Die dreißig tolldreisten Geschichten. Оноре де Бальзак

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Die dreißig tolldreisten Geschichten - Оноре де Бальзак

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nicht finden, oder das liebliche Paar möchte nicht mehr wach sein, wenn er ankam. Aber ein guter Engel fügte alles nach seinem Wunsch. Als er in die Rue des Marmougets einbog, sah er alle Fenster beleuchtet, und überall streckten sich Köpfe heraus mit Nachtmützen und Nachthauben, Männer und Weiber, alte und junge, wie sie aus dem Bett gesprungen waren; man hätte glauben können, es solle bei Fackelschein ein Dieb gehängt oder sonst ein Missetäter hingerichtet werden.

      »Was ist denn los?« fragte der Stoffel einen Bürger, der mit einer Hellebarde herunter an seine Tür geeilt war.

      »Oh, nichts«, antwortete der gute Mann, »wir glaubten schon, die Armagnaken seien in der Stadt eingebrochen, aber es ist nur der Schweinsleder, der die Pasquerette durchbleut.«

      »Wo?« fragte der Stoffel.

      »Dort drüben in dem schönen Hause, wo Ihr über der Tür die Kröten gemeißelt seht. Hört Ihr das Geschrei der Hausknechte und Kammerzofen?«

      Aus dem Hause drang ein grässliches Geheul und Mordiogeschrei. Man hörte die Schläge niedersausen, und Hundsaffe mit seiner fetten Stimme schrie: »Du musst hin sein, du Luder! Was, du machst die Widerspenstige, und Geld willst du von mir? Da hast du!« Und dann hörte man die Pasquerette stöhnen. Alles zog sich zurück, die Lichter erloschen.

      »Hilfe, Hilfe!« rief sie, »er bringt mich um.« Dann ein letzter schwerer Schlag, dann das dumpfe Hinstürzen eines weichen Körpers, dann plötzliche Stille.

      Stoffel stieg mit dem Hausgesinde die Stiege hinauf. Droben vor dem Saal machte er halt. Da war ein Durcheinander von zerbrochenen Flaschen, zerrissenen Tapeten, das ganze beschmutzte Tischtuch mit allen Schüsseln und Tellern lag am Boden.

      Der ehemalige Schweinehirt, kühn wie ein Mann, der entschlossen ist, alles an einen Zweck zu setzen, riss die Tür auf, die zum Schlafgemach der schönen Pasquerette führte. Das Weibsbild lag am Boden auf einem blutübergossenen Teppich; sie war scheußlich zugerichtet, die Haare wirr und verzerrt, die weißen Brüste im Staub und Schmutz des Bodens gebettet. Der Schweinsleder stand verwirrt daneben, er war auf einmal ganz kleinlaut geworden, er machte die Augen größer auf als den Mund.

      »Auf, mein liebes Pasquerettchen«, sagte er endlich; »spiel nicht die Tote, komm, lass dich aufheben. Tot oder lebendig bist du entzückend, du Luder, zum Fressen bist du.«

      Mit diesen Worten hob er sie vom Boden auf und warf sie auf das Bett. Sie fiel hin, steif und regungslos wie der Körper eines Gehenkten. Da dachte der Landsknecht, dass es Zeit sei, sich rechtzeitig aus dem Staub zu machen, wenn er für diesmal seinen Buckel aus der Schlinge ziehen wolle; doch fiel ihm, da er die Weiber kannte, noch eine List ein.

      »Arme kleine Pasquerette«, sagte er, »wie hab ich nur ein so gutes Kind, das ich so sehr liebte, so zurichten können. Ich habe sie wahrhaftig getötet, es ist kein Zweifel mehr. Nie, solange sie lebte, sind ihr die weißen Brüstchen so elend am Körper heruntergehangen. Wie zwei leere Beutelchen mit einem armen, roten Heller darin hängen sie ihr an den Seiten.«

      Bei diesen Worten öffnete die schöne Pasquerette ein wenig das Auge und schielte nach ihrer Brust; sie war weiß und fest wie Marmor. Da kam ihr mit einem Ruck das Leben wieder, sie sprang auf wie eine Furie, und ehe der Hauptmann sich's versah, hatte er eine Ohrfeige weg, die nur so schallte. Sie lachte.

      »Die Toten, die sich nicht verteidigen können, soll man nicht verleumden.«

      »Mein liebes Bäschen«, fragte Stoffel mitleidig, »wie hast du es nur angestellt, um ihn so in Wut zu bringen?«

      »Wie ich's angestellt habe? Morgen früh kommen die Gerichtsknechte, um mir das Bett unterm Hintern wegzunehmen, und er, der so wenig Geld im Beutel hat wie Tugend in seinem Herzen, schäumte vor Wut, weil ich einem hübschen Junker gefällig sein wollte, der mich allein aus den Klauen des Gerichts erretten könnte.«

      »Schweig!« rief der Hauptmann, »oder ich werde dir alle Knochen im Leib zerbrechen.«

      »Langsam, langsam«, rief der Stoffel, der den Schweinsleder erst jetzt erkannte, »wenn es nichts weiter ist, da kann geholfen werden. Mein Freund, ich bringe Euch eine ganz beträchtliche Summe.«

      »Wo, wo ist sie?« rief der Hauptmann begierig.

