Ich schenke dir den Tod. Ralf Gebhardt
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Читать онлайн книгу Ich schenke dir den Tod - Ralf Gebhardt страница 11
»Tut mir leid, dass ich Sie gestört habe. Trotzdem herzlichen Dank.«
»Gern.« Sie stand nicht auf und ergriff auch nicht seine Hand, die er ihr zum Abschied reichte.
»Wissen Sie, ich habe nachgedacht. Das mit den fünf Jahren lässt mir keine Ruhe. Sie haben das auch bemerkt, sind ein schlaues Köpfchen, haben den möglichen Zusammenhang zwischen den regelmäßigen Treffen und dem Fund hergestellt. Ich hätte Sie damals gern in meiner Klasse gehabt, Herr Kriminalhauptkommissar.«
Er sah sie an, ohne etwas zu sagen.
»Zeigen Sie mir noch mal das Telefon.«
Dann zoomte sie in eines der Dokumente.
»Genau, das ist die Liste der ehemaligen Lehrer. Fangen Sie mit den weiblichen Lehrkräften an. Einige davon habe ich schon sehr lange nicht mehr gesehen. Vielleicht wissen die etwas.«
Störmer nickte. Interessanter Ansatz. Somit hatte er zumindest einen neuen Plan.
Jetzt stand sie auf, der Besuch war beendet.
Auch wenn er es im Moment noch nicht wusste: Wenig später würde er ihr für diesen Tipp sehr dankbar sein.
Noch im Stehen leerte Störmer eine Cola und seufzte erleichtert. Der Tag hatte bereits mehr Abwechslung für ihn bereitgehalten, als er erwartet hatte.
Er stieg ein, blickte kurz auf die Liste, konzentrierte sich dabei auf die Lehrerinnen, programmierte sein Navi und fuhr nur wenige Straßen weiter. Er klingelte bei Familie Hesse.
Es dauerte eine Weile, bis eine alte Frau die Tür öffnete.
»Ja?«
»Mein Name ist Störmer, ich möchte …«
»Was?«
»Ich möchte …«
»Häh?«
Nun erschien ein weiteres Rentnergesicht in der Tür. Wie sich herausstellte, gehörte es dem Ehemann.
»Entschuldigen Sie, sie hört Sie nicht.« Er schob seine Frau zur Seite, bis er selbst den Türrahmen voll ausfüllte.
»Was wollen Sie, Herr Störmer?«
»Ich möchte gern zu Frau Andrea Hesse.«
»Auf Wiedersehen.« Er trat zurück und knallte die Tür zu. Das Geräusch hallte nach.
Noch erschrocken klingelte Störmer erneut. Beim dritten Mal öffnete sich ein kleiner Spalt, Rentner Hesse schrie fast: »Hauen Sie ab, sonst rufe ich die Polizei!«
Bevor er die Tür wieder schließen konnte, hatte Störmer seinen Fuß dazwischengeschoben.
»Nicht nötig, ist schon da.« Er zeigte den Dienstausweis.
»Was ist mit Andrea? Was wollen Sie von ihr?« Der Alte sah ihn an, seine Stimme zitterte und sein Gesicht verlor deutlich an Farbe.
»Darf ich reinkommen?«
Sie gingen ins Wohnzimmer. Es war im 80er-Jahre-Stil eingerichtet, viele Möbel stammten noch aus DDR-Zeiten.
»Erna, hol am besten mal dein Hörgerät.« Er tippte sich an seine Ohren. Störmer wartete, bis sie sich wieder gesetzt hatten.
»Es tut mir leid, wenn ich Sie erschrocken habe. Ich möchte einfach Frau Andrea Hesse sprechen.«
»Das möchten wir auch.«
Die beiden sahen sich an. In ihren Bewegungen lag deutlich sichtbar Trauer und Verzweiflung. Um Ihnen Zeit zu geben schwieg Störmer.
»Wir haben Andrea schon sehr, sehr lange nicht mehr gesehen. Und jetzt kommen Sie, mit einem Polizeiausweis.«
»Erzählen Sie mir doch von ihr.«
»Andrea war unser Sonnenschein, alles, was wir haben. Wissen Sie, sie war sehr hübsch und intelligent.« Der Alte schnäuzte sich. »Also, zusammengefasst, Andrea ist oder war …« Er unterbrach sich nur kurz, setzte sich steif auf. »Sie war eine gute Lehrerin, alle mochten sie.«
»Was hat sie denn für Fächer unterrichtet?«
»Geschichte und Staatsbürgerkunde. Heute sagt man wohl Ethik dazu.«
»Ich weiß, was das ist, bin auch im Osten aufgewachsen.«
»Ach so, dann wissen Sie, wie das so war mit der Wende und so. Sie hatte es schwer, denn sie hat an das geglaubt, was sie vermittelt hat.«
Nach einer kurzen Pause sprach Frau Hesse leise zu ihrem Mann: »Sprich bitte nicht in der Vergangenheit von ihr, okay?« Sie weinte, war in sich zusammengesunken.
»Und dann?«
»Nun, sie hatte Freunde, irgendwo in der Sowjetunion. Brieffreunde, richtige Freunde, was weiß ich. Die haben auf so einer politischen Ebene geschwebt, wollten die Welt verbessern. Haben ewig geredet, vom Kommunismus und so. Nur Gequatsche!« Der Alte spuckte ins Taschentuch. Dann nahm er seine Frau in den Arm.
Störmer versuchte, das Gespräch am Laufen zu halten.
»Ist sie mit diesen Freunden weggegangen?«
»Hm.«
»Wohin?«
»Weiß nicht, keine Ahnung.«
»Haben Sie eine Vermisstenanzeige aufgegeben?«
»Nein, sie ist nicht vermisst, klar? Und jetzt lassen Sie uns in Ruhe.«
»Ja, natürlich, nur eine Frage noch: Wann haben Sie zuletzt von ihr gehört, sie gesehen oder mit ihr geredet?«
»Erna?«
Frau Hesse stand auf und kam mit zwei Bilderrahmen zurück. Vorsichtig reichte sie diese Störmer. Er vermutete russische Ansichtskarten, deutlich verblichen.
»Schön, danke.«
Behutsam drehte er den Rahmen.
»Darf ich mir auch die Rückseiten der Karten ansehen?«
Beide nickten. Er schob die Klemmen der Rückwand zur Seite. Schnell blickte er auf die Poststempel, 1993 und 1995, eine aus Prag und eine aus Russland. Als er den Text lesen wollte, sprang Frau Hesse auf und riss die Karten an sich.
»Erna, hab keine Angst, er nimmt sie dir ja nicht weg! Die sind doch nur für uns, von unserer kleinen Andrea.« Er versuchte, die Tränen zu unterdrücken.
Störmer hatte bereits zum Handy gegriffen.
»Auf keinen Fall, ich möchte nur …«
Frau Hesse setzte zu einem schrillen Schrei an. Ihr Mann fasste sie bei den Schultern, sah ihr so lange in die Augen, bis sie sich beruhigt hatte.
»Nein,