Ich schenke dir den Tod. Ralf Gebhardt
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Inzwischen war der Behälter zu mehr als einem Drittel mit Blut gefüllt, ausreichend, um damit das Holzkreuz auf dem Schrein zu streichen. Er tanzte wie ein Kind singend durch den Keller und freute sich über den intensiven, metallisch-sauren Geruch.
Als er mit dem Bemalen fertig war, legte er den Pinsel in das Einmachglas zu den Katzenköpfen. Daneben stand ein weiteres leeres Glas, das einst Gewürzgurken beheimatet hatte. Bald würde er es mit Säure füllen. Aber bis dahin fing er bestimmt mit den Fallen noch genügend andere Tiere.
Schließlich ging er zurück zum Kissen, kniete sich nieder und betete. Nach kurzer Zeit füllten sich seine Augen mit Tränen. »Mama, ich weiß nicht, ob du meinen Brief lesen kannst, deshalb lese ich ihn dir vor.« Er griff in seine Hosentasche und holte einen sorgfältig gefalteten Zettel heraus. »Meine liebe Mama, es gab keinen einzigen Tag in den letzten dreißig Jahren, an dem ich nicht an dich gedacht habe, keinen einzigen Tag, an dem du mir nicht gefehlt hast. Deine Seele ist gegangen, hat mich zurückgelassen und gezwungen, stark zu werden. Ich habe es versucht. Und ich habe dir auch versprochen, die zu bestrafen, die böse zu mir waren. Und heute, Mama, mache ich aus diesem Versprechen einen Schwur. Wenn ich am nächsten Monatsersten wieder hier bei dir bin, beweise ich es dir.«
Er setzte die scharfe Schneide der Axt auf sein Handgelenk und tunkte den Daumen in das hervorquellende Blut, um ihn wie ein Siegel auf den Brief zu drücken. Anschließend nahm er den Zettel und hielt ihn in die nächstgelegene Flamme einer schwarzen Kerze. Seine Schultern bebten, als er versuchte, seine Tränen zu trocknen.
Er stand auf, strich über das Kissen, küsste den Schrein und verneigte sich.
»Meine Zeit ist gekommen. Ich schwöre es dir. Amen«
Er bekreuzigte sich und ging mit festen Schritten zum Ausgang, griff den Müllbeutel und den Benzinkanister.
SIEBEN
Na dann, zum Wohle!«
»Prost.«
Die beiden Männer genossen den Feierabend in der Sternstraße, der halleschen Kneipengasse. Das gemeinsame Bier war für sie ein Ritual. Ebenso, dass Staatsanwalt Nagel mit Fragen stichelte und Störmer sich alles aus der Nase ziehen ließ. »Und?«
»Was und?«
»Nun hab dich doch nicht …«
»Schon gut, es gibt keine Neuigkeiten. Oder doch, ich habe eine sehr kurze Liste mit Vermissten vom LKA bekommen.«
»Hm …«
Sie tranken schweigend ein weiteres Pils.
»Also haben wir erst mal nichts außer einem Grablicht mit menschlicher Asche, Schmuck, Beigaben, Katzenknochen, keine DNA …«
»Genau. Weißt du, das mit den Katzenknochen geht mir kaum aus dem Kopf.«
»Mir auch, ich habe eine Liste mit meiner Meinung nach möglichen Lösungen in die Akte gelegt. Erstens: Zufall. Zweitens: Asche und Katze haben gar nichts miteinander zu tun. Drittens: Der oder die Täter nutzten die Grube, um eine gestorbene Katze gleich mit zu beerdigen. Oder viertens: Das ist ein Ritus.«
»Viertens scheint mir vorerst zu passen.«
»Aber schau, es gibt keine Vermissten, nichts.«
»Du weißt wie ich, dass die Leiche von woanders stammen kann.«
»Klugscheißer …« Nagel prostete ihm zu.
»Immerhin wissen wir, dass die Tat ungefähr fünf Jahre her sein muss. Das hat uns die Katze verraten.«
»Bedank dich doch bei ihr. Ach übrigens, um dich mal auf andere Gedanken zu bringen, du denkst doch noch an meine Einladung?«
»Ähm, klar doch, aufs Schloss …«
»Genau, Klassentreffen. Das ist übrigens auch immer alle fünf Jahre.«
»Na dann … Vielleicht fehlt einer aus der Runde?«
Sie schmunzelten.
»Werden wir sehen. Freue mich. Die Mädels sind schon eine Nummer für sich.«
»Wie weit ist es eigentlich konkret vom Schloss bis zur Wochenend-Waldsiedlung, also zum Fundort?«
»Nicht weit, das ist unmittelbare Nachbarschaft, lass es vielleicht sechs oder sieben Kilometer sein, kaum mehr.«
»Hm … Das mit den fünf Jahren werde ich weiter verfolgen, ich schaue mir an, was so in dieser Zeit passiert ist. Dabei kann ich mal einen Blick auf deine Mitschüler und natürlich auch auf deine Mitschülerinnen werfen.«
»Halt dich zurück und achte auf meinen Ruf als Staatsanwalt!«
Jetzt mussten sie herzhaft lachen.
»Einige werden hier nicht mehr wohnen, klar. Aber es ist ein Anfang, und die, die du hier triffst, solltest du fragen, was losgewesen ist. Hake bitte noch mal nach wegen der erweiterten Vermisstenliste, ja? Und ruf mich an, wenn es was Neues gibt.«
Störmer nickte.
»Früher war das hier eine coole Gegend, wir haben uns von niemandem was sagen lassen, waren die Kings. Es gab Banden. Nein, nicht wie du denkst, gemäßigt, die letzten Ostjahre, da gab es kaum Gewalt und so. Aber wir waren immer auf Achse, Mädels, Motorräder, Bier, Zigaretten.«
»Kann ich mir gut vorstellen, und das mit den Mädels geht noch bis heute.«
»Prost.«
Störmer wischte sich den Schaum am Sackoärmel ab. »Sag mal, könntest du mir helfen, eine Liste mit den Namen aller Schüler aufzustellen?«
Nagel hatte bereits einen Füller in der Hand. Etwas auffälliger, als angemessen stilvoll. Sie ließen sich vom Kneipenwirt ein Blatt geben. Dann wurde es zäh, denn sie kamen auf kaum mehr als die Hälfte der Schülernamen.
»Ich weiß nicht, ob das was bringt, ist wie Stochern im Nebel. Das mit den fünf Jahren und unserem Klassentreffen ist doch bestimmt nur Zufall …«
»Sicher, doch wir müssen irgendwo anfangen. Also bitte, lass uns weiter überlegen. Nehmen wir das, was wir haben.«
»Das bringt nichts, Richard, vergiss es. Aber weißt du was? Ich schreibe dir mal einige ehemalige Lehrer auf, die können dir bestimmt helfen, eine bessere Liste zu erstellen. Vielleicht hat sogar noch einer ein altes Klassenbuch.«
Nagel notierte ein Dutzend Namen, dann schob er die Liste über den Tisch, schraubte den Füller zu. Damit war für ihn die Angelegenheit vorerst erledigt.
»Eins noch, wenn sie dich fragen, woher du die Namen und Infos hast, kannst du mich ruhig erwähnen. Die Lehrer dürfen wissen, was aus mir geworden ist.« Er musste selbst grinsen. »Sag aber nichts von dem Klassentreffen, wir wollen unter uns sein, da brauchen wir keine Gäste.«
»Geht klar.«
Die Liste hatte Störmer bereits