Die dreißig tolldreisten Geschichten. Оноре де Бальзак

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Die dreißig tolldreisten Geschichten - Оноре де Бальзак

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eine solche Diarrhöetikerin einzuladen.«

      »Über eine Stunde drückt sie nun schon daran herum, wozu mir eine halbe Sekunde genügen sollte«, antwortete Meister Olivier. »dass sie doch die Pestilenz kriegte!« Man müsste sie gesehen haben, wie kläglich sie aussahen, wie sie sich nicht am Platze halten konnten, wie sie von einem Fuß auf den andern trippelten, die Zähne aufeinanderbissen, dass ihnen das Wasser aus den Augen rann, wie sie jetzt erblassten, jetzt einen roten oder blauen Kopf bekamen, wie sie hörbar aufatmeten, als die verwünschte Dame endlich im Saal erschien. Oh, wie sie sie schön fanden und ganz holdselig. Sie hätten sie küssen mögen, küssen dort, wo sie's so brannte. Nie in ihrem Leben hatten sie so beglückt den Eintritt des Tages begrüßt wie den Eintritt dieser Befreierin aus der höchsten Not.

      Unverzüglich erhob sich der Kardinal. Die andern standen bescheiden zurück und fassten sich in Geduld. Dem Klerus gehört der Vortritt. Ihre Grimassen wurden aber immer fürchterlicher, worüber der König sich im geheimen höllisch freute und nicht weniger die Beaupertuys, in deren Kopf alles entsprungen war. Der schottische Hauptmann, der von dem gepulverten Gericht am meisten gegessen hatte, konnte nicht mehr an sich halten; kein Zähneaufeinanderbeißen half mehr, er dachte also, der Gescheitste gibt nach, oder vielmehr, er dachte gar nichts, es entfuhr ihm einfach. Er hatte gehofft, es werde nur ein leiser Wind sein. Aber nein, in seiner ganzen Pracht und Fülle entfuhr's ihm, und er hatte nur noch die Hoffnung, dass das Zeug wenigstens so anständig sein werde, in der Gegenwart des Königs nicht zu stinken.

      In diesem Augenblick erschien, fürchterlich zugerichtet in seinem Aussehen, auch der Kardinal wieder im Saal. Er hatte draußen Nicole auf dem Posten gefunden, und nun stand sie auch hier vor ihm. Er glaubte ein Gespenst zu sehen in seiner Qual, und ein verzweifelter Fluch entfuhr ihm.

      »Was soll das?« fragte der König mit einem Blick, dass der Priester in den Boden sinken zu müssen glaubte. Doch gibt ein Pfaff seine Sache nicht so schnell verloren.

      »Majestät«, antwortete La Balue, »die Dinge des Jenseits gehören zu meinem Amt, und da muss ich Euch sagen, dass es in diesem Haus, wie mir scheint, nicht mit rechten Dingen zugeht.«

      »Willst du deinen König zum Narren haben?« schrie Ludwig der Elfte. Seine Stimme nahm einen Ton an, dass die ganze Gesellschaft nun schon aus Angst in die Hosen machte.

      »Ihr vergesst den Respekt vor der königlichen Majestät!« rief der König in so gut gespieltem Zorn, dass sie erbleichten. Zugleich öffnete er ein Fenster: »Holla, Gevatter Tristan!«

      In wenigen Minuten stand er im Saal, der Oberhofscharfrichter Seiner Majestät. Und da es lauter Lumpenkerle waren, denen nur die Sonne der königlichen Gunst den Schein von etwas gab, so genügte auch der leiseste Wink des Königs, wenn ihn der Zorn ankam, um sie ins Nichts zurückzuschleudern; das wussten sie wohl, und mit Ausnahme des Kardinals, der sich auf sein geistliches Gewand verließ, standen sie da wie der Dieb vor dem Galgen.

      »Führe die Herren zum Hofgericht ab«, sprach der König, »zum Hofgericht am Maifeld. Sie haben alle die Hosen voll ...«

      »Nun, hab ich meine Sache nicht gut gemacht?« sagte Nicole.

      »Die Posse ist gut, aber sie stinkt teuflisch«, antwortete der König lachend.

      An diesem königlichen Wort merkten die Gäste, dass es diesmal nicht um ihre Köpfe ging, und dankten dem Himmel. Wirklich, dieser König verstand noch einen Spaß. Er war kein böser und heimtückischer Mensch. Das sagten auch seine Gäste, während sie sich am Rand des Maifelds zu ihrer Bequemlichkeit hinsetzten und Gevatter Tristan als guter Franzose ihnen Gesellschaft leistete, der ihnen auch später auf dem Heimweg das Geleit gab. Von daher aber schreibt sich die Gewohnheit der Bürger von Tours, nirgendwo lieber sich die Hosen zu lüften als auf dem Maifeld von Chardonneret, wo einmal so vornehme Hofleute geschissen hatten. Von diesem großen König muss ich noch eine hübsche Sauerei erzählen.

