Vermisst. Блейк Пирс
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Aber es war nicht gut, dass Mom die Tür aufgesperrt ließ, während sie ein Nickerchen machte.
Ich muss mit ihr darüber sprechen.
Währenddessen wurde Lori etwas unentschlossen. Es wäre schade jetzt hochzugehen und Mom zu wecken, wenn sie so tief und fest schlief. Andererseits hatte sie einige Mühen auf sich genommen, um ihren Dienstplan so umzustellen, dass sie vorbeikommen konnte.
Ich hätte vorher anrufen sollen, dachte sie sich.
Sie beschloss hochzugehen und kurz ins Schlafzimmer ihrer Eltern reinzuschauen, um zu sehen wie fest Mom denn nun schlief. Sollte sie aufwachen, würde Lori ihr sagen, dass sie da war. Wenn nicht, würde sie vielleicht einfach leise wieder gehen.
Als sie die Treppen hochstieg, erlebte Lori einen bekannten Anflug tiefer Nostalgie. Wie immer rief dieses Haus viele Erinnerungen hervor, die meisten davon waren sehr schön. An Loris jetzigem Leben gab es nichts Schlechtes, aber sie konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass sie ihre glücklichsten Tage genau hier verbracht hatte.
Werde ich jemals wieder so glücklich sein? fragte sie sich.
Sie hoffte darauf, dass ihr Leben eines Tages ein wenig kompletter sein würde, als es jetzt war.
Und wäre es nicht wundervoll, wenn es genau hier passieren könnte?
Lori und ihr Mann Roy hatten oft darüber gesprochen, dieses Haus zu kaufen. Sie fanden beide, dass Mom es in einem kleineren Haus besser hätte, oder vielleicht in einer gemütlichen Wohnung, um die sie sich besser kümmern könnte, und wo sie nicht andauernd daran erinnert werden würde, wie Dad sie verlassen hatte. Es wäre sicherlich auch besser für ihr Allgemeinbefinden.
Lori dachte sich, dass dies der perfekte Ort wäre, um ihre eigene Familie zu gründen, was, wie sie und Roy beide fanden, bald passieren sollte. Für einen Moment konnte sie beinahe den Klang lachender Kinderstimmen, und herumlaufender Kinderfüße hören, die von einem Zimmer ins nächste rannten, so wie sie und ihre Geschwister es vor Jahren selbst getan hatten. Wenn Mom doch nur bereit wäre umzuziehen, und wenn sie ihnen natürlich doch nur ein Angebot machen würde, dass sie sich leisten konnten.
Mom sagte oft, dass sie langsam ungeduldig auf Enkelkinder wartete, aber sie schien nicht zu begreifen, dass ihr Auszug diesen Prozess beschleunigen könnte. Sie bestand stur darauf weiter hier zu wohnen, und weigerte sich auch nur darüber nachzudenken, irgendwo anders hinzuziehen.
Vielleicht ändert sie ja irgendwann ihre Meinung, dachte Lori.
Falls das passieren würde, so hoffte sie, dass es passieren mochte, bevor sie Kinder kriegte.
Als Lori im Flur des zweiten Stocks angelangt war, bemerkte sie, dass Moms Schlafzimmertür einen Spalt weit offenstand. Normalerweise schloss Mom die Tür, wenn sie sich hinlegte. Plötzlich kam es Lori ein bisschen komisch vor, dass Mom sie nicht hatte rufen hören. Wurde sie vielleicht langsam etwas taub? Wenn dem so war, so hatte Lori es bisher nicht bemerkt.
Lori ging auf die Schlafzimmertür zu und stieß sie leise auf. Im Schlafzimmer war niemand und das Bett sah perfekt gemacht aus.
Sie dachte sich, dass Mom wohl irgendwo hingegangen war.
Und das ist wahrscheinlich gut.
Mom saß in letzter Zeit viel zu oft eingesperrt alleine in diesem riesigen Haus rum. Als Lori vor ein paar Tagen da war, hatte Mom erwähnt, dass sie vielleicht mit ein paar Freunden ausgehen würde, mit denen sie freitags in der Kirche Bingo spielte. Lori hatte ihr geantwortet, dass sie das für eine ausgezeichnete Idee hielt.
