.

      »Meister, der Schrank spricht!« rief ganz erschrocken ein Lehrbub.

      »Französisch oder spanisch?« fragte der Meister und gab dem Buben einen Tritt vor den dünnen Hintern, der zum Glück nicht von Glas war. Denn es ist immer von Übel, wenn einer behauptet, das Gras wachsen zu hören; und der wollte nun gar einen Schrank sprechen hören!

      Dann führte der Stoffel, vom Goldschmied unterstützt, den Schrank zum Flussufer hinunter, ohne auf die laute Beredsamkeit des verhexten Holzes im geringsten achtzugeben.

      Am Ufer beschwerten sie den Schrank mit mächtigen Steinen und warfen ihn ins Wasser.

      »Schwimme, mein Freund, schwimme!« rief Stoffel und klatschte in die Hände, während der Schrank sich drehte und dann untertauchte.

      Nachdem dieses Geschäft glücklich beendigt war, machte sich der Stoffel auf nach der Rue du port Saint-Landry, nahe bei Notre-Dame. Er suchte dort nach einem gewissen Hause, erkannte es auch alsbald und fing an, heftig an die Tür zu pochen.

      »Öffnet«,rief er, »im Namen des Königs, öffnet!«

      Auf sein Rufen hin erschien unter der Tür ein weißbärtiger Greis, der niemand anders war als der berühmte Wucherer Versoris.

      »Mich schickt der Profos«, sagte der Stoffel, »er lässt Euch auffordern, diese Nacht wohl auf Eurer Hut zu sein. Er wird selber das Seinige tun. Der Bucklige, der Euch bestohlen hat, ist wieder in der Nachbarschaft gesehen worden. Darum also, wenn Euch Euer Geld lieb ist, haltet Euch wach und in Waffen.«

      Nach diesen Worten machte sich der Stoffel davon. Er eilte nun nach der Rue des Marmougets, wo der Hauptmann Schweinsleder sich gerade ein Fest gab mit der kleinen Pasquerette, dem schönsten und begehrtesten Mädchen dieser Art in ihrem Viertel. Nicht einmal ihresgleichen machte ihr diesen Ruhm streitig. Sie wusste Blicke zu werfen, die wie Dolche trafen, und wie keine verstand sie die Kunst, saftige Schweinereien als Leckerbissen einzumachen und um harte Taler loszuschlagen. Und was für Schweinigeleien! Verwegen

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