      In der nächsten Nachbarschaft der Nicole wohnte ein altes Fräulein namens Godegrand, ein unglückliches versauertes Wesen in seiner welken gelblichen Haut und voll Verbissenheit über die Welt, wo sie in langen vierzig Jahren für ihr Töpfchen keinen Deckel gefunden hatte und jungfräulich geblieben war wie ihre Nachthaube.

      Ihre Wohnung in der Rue de Hiérusalem war auf der einen Seite nur durch ein schmales Gässchen von dem Haus der Beaupertuys getrennt, so dass man von dem Balkon dieser Dame alles sehen und hören konnte, was in den Zimmern der Godegrand vorging, und hundertmal machte sich der König das Vergnügen, zusammen mit seinem Kebsweib das ahnungslose alte Mädchen zu belauschen. Nun geschah es, dass der König eines Tages einen Bürgerssohn der Stadt hängen ließ, der einer ältlichen Edeldame Gewalt angetan, weil er sie für ein junges Mädchen gehalten hatte. Dabei war an sich kein Unglück, die Dame konnte es sich noch zur Ehre anrechnen, für eine Jungfrau angesehen worden zu sein; aber der Bursche wurde wütend, als er seinen Irrtum merkte, überhäufte die Dame mit Schimpfreden, und da er den Verdacht hegte, mit Absicht getäuscht worden zu sein, nahm er ihr einen goldenen Becher aus der Tasche, um wenigstens auf seine Kosten zu kommen, wie er sagte. Er war ein so schöner Bursche, dass jedermann zusehen wollte, als er gehängt wurde, teils aus Bedauern, teils aus Neugierde, doch sah man natürlich mehr Hauben in der Menge als Hüte. Der Bursche baumelte auch wirklich ganz lustig an seinem Strick, und nach der Sitte der Gehängten jener Zeit machte er seinen Ritt ins Jenseits ritterlich mit vorgestreckter Lanze. Den ganzen Tag sprach man von nichts als von dem schönen Gehängten, und einige Damen meinten, es sei doch jammerschade, dass ein solches Prachtstück von Lanze außer Brauch gesetzt werde.

      »Was meint Ihr«, sagte Nicole zu König Ludwig, »wenn wir den Burschen der Godegrand ins Bett legten?«

      »Sie würde allzusehr erschrecken«, meinte der König.

      »Nicht die Spur«, erwiderte die Beaupertuys; »die Godegrand hat sich so lange vergeblich nach einem Lebendigen gesehnt, dass sie zuletzt auch um einen Toten froh sein wird. Noch gestern habe ich ihr zugeschaut, wie sie vor dem Barett eines jungen Mannes, das sie auf eine Stuhllehne gehängt hatte, sich ganz toll aufgeführt; ihr Geplausch und Getue dabei würde Euch nicht wenig ergötzt haben.«

      Es war um die Stunde des Abends, wo das vierzigjährige Mädchen zur Vesper ging. Der König ließ den Gehängten, der gerade seinen letzten Schnaufer getan, abschneiden und herbeischaffen. Zwei Soldknechte bekleideten ihn mit einem frischen Hemd, brachten ihn mittels einer Leiter über die Gartenmauer der Godegrand und von dort nach deren Schlafkammer auf der Seite des Hauses der Beaupertuys. Im Bett des Fräuleins drückten sie ihn hart an die Wand, strichen die Decke glatt und machten sich aus dem Staub. In dem Balkonzimmer der Beaupertuys aber pflegte der König mit seiner Dame des Brettspiels bis zur Stunde, wo drüben das pünktliche Mädchen sich jeden Abend schlafen legte. Mit kleinen, sachten Mädchenschritten kam die Godegrand von der Kirche zurück, der von Saint-Martin, die nahe lag, da die Rue de Hiérusalem gerade auf den Münsterplatz hinausläuft. Tritt also das gute Ding in seine Stube, legt seine Almosentasche, sein Stundenbuch, seinen Rosenkranz ab und mit was sonst für frommem Kram sich alte Betschwestern zu umgeben pflegen; sie deckt ihr Feuer auf, facht die Glut an, wärmt sich die magern Hände, streichelt und liebkost die Katze, weil sie nichts anderes hat, geht in ihr Speisekämmerlein, um sich selber ihr Essen aufzutragen, setzt sich mit einem Seufzer hin und isst und trinkt in der traurigen Gesellschaft ihrer vier Wände. Und nachdem sie gegessen und getrunken, lässt sie ein Fürzlein hören, nicht ahnend, dass es ein König vernehmen würde.

      »Was meint Ihr«, sagte Ludwig der Elfte zu Nicole, »wenn ihr der Gehängte plötzlich ein ›Wohl bekomm's!‹ zuriefe?« Über diese Bemerkung wären beide fast in lautes Lachen herausgeplatzt.

      Und besonders aufmerksam sah der allerchristlichste König zu, wie das alte Mädchen nun anfing, sich zu entkleiden, indem es sich selbst bewunderte und sich da und dort

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