Nur den Tapferen. Морган Райс

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Nur den Tapferen - Морган Райс

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      Raymond konnte verstehen, warum sein kleiner Bruder das wissen wollte. Die Vorstellung, hingerichtet zu werden, war schon schlimm genug, doch nicht zu wissen, wie das Ganze genau vonstatten ging, wo es geschehen würde oder wie, war noch viel schlimmer.

      „Ich weiß es nicht“, brachte Raymond heraus. Selbst das Sprechen bereitete ihm Schmerzen. „Wir müssen tapfer sein, Garet.“

      Er sah seinen Bruder nicken. Er sah entschlossen aus ungeachtet der Lage, in der die drei sich befanden. Um sie herum zog auf beiden Seiten die Landschaft mitsamt ihren Höfen und Feldern an ihnen vorbei. In der Ferne stand der Wald. Sie kamen auch an einigen Hügeln und Häuschen vorbei, die Stadt schien jetzt in weiter Ferne zu sein. Ihr Karren wurde von einem Wächter gefahren während ein zweiter mit Armbrust bei Fuß neben diesem saß. Zwei weitere ritten neben ihrem Karren. Sie blickten sich um, als würden sie jeden Moment mit Ärger rechnen.

      „Klappe halten da hinten!“ schrie derjenige mit der Armbrust ihnen zu.

      „Was habt ihr mit uns vor?“ fragte Lofen. „Mehr als nur hinrichten?“

      „Eure Großmäuler haben euch wahrscheinlich diese Spezialbehandlung eingebracht“, sagte der Wächter. „Die meisten Kerkerinsassen erledigen wir gleich an Ort und Stelle, so wie der Herzog das will, kein Problem. Ihr seid allerdings gerade auf dem Weg dorthin, wo man diejenigen hinbringt, die ihn wirklich verärgert haben.“

      „Und wo soll das sein?“ fragte Raymond.

      Der Wächter grinste widerlich als er antwortete. „Hört ihr das, Jungs?“ sagte er. „Sie wollen wissen, wo sie hinfahren.“

      „Das werden sie noch früh genug erfahren“, sagte der Fahrer und ließ die Zügel schnalzen, um das Pferd ein wenig schneller voranzutreiben. „Ich wüsste nicht, warum wir Kriminellen irgendetwas sagen sollten, außer dass sie all das kriegen, was sie verdient haben.“

      „Verdienen?“ fragte Garet vom hinteren Teil des Karrens. „Wir verdienen das hier sicherlich nicht. Wir haben nichts Falsches getan!“

      Raymond hörte seinen Bruder aufschreien, als die Peitsche eines der Reiter neben ihnen seine Schultern traf.

      „Denkst du irgendjemand will hören, was du zu sagen hast?“ knurrte der Mann. „Stell dir vor, jeder den wir auf diesen Weg geschickt haben, hat versucht, seine Unschuld zu beteuern. Der Herzog hat euch zu Verrätern erklärt, also werdet ihr den Tod eines Verräter sterben!“

      Raymond wollte nachsehen, ob es seinem Bruder gut ging, doch die Ketten ließen das nicht zu. Er dachte darüber nach, ob er einfach weiter darauf bestehen sollte, dass sie nichts weiter getan hatten als sich gegen ein Regime zu stellen, das versuchte, ihnen alles zu nehmen. Doch genau das war der Punkt. Der Herzog und sein Adel taten, was immer ihnen beliebte; das hatten sie immer schon. Natürlich konnte der Herzog sie hinrichten lassen, denn genau so liefen die Dinge hier.

      Bei diesem Gedanken zerrte Raymond an seinen Ketten als wäre es möglich, sich mit bloßer Kraft von ihnen loszureißen. Das Metall hielt seinen Versuchen mühelos stand und nahm ihm das letzte bisschen Kraft, das ihm noch geblieben war. Schließlich brach er auf dem Holzkarren zusammen.

      „Schaut euch den an. Er versucht, sich zu befreien“, sagte der Mann mit Armbrust lachend.

      Raymond sah, wie der Fahrer die Schultern zuckte. „Besser sie wehren sich jetzt als nachher, wenn die Zeit gekommen ist.“

      Raymond wollte fragen, was der Mann damit meinte, doch er wusste, dass er keine Antwort kriegen würde höchstens ein paar Schläge so wie sein Bruder. Ihm blieb nichts anderes übrig als still dazusitzen, während der Wagen seine wacklige Fahrt über die schlammige Straße fortsetzte. Das, so vermutete er, war bereits Teil der Folter: das Nicht-Wissen und das Bewusstsein für die eigene Hilflosigkeit sowie die vollständige Unfähigkeit, irgendetwas zu unternehmen oder herauszufinden, wohin sie fuhren oder gar den Karren von seinem Kurs abzubringen.