Aber heute war nicht Freitag, und wo auch immer Mom hingegangen sein mochte, es war besorgniserregend, dass sie die Eingangstür nicht abgeschlossen hatte. Lori begann sich zu fragen –– hatte Mom vielleicht begonnen mental etwas abzubauen? Dieser Gedanke hatte ihr in letzter Zeit oft Sorgen bereitet. Moms Erinnerungsgabe war immer außerordentlich gut gewesen, doch in letzter Zeit hatte sie begonnen Kleinigkeiten zu vergessen.
Lori versuchte sich damit zu beruhigen, dass Mom immer noch ziemlich jung war für das Eintreten von Demenz. Jedoch wusste sie aufgrund ihrer Arbeit im Krankenhaus, dass es doch möglich war. Sie wollte gar nicht daran denken, dass sie mit Mom darüber sprechen müsste, und auch nicht daran, wie viel Leid und Sorgen mit diesem Gespräch sicherlich einhergehen würden.
In der Zwischenzeit, so beschloss Lori, konnte sie aber ebenso gut nach Hause fahren.
Sie stieg die Treppe wieder hinunter und hielt kurz inne, um ins Esszimmer hineinzuschauen. Ein kurzer Schmerz durchfuhr sie, als sie den langen Esstisch nicht an seinem gewohnten Platz wiederfand, wo sie, ihre Schwester und ihre Brüder leckere Mahlzeiten und die Gespräche mit ihren Eltern genossen hatten.
So fest entschlossen Mom auch gewesen war, genauso weiterzuleben, wie sie es bisher getan hatte, so war sie gleichzeitig einfach nicht mehr in der Lage gewesen, alleine an diesem großen Tisch zu sitzen. Er bot genug Platz, um alle Familienmitglieder drum herum zu versammeln, die nicht mehr im Haus lebten, und konnte sogar ausgezogen werden, um zusätzlichen Gästen Platz zu bieten. Lori konnte verstehen, wieso Mom den Tisch loswerden wollte. Sie hatte ihr geholfen den Tisch und die dazugehörigen Stühle zu verkaufen und eine kleinere Esszimmergarnitur zu kaufen.
Dann fiel Lori etwas Merkwürdiges auf. Normalerweise standen vier Stühle um den neuen quadratischen Esstisch herum. Doch jetzt waren es nur drei.
Mom musste den vierten Stuhl irgendwo anders hingestellt haben, doch wieso?
Vielleicht hatte sie ihn benutzt, um eine Glühbirne auszuwechseln, oder an ein hohes Regal zu kommen.
Lori dachte besorgt: Eine weitere Sache, über die wir reden müssen.
Mom besaß schließlich eine Tretleiter, die sehr viel sicherer für solche Aufgaben benutzt werden konnte. Sie sollte es besser wissen, als einen Stuhl zu verwenden.
Lori schaute sich um und versuchte den verschwundenen Stuhl zu entdecken, als ihr Blick auf den schmalen Marmortresen fiel, der das Esszimmer von der Küche trennte. Sie sah einen rötlichen Fleck am hinteren Ende des Tresens.
Das war wirklich merkwürdig. Mom hatte den Haushalt schon immer äußerst sorgfältig geführt, und war besonders besessen darauf, ihre Küche blitzblank zu halten. Es sah ihr gar nicht ähnlich, etwas zu verschütten und es nicht sofort wegzuwischen.
In Lori begann sich Panik breitzumachen.
Irgendetwas stimmt nicht, dachte sie.
Sie eilte zum Tresen und schaute hinein in die Küche.
Dort auf den Boden lag ihre Mutter, ausgestreckt in einer Blutlache.
„Mom!“, schrie Lori mit heiserer Stimme auf.
Ihr Herz raste und sie spürte, wie ihre Arme und Beine kalt und taub wurden. Sie wusste, dass sie in Schock war, aber sie musste versuchen Herrin ihres Verstandes zu bleiben.
Lori kniete sich nieder und sah, dass die Augen ihrer Mutter geschlossen waren. Auf ihrem Kopf befand sich eine tiefe Wunde. Lori kämpfte gegen die Gefühle der Ungläubigkeit, des Horrors und der Verwirrung an. Ihre Gedanken waren ganz wirr, während sie versuchte zu begreifen...
Was war geschehen?