Die dreißig tolldreisten Geschichten. Оноре де Бальзак

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Die dreißig tolldreisten Geschichten - Оноре де Бальзак

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style="font-size:15px;">      Der König sorgte dafür, dass sie nicht feierten. Mit wahrhaft königlichen Worten spornte er ihren Eifer an, wenn er nur im geringsten erlahmen wollte. Er rühmte ihnen den Pickelsteiner mit den gelben Rübchen, er ließ ihnen ganze Berge grüner Erbsen auf die Teller häufen, er sagte zu dem einen: »Warum esst Ihr nicht?«, zu dem andern: »Trinken wir auf die Gesundheit unsrer Wirtin« und dann wieder zu allen: »Mit diesen Krebsen müssen wir fertig werden.« »Schenkt ein zu diesen Lampreten, Fische müssen schwimmen.« »Bei Gott, ich glaube, dies ist die schönste Barbe der Loire. Da dreht mir nur gleich einem Dutzend Flaschen den Hals um.« »Dieses Wildschwein ist von meiner Jagd, wer ihm nicht Ehre antut, beleidigt den König.« »Meine Herren, eine solche Blutwurst habe ich noch nicht gegessen, da schmeckt gelber Sauternes gut dazu.« Und wieder: »Trinkt, meine Herren, der König schaut nicht hin.« »Zum Wein schmeckt das Süße gut, verachtet mir diese kleinen Kuchen nicht. Und dieses Eingemachte, ihr würdet die Hausfrau kränken, sie hat es selber bereitet.« »Und seht, wie euch die Birnen anlächeln und diese goldigbraunen Trauben. Holla, meine Herren, sie sind von meinem Weinberg.«

      Wahrhaftig, dieser König war nicht faul im Zureden. Dazu lachte er mit ihnen, gab derbe Scherze zum besten, beklatschte die Schweinereien des dicken Kardinals, kurz, es ging zu, wie wenn der König gar nicht der König gewesen wäre. Darüber wurden von Gesottenem, Gebratenem und Gebackenem ganze Wagenladungen voll eingeschifft und der Wein kübelweise in die Rinnen gegossen, die man die Gedärme nennt, als welche sich füllten von einem Ende zum andern, dass die Wänste schwollen bis zum Bersten und die Bäuche strotzten wie ein Ansbacher Press-Sack.

      Als die Gäste in den Saal zurückkehrten, stand ihnen bereits der kalte Schweiß auf der Stirne, und schon bereuten sie ihre Unmäßigkeit. Der König spielte den Stummen, und die andern hatten um so weniger Lust zur Rede, als am liebsten ihr Bauch und Hinterer das Wort ergriffen hätte, was zu verhindern keine kleine Anstrengung kostete. Sie fingen an, Schlimmes zu befürchten. Einer sagte heimlich zu seinem Nachbar: »Ich glaube, von dieser Kapernbrühe hätt ich nicht essen sollen.« Ein anderer: »Mir ist, als ob der Aal in meinem Bauch lebendig würde.« Ein dritter: »Ich wollte, der Teufel hätte die Blutwurst im Leib.« Am meisten hatte der Kardinal geladen. Er hatte auch einen Wanst wie drei Benediktiner-Äbte zusammen, er stieß die Luft durch die Nase wie ein Ross, das Unheil wittert. Ihm entfuhr auch zuerst ein lauter Rülps. Man war aber zum Unglück nicht in Deutschland, wo man dazu ›Helf Gott!‹ sagt. In diesem Punkt verstand der König keinen Spaß. Er fand die gastrische Sprache garstig. Er zog drohend die Augenbrauen in die Höhe.

      »Haltet Ihr mich für Euren Messpfaffen?« fuhr er den Kardinal an.

      Alles zitterte, da der König doch sonst einen kunstgerechten Rülps nach Gebühr zu schätzen wusste. Und heimlich berieten sie bei sich, wie sie ihre Ballen Luft auf andern Wegen gefahrlos über die Grenze schmuggeln könnten, doch sahen sie leider keine Möglichkeit, wie auch der Wurm in ihnen sich krümmte. Ihre Bedrängnis wurde von Minute zu Minute größer.

      Nicole, die ihre Tortur lächelnd mit ansah, nahm den König auf die Seite.

      »Nun gebt acht«, sagte sie, »was ich mir ausgedacht habe. Ich habe mir von Meister Peccard, dem Rosenkränzer und Wachsstockhändler, zwei Puppen machen lassen, die mir und meiner Freundin auf ein Haar ähnlich sehen. Wenn nun die Herren da von den Laxierpulvern, die ich unter die Speisen gemischt habe, sich so bedrängt fühlen, dass sie nicht mehr wissen, wo ein noch aus, und in Hast und Eile das Örtlein suchen, zu dem wir alle unsre Zuflucht nehmen müssen, solange wir im Fleische wandeln, werden sie diesen Stuhl der Könige und Thron der Menschlichkeit immer schon besetzt finden; und Ihr sollt sehen, das gibt einen Heidenspaß.«