      Er fuhr durch die Felder, an Bäumen und stillen Dörfern vorbei. Der Weg schien jetzt anzusteigen. Sie fuhren hinauf in Richtung eines Forts, das auf einem Hügel thronte und das beinahe so alt wie das Königreich selbst sein musste. Seine Ruinen ragten wie das Testament eines längst vergangenen Königreichs in den Himmel.

      „Wir sind gleich da, Jungs“, sagte der Karrenfahrer mit einem Grinsen, das verriet, wie sehr er das gerade genoss. „Seid ihr bereit, zu sehen, was sich Herzog Altfor für euch ausgedacht hat?“

      „Herzog Altfor?“ fragte Raymond ungläubig.

      „Euer Bruder hat den alten Herzog getötet“, sagte der Mann mit Armbrust. „Hat dem Herzog im Graben einen Speer ins Herz gejagt und ist dann wie der Feigling, der er nun einmal ist, davongerannt. Jetzt werdet ihr für seine Tat büßen.“

      Nachdem er das gesagt hatte begannen Raymonds Gefühle und Gedanken zu rasen. Wenn Royce das wirklich getan hatte, dann hatte ihr Bruder etwas Großes für die Freiheit aller erreicht, und er war ihnen entkommen; beide Tatsachen waren ein Grund zum Feiern. Gleichzeitig konnte Raymond sich leibhaftig vorstellen, was der Sohn des ehemaligen Herzogs tun würde, um Rache zu nehmen, und da Royce ihnen entwischt war, waren sie das nächste logische Ziel.

      Er verfluchte Genoveva dafür. Wenn sein Bruder sie nie kennengelernt hätte, dann wäre nichts von alldem geschehen, und schließlich war Royce ihr offenbar ja vollkommen egal, oder?

      „Aha“, sagte der Mann mit Armbrust. „Ich glaube, sie fangen an, es zu verstehen.“

      Die Pferde, die den Karren zogen, trabten weiter. Sie bewegten sich mit der Gleichmütigkeit von Tieren, die eins mit ihrer Aufgabe geworden waren und die wussten, dass sie zumindest dorthin zurückkehren würden, wo sie hergekommen waren.

      Sie fuhren den Hügel hinauf, und Raymond konnte spüren, wie die Anspannung unter seinen Brüdern zunahm. Garet wippte vor und zurück als würde er so einen Weg finden, sich von seinen Ketten zu befreien und vom Wagen zu springen. Sollte ihm das gelingen, so hoffte Raymond, dass er seine Chance nutzen und davonlaufen würde ohne sich noch einmal umzublicken, auch wenn die Wachen ihn wahrscheinlich niedermetzeln würden noch bevor er die ersten zehn Schritte getan hatte. Lofen ballte seine Hände zusammen und ließ sie dann wieder locker. Er flüsterte etwas, das wie ein Gebet klang. Raymond bezweifelte, dass das irgendetwas ausrichten würde.

      Schließlich erreichten sie den Kamm des kleinen Berges, und Raymond erblickte nun das, was sie dort erwartete. Es war genug, als dass er in dem Wagen zurückwich und wie angewurzelt sitzen blieb.

      Auf dem Kamm des Berges hatte man zahllose Käfige aufgehängt, die im Schatten der Turmruine an Ketten baumelnd im Wind quietschten. Körper befanden sich in ihnen. Von einigen war kaum mehr als das Skelett übrig, andere waren unversehrt genug, dass Raymond die schrecklichen Wunden und Bisse erkennen konnte, die ihre Körper überzogen und die Verbrennungen und Stellen, an denen die Haut wohl mit langen Messern weggeschnitten worden war. Zeichen waren in das Fleisch geschnitten worden, und Raymond erkannte unter ihnen eine Frau wieder, die man zuvor aus ihrem Kerker gezerrt hatte und der man Kreise und Runen in die Haut geritzt hatte.

      „Picti“, flüsterte Lofen entsetzt, doch konnte Raymond sehen, dass das längst nicht das schlimmste war. Die Menschen in den Käfigen wiesen Wunden auf, die darauf hindeuteten, dass sie gefoltert und ermordet worden waren und dass sie dem Zorn irgendwelcher Völker, die vielleicht zufällig hier vorbeigekommen waren, ausgesetzt

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