Tod einer Bikerin. Klaus Heimann

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Tod einer Bikerin - Klaus Heimann Krimi

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worden war. Es beschreibt das Gefühl ziemlich treffend.

      Ich lebte meinen Ruhestand in dem Irrtum, mich könnte kein mörderisches Geheimnis mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Weit gefehlt!

      Tief unter den Alltäglichkeiten, die mein Dasein als Frührentner takteten, schlummerte anscheinend ein verdrängter Ehrgeiz - möglicherweise angeheizt durch den Umstand, gewisse kriminalistische Fähigkeiten nicht mehr ausspielen zu dürfen. Er ist über mich gekommen wie ein längst überwunden geglaubter Infekt, wie eine schlummernde Gürtelrose nach den Windpocken der Kinderjahre. Die Lehren aus meinem Leichtsinn bei der Aufklärung des Nordkap-Falls habe ich einfach beiseite gewischt.

      Ich hasse den Lügner, zu dem ich unter Heiligung der Mittel zum Zweck geworden bin. Den Schwindler, der sich nicht scheute, die wichtigsten Menschen in seinem Leben zu hintergehen. Allen voran Lotte, meine Frau. Eigentlich heißt sie Charlotte und mag die Verstümmelung ihres Namens nicht. Mir lässt sie das durchgehen, wie vieles andere auch.

      Meine Angetraute ist wirklich eine patente Person. Wir harmonieren im Grunde prächtig. Nur ausnahmsweise kommt es zu den typischen kleinen Missverständnissen zwischen den Geschlechtern, die das Einschlafen einer Beziehung verhindern.

      Normalerweise weiß ich genau, ab wann es zurückzurudern gilt. Je mehr ich mich aber in den Mordfall, der mir einfach so vor die Füße geplumpst ist, verbissen hatte, desto gereizter wurde die Stimmung zu Hause. Ganz untypisch für mich, ging ich diesmal keinem Streit aus dem Weg. In diesem Sommer hatte mich der Teufel geritten und sogar die gute Beziehung zwischen Lotte und mir ins schiefe Licht gerückt. Natürlich war die Gereiztheit meinerseits eine Folge des erwachten krankhaften Ehrgeizes. Lotte hat nur darauf reagiert.

      Warum ich mich in Gefahr gestürzt habe? Warum ich die Menschen in meinem Umfeld so schlecht behandelt habe? Warum alles so weit gekommen ist?

      Ich kann diese Fragen schlussendlich nicht beantworten. Lag es nur an diesem krankhaften Ehrgeiz? Oder hingt es auch damit zusammen, dass Lotte immer noch ihrem Broterwerb nachgeht und ich deswegen einen Minderwertigkeitskomplex entwickelt habe? Spielte eine Rolle, dass ich meinen alten Job in schlechten Händen glaubte?

      Dies alles wird zu meinem Versinken im Sumpf beigetragen haben. Irgendwie bin ich hineingerutscht, ist eine Gemengelage entstanden, die mich mir selbst gegenüber fremd zurücklässt.

      Ihren Anfang nahmen die Geschehnisse um den Mordfall in Essen-Werden bereits mit einer heftigen häuslichen Disharmonie. Ich gehe gerne in die Kneipe. Nicht zu häufig, aber einigermaßen regelmäßig. Mit meinem Kumpel, dem Schutzpolizisten Eckhard Schulz, genannt Ecki. In letzter Zeit war ich des Öfteren zu unvorsichtig gewesen und hatte dabei ein, zwei Pils über den Durst getrunken. Bereits Anzeichen einer gewissen dauerhaften Unterforderung und eines Gefühls des Überflüssigseins?

      Egal. Jedenfalls stolperte ich in den entscheidenden Abend, ab dem die Dinge ihren Lauf nahmen, mit einer Ermahnung.

      ***

      »Und dass du dir nicht wieder die Hucke vollsäufst!«

      Ich hörte Lottes Ermahnung in dem Moment, als ich die Wohnungstür hinter mir zuschlug. Keine zehn Sekunden vorher hatte sie mir im Flur einen Kuss aufgedrückt und einen schönen Abend gewünscht. Bester Laune und voller Vorfreude war ich über die Schwelle geschritten. Und dann diese überflüssige Bemerkung aus dem Hintergrund. Vielleicht meinte meine Angetraute es gar nicht so herabwürdigend, wie es bei mir ankam. Trotzdem. Ein unnötiges Wechselbad!