      Die Damen entfernten sich nun aus dem Saal, und nach einer kurzen Weile kehrte Nicole allein zurück, so dass es den Eindruck machte, als ob die andere Dame sich irgendwo noch ein wenig aufhalte, wo in diesem Augenblick mehr als einer sich hinwünschte, am inbrünstigsten der Kardinal. Diesen aber winkte jetzt der König zu sich heran, und indem er das goldene Kreuz auf seiner breiten Brust ergriff, wie um das Email zu studieren, fing er an, ernstlich von Geschäften zu reden, kam vom Hundertsten ins Tausendste und konnte gar kein Ende finden. Der Kardinal sagte zu allem nur »ja, ja«, um so rasch wie möglich von der hohen Ehrenbezeigung loszukommen; denn er fühlte, wie das Wasser sich in seinen Kellern staute, und hatte eine Mordsangst, den Schlüssel zu jener Tür zu verlieren, wo man die Leute hinauslässt, aber niemand hinein. Die anderen waren nicht besser daran. Sie machten alle die Erfahrung, dass nicht nur das Wasser, sondern auch der Dreck von Natur die Eigenschaft erhalten hat, als hartnäckig unvernünftige Kreatur mit dem Kopf durch die Wand zu wollen und dem Gesetz der Gravitation zu folgen, wie alles, was Schwere hat. Diese verdammten Substanzen, was sie für ein Bollern und Kollern machten und immer ungebärdiger wurden gleich allen Gefangenen, denen widerrechtlich die Freiheit vorenthalten wird. So ein Dreck ist vollends ein gar unverschämter Geselle. Er ist so frech, er bricht aus, wo er kann, er stinkt sogar vor der Nase einer königlichen Majestät. Und also waren groß die Gebresten dieser Herren, die all ihre Kraft und Wissenschaft zusammennehmen mussten, um nicht vor den Augen des Königs ausgemachte Scheißkerle zu werden. Der gute Ludwig tat, als ob er nichts merkte. Seine Güte war heut grenzenlos. Er zog einen nach dem andern ins Gespräch, und wenn er dann sah, wie sie die Zähne aufeinanderbissen, wie ihre totenblassen Gesichter sich verzerrten, wie ihnen der kalte Schweiß von der Stirne tropfte, hatte er so recht das Gefühl, bei Gott, dass es sich doch noch der Mühe lohne, ein König zu sein.

      »Bei der Heiligen Jungfrau«, sagte der Parlamentsherr zu dem Barbier, »ich würde mein Amt dafür geben, wenn ich mich auf anderthalb Minuten an den Hasengraben wünschen dürfte.«

      »Ja, ja«, antwortete Meister Olivier, »es geht nichts über einen guten Schiss, und wahrhaftig, ich wundere mich nicht mehr über die Fliegen, die alles um einen her vollmachen.«

      Unterdessen dachte der Kardinal; das oberhofgerichtliche Verhör der Dame müsse doch einmal ein Ende erreicht haben. Mit einem heftigen Ruck, wobei das Kreuz in des Königs Hand blieb, riss er sich los, und ›laufst nicht, so gilt's nicht ...‹

      »Holla, Kardinal«, rief der König, »ist der Teufel in Euch gefahren?«

      »Wahrhaftig«, schrie das Ungetüm von La Balue, »er will aber mit Gewalt wieder heraus.« Unter diesen Worten entwischte er, indem er es den andern überließ, seinen Witz zu belachen. Mit großen Schritten strebte er dem gebenedeiten Örtlein zu, riss die Tür auf, auch ein wenig die eigene Hintertür, und fuhr zurück. Wie ein Papst, wenn er gesalbt wird, saß da die Dame auf dem Stuhl. Der Kardinal machte also seinen Riegel von hinten wieder sicher; er gedachte nun in den Garten zu kommen. Aber er hörte die Hunde anschlagen und fürchtete für seine kostbaren Hemisphären. Und nicht wissend wohin, mit dem ungeduldigen Gast im Gedärm, mit klappernden Zähnen wie vom Fieber geschüttelt, erschien er wieder in dem Saal. Bei seinem Erscheinen glaubten die übrigen, er sei glücklich genug gewesen, seine natürliche Kloake und geweihten Abzugskanäle zu entleeren. Schnell, wie wenn er ein gemeiner Ausüber seiner Profession gewesen wäre, erhob sich der Hofbarbier und gewann, ehe ihm ein anderer zuvorkommen konnte, die Tür. Er ließ seinem Sphinkter schon jetzt die Zügel ein wenig locker, und indem er eine Melodie zwischen den Zähnen summte, eilte er nach dem hochnotpeinlichen Gerichtsstuhl. Aber es erging ihm nicht anders als dem Kardinal.

      Er richtete an die Adresse dieser ewigen Scheißerin ein kurzes Gemurmel von Entschuldigungen, und so hastig, wie er das ersehnte Pförtlein geöffnet hatte, schloss er es wieder und erschien, ohne abgeladen zu haben, vor dem König.

      So einer nach dem andern. Aber nicht lange, so waren sie alle wieder um den König herum, und jeder wusste vom andern nur zu gut, wo ihn der Schuh drückte. Sie verstanden einander sozusagen besser in dem, was ihnen vom After, als was ihnen vom Munde ging. Denn in der Sprache dieser natürlichen Dinge gibt es keine Zweideutigkeiten. In ihr kommt ein ganz allgemein verständlicher Rationalismus zum Ausdruck und eine Wissenschaft, die wir alle schon mit auf die Welt bringen.

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