Im Bauch des Wals. Annemarie Bauer
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![Im Bauch des Wals - Annemarie Bauer Im Bauch des Wals - Annemarie Bauer](/cover_pre617538.jpg)
Die Organisation als Bühne – Goffmans interpretative Theorie des sozialen Lebens in Organisationen
Organisationen und die Kulturen der Übertreibung und Überbietung
Wissenschaftsorganisationen zwischen Ideal und unternehmerischer Kultur
Das ist das Modell – wie aber sieht die Realität aus?
Feld und Habitus: Bourdieus Konzept zu Organisationen
Bourdieus Habituskonzept und seine Kapitalien
Der Habitus einer Organisation
Erfolg und Stolz als Habitus von Organisationen
Zweifel in und an der Organisation
Die Übertragung auf eine Organisation
Hochqualifizierte Frauen in Organisationen
Frauen in Führung – die endlose Debatte am Beispiel der ZEIT vom 1.3.2013
Führungsfrauen: die Konstruktion des Geschlechts
Was kann das Habitus-Konzept für die Beratung von hochqualifizierten Frauen ermöglichen?
Habitusorientierte Beratung – am Beispiel von hochqualifizierten Frauen in Organisationen
Das Aufdecken von Widersprüchen
Die Gefahr der totalen Anpassung oder gar Dissoziation
Wissen um die institutionelle Abwehr
Wie kann man einen eigenen Habitus entwickeln?
Sichtbarmachung der eigenen Bildungsbiografie
Vorwort zur dritten Auflage
Dieses Buch ist aus einer langen Zusammenarbeit zwischen einer sozialwissenschaftlich und pädagogisch ausgebildeten Hochschullehrerin mit intensivem Interesse an Psychoanalyse und einem Psychoanalytiker mit intensivem Interesse an Organisationen und Institutionen entstanden. Unsere erste Absicht war, gegen das Desinteresse anzukämpfen, das sozial engagierte Helfer nicht selten überfällt, wenn sie sich mit den Strukturen beschäftigen sollen, in denen sie arbeiten. Der Titel spiegelt die damit verbundenen Ohnmachtsgefühle.
Seither hat sich der Umfang fast verdoppelt; 2019 sind noch einmal Aufsätze über spezielle Fragen, neue Konzepte sowie eine neue Autorin hinzugekommen. Ein Teil der neuen Konzepte wurde in dem Masterstudiengang Supervision und Beratung der Universität Bielefeld erprobt und entwickelt.
München, im Januar 2019
Wolfgang Schmidbauer
Einleitung
Wie werden aus den vielen, hoch motivierten und gut ausgebildeten Anfängerinnen und Anfängern in der Praxis der sozialen Berufe so schnell resignierte, freizeitorientierte, von Erschöpfung gezeichnete Arbeitskräfte?
Wer als Organisationsberater und Supervisor Gelegenheit hat, sich mit solchen Motivationsverlusten im Praxisschock auseinander zu setzen, begegnet immer wieder einer umfassenden Ahnungslosigkeit und einem tiefen Desinteresse für die Strukturen, in denen Sozialberufler tätig sind. Sie haben gewissermaßen einen Beruf erlernt, ohne zu wissen, was ein Beruf ist. Sie sind in soziale Einrichtungen eingetreten, werden von diesen bezahlt, können sich in ihnen entwickeln oder an ihnen scheitern. Aber sie wissen nicht und es scheint sie zunächst auch nicht zu interessieren, was eine Hierarchie ist, warum es Machtunterschiede gibt und wie es möglich wird, mit ihnen konstruktiv umzugehen.
Unersetzliche Anregungen hat uns allen die langjährige, zum Teil gemeinsame Arbeit in Balintgruppen für Supervisoren gegeben. Wir haben immer wieder mit einer interessierten und vielseitig gebildeten Gruppe von Beratern die Hintergründe aufzeigen können, warum eine Einrichtung so ist, wie sie ist. Wir haben uns damit beschäftigt, ob das jähe Ansteigen der Ausreißerquote in einem Kinderheim mit dem „geheimen“ sexuellen Verhältnis zwischen dem Chef und der Hauswirtschaftsleiterin zusammenhängt. Wir haben uns gefragt, ob es eine billige Metapher oder ein Spiegelphänomen ist, wenn es in Kindergärten so kindisch zugeht oder eine Stationsleiterin nicht weiß, ob sie die alkoholkranke Mitarbeiterin pflegen oder führen soll. Wir haben über die Rolle der Laientheologen in der katholischen und über die der Diakone in der evangelischen Kirche nachgedacht und herauszufinden versucht, welches Gesicht das Peters-Prinzip1 in sozialen Einrichtungen hat.
Mit dem vorliegenden Text wollen wir vor allem jene Menschen, die keine Gelegenheit für ein Soziologiestudium oder eine Supervisionsausbildung haben, dafür gewinnen, sich für Institutionen zu interessieren. Es ist jammerschade, wenn kluge und neugierige Erzieherinnen, Krankenschwestern oder Sozialpädagoginnen die Lust an der Arbeit verlieren, weil sie das Sozio-Chinesisch, mit dem ihnen während ihrer Ausbildung die sozialen Strukturen deutlich gemacht wurden, ebenso schnell vergessen wie sie es widerwillig erlernt haben,. Wir alle leben in diesen Strukturen wie der Schiffbrüchige im Bauch des Wals. Wir können ihnen nicht entkommen, aber wir können uns in ihnen orientieren, und auf diese Weise viele schmerzhafte Zusammenstöße und vergebliche Bemühungen vermeiden. Damit trägt dieses Wissen zum Ideal professioneller Arbeit bei: mit möglichst wenig Aufwand möglich viel zu erreichen.
Wer sich dafür entscheiden kann, eine entmutigende, nach seinem ersten Gefühl unerträgliche Arbeitssituation zu erforschen, hat eine Chance für seine Entwicklung gewonnen. Anstöße für eine solche Forschung bietet immer die Geschichte der Widerstände