      Wenn ich heute nach ausgiebigem Thekenturnen spätabends nach Hause käme, würde ich mich natürlich nicht unbedingt wie eine Schleichkatze fortbewegen. Immerhin hatte ich mir das muntere Pfeifen eines Liedchens im Nachklang wunderschöner Abende am Tresen lange abgewöhnt. Diesen Punkt auf der langen Liste ihrer Erziehungsziele in Bezug auf ihren Ehemann hatte Lotte erfolgreich umgesetzt. Mit der für sie typischen, sanften Hartnäckigkeit. Vielleicht verursachten sogar das Öffnen und Schließen der Wohnungstür und das Abwerfen der Klamotten im Flur lediglich Geräuschbelästigungen unterhalb des Anstoß-Levels. Wenn ich das Schlüsselloch auf Anhieb traf …

      Nicht zu verhindern wäre, dass ich schnarchte. Wie immer bei erhöhtem Drogenspiegel. Dies zu beeinflussen stand außerhalb meiner Macht. Aber dafür würde ich erst morgen früh gerügt. Großzügig über diese Dinge hinwegzusehen, das würde Lotte gut anstehen. Meiner Meinung nach. Schließlich finden solche Umtrünke höchstens alle vier bis sechs Wochen statt.

      An diesem frühen Juniabend war die Luft angenehm warm. Der längste Tag des Jahres stand kurz bevor. Ich beschloss, den üblichen etwa halbstündigen Umweg einzuschlagen, wenn ich zu einem genüsslichen Männerabend unterwegs war. So hatte ich es immer gehalten. Häufig sogar auf dem Rückweg, wenn mein Gang nicht mehr unbedingt die straffe Zielgerichtetheit aufwies, die ihm normalerweise zu eigen ist. Nur zu der Zeit, als mein Knie infolge der Operation noch schmerzte, habe ich notgedrungen auf den zusätzlichen Schlenker verzichtet.

      Nach wie vor leicht gekränkt wegen Lottes Ermahnung, schlenderte ich die Straße hinunter auf meinen alten Arbeitsplatz zu: das Polizeipräsidium Essen. Ich querte die Grünanlage, in der Sturm Ela am Pfingstmontag 2014 die mächtige Buche gefällt hatte. Mich gähnte der Platz an, an dem sie seinerzeit in Sichtweite zum Polizeipräsidium beharrlich auf mein Erscheinen gewartet hatte. Mit der Geduld eines Baumes. Seit Jahr und Tag haben sie auf dem Gelände, wo sie stand, eine Baustelle eingerichtet. Planierraupen und Bagger standen neben haushohen Erdhügeln.

      Oft, wenn nicht immer, hatte ich mich auf dem Heimweg von einer Zechtour am Stamm der Buche erleichtert. Direkt gegenüber dem Portal meines Brötchengebers. Merkwürdig, dass mir erst neulich, lange nach meiner aktiven Zeit, in den Sinn gekommen war, dass ich dem Polizeipräsidenten sozusagen jahrelang vor die Hütte gepisst hatte. Vielleicht hat meine Loyalität dem Apparat gegenüber verhindert, dass ich eher auf diesen Kalauer gekommen bin.

      Die im Grunde hohle Sprechblase munterte mich auf. Ich zeigte dem Polizeipräsidium, in dem ich die überwiegende Zeit meines Berufslebens abgedient hatte, eine lange Nase. Dann ging ich zur Zweigertstraße hinüber und wechselte zunächst die Fahrbahnseite. Am nächsten Abzweig unternahm ich einen Abstecher in das Wohnviertel dahinter.

      Irgendwann erreichte ich die Rüttenscheider Straße, Lottes und meine Flaniermeile. Auf der »Rü« hielt ich mich entlang von Geschäften und Gastronomie südwärts bis zur Einmündung der Emmastraße. Von hier war es nicht mehr weit bis zu Guido, meinem Lieblingswirt, bei dem ich verabredet war.

      Ich betrat die Kneipe durch die ehrwürdige alte Pforte. Ihr hufeisenförmiger Tresen aus dunklem Holz war gut besetzt. Einen Moment blinzelte ich, noch von der Sonne geblendet. Dann entdeckte ich meinen Freund Ecki an einer der Rundungen des Tresens stehen. Aufmunternd prostete er mir mit einem Pils zu. Das verstärkte das Trockenheitsgefühl in meiner Kehle schlagartig.

      Mit ausgebreiteten Armen ging ich auf Ecki zu, um ihn standesgemäß zu begrüßen. »Hallo mein Freund. Vorsprung? Das sehe ich nicht gerne!«

      »So weit geht unsere Freundschaft nicht, dass ich hier verdurste, während ich auf dich warte!«

      Der lockere Ton, der zwischen uns herrscht, lässt jeden gemeinsamen Umtrunk wie eine nahtlose Fortsetzung des vorangegangenen wirken. Wir fielen uns herzlich in die Arme und tätschelten uns gegenseitig den Rücken. Als ich von Ecki abließ, stellte Guido gerade unaufgefordert den ersten schäumenden Longdrink des Abends vor mir ab. Ein aufmerksamer Wirt! Da braucht es keine extra Bestellung.

      »Danke Guido. Alles im Lack?«

      »Bestens,

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