      »Hört! Lasst es Euch ins Ohr sagen. Wenn einige dreißigtausend Taler heute Nacht unter einem alten Birnbaum irgendwo zusammenkämen, würdet Ihr nicht so mitleidig sein und sie in die Tasche stecken, damit sie keinen Schnupfen bekommen?«

      »Stoffel«, rief der Hauptmann, »ich erwürge dich wie einen wütigen Hund, wenn du dich lustig über mich machst, und ich küsse dich, wo du es nur haben willst, wenn du mich sofort und unverweilt in die ehrwürdige Versammlung dieser dreißigtausend Taler führst. Ich will auch ohne alle Gewissensbisse einigen guten Bürgern die Gurgel abschneiden, wenn sie so unvorsichtig sein sollten, mir in den Weg zu treten.«

      »Ihr sollt dabei noch nicht einmal eine Nachtmütze totstechen«, erwiderte Stoffel; »aber hört nun den Fall: Ihr kennt den alten Juden bei Notre-Dame, nicht weit von der Wohnung unsres Onkels. Seine Hausmagd ist mein Feinsliebchen, und so weiß ich aus bester Quelle, dass der Mann heute morgen verreist ist, nachdem er unter einem Birnbaum in seinem Garten eine ganze Masse Gold verscharrt hat. Er war überzeugt, dass nur die Engel des Himmels ihm bei seinem Geschäft zuschauten. Aber die genannte Dirne war die Nacht von Zahnweh geplagt und stand gerade an der Luke ihrer Dachkammer, um sich die heiße Backe an der frischen Luft zu kühlen; so belauschte sie, ohne es zu wollen, die Morgenandacht des berühmten Wucherers. Brühwarm hat sie mir ihre Neuigkeit zugetragen. Schwört, dass ich meinen Teil erhalten soll, wie es unter Vettern recht und billig ist, so will ich Euch meine Schultern leihen, mit deren Hilfe Ihr die Gartenmauer erklettern könnt. An dem Birnbaum, der sich an die Mauer lehnt, könnt Ihr auf der andern Seite hinunterklettern. Und nun: werdet Ihr noch einmal sagen, dass ich ein Dummkopf und ein Tölpel bin?«

      »Bei Gott nicht«, entgegnete der Hauptmann, »du bist mein ganz liebwerter Vetter und ein Ehrenmann obendrein; wenn du je einen Feind hast, dem du das Lichtlein ausgeblasen haben möchtest, siehe, ich bin bereit, meinen besten Freund für dich zu töten. Ich will auch nicht mehr dein Vetter heißen, sondern dein Bruder. – Holla, Schätzchen«, rief er der Pasquerette zu, »decke uns von neuem den Tisch und wasche dein Blut ab, es gehört mir, ich will dir's bezahlen und will dir's tausendfach ersetzen. Lass vom Besten zapfen, beruhige die aufgescheuchten Vögel im Haus, zieh ein frisches Hemdchen an und sei lustig. Sei lustig, ich will es so! Sorge für was Gutes in die Schüssel, und fahren wir mit unsern Nachtgebeten fort, da, wo wir aufgehört haben. Morgen früh sollst du reicher sein als die Königin. Jetzt will ich meinen Vetter bewirten. Holla he, Küfergesellen, Küchenjungen, Laufburschen, auf die Beine! Ich habe Lust, das ganze Haus zum Fenster hinauszuwerfen; es wird uns morgen früh doch zehnfach wieder hereinkommen.«

      In weniger Zeit, als ein Pfaff braucht, um sein Dominus vobiscum zu sagen, verwandelte sich alles Wehgeheul des Hauses in Lachen, so wie sich vorher alles Lachen in Wehgeheul verwandelt hatte. Das ist so das Eigentümliche dieser Häuser: Mord und Totschlag sind hier nur ein Gewürz der Liebe; je mehr Gefahr, desto mehr Lust. Freilich, unsre Damen mit den hohen Stehfallumkrägen haben davon keine Ahnung.

      Der Hauptmann Schweinsleder machte einen Freudenlärm wie eine ganze Klasse Schulbuben, wenn die Schule aus ist. Er war unermüdlich, dem Vetter einzuschenken, und dieser trank wie ein Bauer, wo's nichts kostet. Er spielte glücklich den Besoffenen; er lallte, morgen wolle er Paris kaufen, wolle er dem König hunderttausend Taler leihen, scheißen wolle er in Gold, mit einem Wort, er schwatzte so verrücktes Zeug, dass es der Hauptmann endlich für an der Zeit hielt, die Teller zu lassen und sich nach den Talern umzusehen. Also machte er sich mit ihm auf den Weg in der besten Absicht,

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