Die dreißig tolldreisten Geschichten. Оноре де Бальзак

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Die dreißig tolldreisten Geschichten - Оноре де Бальзак

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und die andern, was ihnen ein so großes Leidwesen ist. Aber ohne solche kleine Schwächen der Natur wären sie allzu stolz und gar nicht mehr zu haben.

      Endlich war die Godegrand soweit, die musikalische Zwiesprache mit ihrem Töpfchen zu Ende ...

      »Gebt acht«, sagte Nicole, »jetzt deckt sie das Bett auf.«

      In diesem Augenblick hörte man einen Schrei. Mit einem Sprung war sie wieder aus dem Bett. Sie dachte aber nicht, dass es ein Toter sei, sondern meinte, er stelle sich nur so.

      »Das ist mir ein übler Spaß«, sagte sie; »wollt Ihr Euch nun gleich davonmachen oder nicht!« Ihre Worte klangen mehr bittend als bös. Als sie aber sah, dass sich nichts rührte, untersuchte sie die Bescherung etwas näher, voll Erstaunen und Verwunderung über die strotzende Fülle männlicher Herrlichkeit. Endlich erkannte sie den gehängten Bürgerssohn. Sofort kam ihr der Gedanke, ob hier nicht Rettung möglich. Und begann mit sachkennerischen Manipulationen und Experimenten ihr möglichstes zu tun.

      »Was macht sie denn?« fragte der König Nicole.

      »Sie macht Wiederbelebungsversuche an ihm, das ist ein Werk der christlichen Barmherzigkeit.«

      Und die Godegrand rieb und klopfte an dem schönen Toten herum und flehte zur heiligen Maria von Ägypten, dass sie ihr doch behilflich sein möge, den Mann wieder lebendig zu machen, der ihr so unerwartet und ganz verliebt vom Himmel herunter ins Bett gefallen war. In der Tat gelang es ihr, den Körper ein wenig zu erwärmen, schon schien es, als ob er die Augen aufschlagen wolle, sie legte ihre Hand auf sein Herz, und sie fühlte wahrhaftig ein leises Pochen. Sie verdoppelte nun ihre Anstrengungen, entwickelte einen solchen Feuereifer, dessen nur die ewig unterdrückte Liebesglut eines alten Mädchens fähig ist, und hatte die unaussprechliche Freude, den schönen Mann, mit dem der Henker offenbar kein Meisterstück gemacht, ins Leben zurückzubringen.

      »Da seht Ihr, wie ich bedient werde«, sagte der König lachend.

      »Ich hoffe, Ihr werdet ihn nicht zum zweiten Male hängen lassen«, erwiderte Nicole, »der Mann ist gar zu schön.«

      »Das Urteil lautet nicht, dass er zweimal gehängt werden soll, aber, bei Gott! dafür soll er die Godegrand heiraten.«

      Die alte Jungfer war unterdessen fortgesprungen, um einen Bader herbeizurufen, der nichts Eiligeres zu tun hatte, als nach seiner Lanzette zu greifen.

      »Es ist zu spät«, sagte er kopfschüttelnd, »Ihr seht, nicht ein Tropfen. Die Transfusion des Blutes nach den Lungen hat sich bereits vollzogen.«

      Doch was war das? Da sickerte ein kleines winziges Tröpfchen, und da noch eines, dann Tropfen auf Tropfen, und schon rötete das junge Blut die Tücher. Der Gehängte kam von seiner apoplektischen Erstarrung, die noch im Anfangsstadium war, zurück, er begann sich zu bewegen und schlug die Augen auf ... doch nur, um sie sofort wieder zu schließen und nach dem Gesetz der Natur in Erschlaffung und Erschöpftheit zurückzusinken. Die krampfhafte Spannung aller Muskeln und Nerven ließ nach, und die strotzende Fülle der männlichen Pracht sank in sich zusammen. Die gute alte Jungfer, die mit ängstlich aufmerksamen Bücken all diese Vorgänge und Verwandlungen verfolgt hatte, zog den Chirurgen am Ärmel, und indem sie ihn mit einer schämigen Augenverdrehung auf vorliegenden Vorfall und Verfall aufmerksam machte, fragte sie:

      »Wird er nun immer so bleiben?«

      »Die meiste Zeit«, antwortete der wahrhaftige Chirurgus.

      »Wie schade, da war er mir gehängt fast lieber ...«

      Bei diesen Worten brach der König in lautes Lachen aus, worüber das arme Mädchen und der Bader nicht wenig erschraken. Sie gewahrten durch das Fenster hindurch den König und sahen den Geretteten in ihrer Angst bereits zum zweiten Male gehängt. Aber der König hielt Wort und verheiratete sie miteinander. Damit aber die Gerechtigkeit nicht zu kurz komme, gab er dem Neuvermählten, der seinen bürgerlichen Namen am Galgen verloren hatte, den Namen eines edlen Herrn von Mortsauf, und da sich unter dem Strohsack der Godegrand ganze Nester voll goldener Dukaten fanden, gründeten beide eine hochangesehene Familie, die in unserm Land fortblüht bis auf den heutigen Tag. Der Herr von Mortsauf selber leistete dem König Ludwig dem Elften bei verschiedenen Anlässen die wichtigsten Dienste; aber dem Galgen und den alten Weibern ging er ängstlich aus dem Wege, und nie wieder hat er sich bei Nacht und Nebel auf ein verliebtes Abenteuer eingelassen.

      Daraus können wir lernen, keine Katze im Sack zu kaufen und uns mit keiner Frau einzulassen, wenn wir nicht genau wissen, ob es Herbst oder Frühling bei ihr ist. Denn wenn wir auch nicht immer gehängt werden für einen solchen Irrtum, so können wir doch großen Verdruss davon haben.

      Die Frau Konnetable

      Der Konnetable von Armignac heiratete ihres hohen Ranges und Vermögens halber die Gräfin Berthe, die längst ein Auge auf den kleinen Savoisy geworfen hatte, den Sohn des Kämmerers Seiner fast kranken Majestät, des Königs Karl des Sechsten.

      Der Konnetable war ein roher Kriegsmann von wenig vorteilhaftem Aussehen, eine ehrliche Haut, aber gelb und gegerbt von Sonne und Wind und haarig über und über. Die Worte, die ihm aus dem Munde kamen, waren so wenig gewaschen wie er selber. Er war ein gewaltiger Haudegen, doch nichts weniger als eine ziselierte Damaszener Klinge. Immer roch er nach dem Staub und dem Schweiß der Schlachten; immer träumte er von Gefecht und Gemetzel; er war ein großer Stratege, ausgenommen auf dem Schlachtfeld der Liebe. Hier war er nichts als ein roher Landsknecht. Er machte mit den Schüsseln, die ihm die Liebe vorsetzte, allzu kurzen Prozess wie einer, der mit seinen Gedanken überall eher ist als beim Essen. Das lieben aber die Damen ganz und gar nicht, sondern wie sie mit Leib und Seele bei der Sache sind, so verlangen sie es mit Recht auch vom Manne. Kurz, sein ruppiges Leder und die zarte weiße Haut der Gräfin gingen schlecht zusammen, wenn sie gleich kopuliert waren, und die Träume seiner Frau beschäftigten sich mehr denn je mit dem genannten Charles de Savoisy und vice versa.

      Und nicht nur in Träumen beschäftigten sie sich zuletzt miteinander, sondern da beiden der Sinn nach derselben Musik stand, hatten sie gar bald ihre Noten und Instrumente auf denselben Ton gestimmt, und die Königin Isabelle war es, der zuerst auffiel, dass das Pferd des Herrn von Savoisy öfter in dem Stall ihres Vetters, des Konnetable, gesehen wurde, als im Königspalast bei Sankt Paul, wo der Kämmerer wohnte, seitdem sein Schloss, wie jedermann weiß, auf Betreiben der Universität zerstört worden ist.

      Diese gewitzigte Fürstin befürchtete einen schlimmen Ausgang der Sache für ihre Base; sie wusste, dass der Herr Konnetable mit Stich und Hieb so freigebig war wie ein Priester mit seinen Segenssprüchen.

      Und als sie eines Tages in der Kirche am Weihwasserkessel mit ihrer Base zusammentraf, die gleichzeitig mit Savoisy ihre Finger in die Schale tauchte, da machte die genannte ganz und gar durchtriebene Königin eine bedenkliche Miene.

      »Meine Liebste«, sagte sie, »kommt es Ihnen nicht so vor, als ob Blut in dem Wasser wäre?«

      »Hohe Frau«, antwortete Savoisy, »die Liebe erschrickt nicht vor Blut.«

      Diese Antwort gefiel der Königin. Sie schrieb sie sich hinter die Ohren und bekam später Gelegenheit, daran zu denken. Das war, als ihr Herr, der König, einen ihrer Liebhaber umbringen ließ, denselben, dessen Gunst bereits in dieser Geschichte ihren Anfang nimmt.

      Nichts indessen ist so vorsichtig als Liebe in ihrem ersten Frühling; nichts ist da den Liebenden so heilig als das Geheimnis ihres Herzens. Ihr Glück scheint ihnen noch einmal so schön unter dem Schleier des Mysteriums, und die hunderterlei Listen und

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