Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Nikki sprang in ihre Arme und drückte sich fest an. Sandra hätte sie am liebsten gar nicht mehr losgelassen.
»Du bist aber die ganze Woche über brav und erzählst keine Geschichten mehr, die net stimmen«, ermahnte sie die Kleine.
»Bestimmt net«, versprach Nikki. »Jetzt kann ich mich doch die ganze Woche auf dich freuen.«
Diese Worte hallten noch nach, als Sandra längst schlafen gegangen war. Allerdings erfolglos. Das unerwartete Wiedersehen mit dem Kind, die Bekanntschaft mit dem Vater – Sandra konnte einfach keinen Schlaf finden, und immer wieder sah sie in der Dunkelheit Oliver Behringers Gesicht. Er war ihr sofort sympathisch gewesen, und der liebevolle Umgang, den er mit seiner Tochter pflegte, hatte ihr Herz sofort für ihn eingenommen. Sie war voller Erwartung auf das Wiedersehen am nächsten Wochenende.
*
Ilona Gruber ahnte instinktiv, daß etwas vorging, von dem sie ausgeschlossen war. Nicht nur, daß Oliver ihr merklich kühler begegnete, auch Nikki hatte sich verändert. Allein die Tatsache, daß die Kleine brav jeden Nachmittag zu Hause verbrachte und ihre anderen Eskapaden unterließ, versetzte die Kinderfrau in Erstaunen. Aber so sehr sie auch versuchte, Nikki auszufragen, die Mühe war umsonst. Ihr gegenüber gab sie sich schweigsam wie sonst auch.
Ilonas Erstaunen wuchs sich aus, als Oliver ihr am Freitag abend mitteilte, daß sie bereits am nächsten Tag freinehmen könne. Es war gerade so, als wolle er sie aus dem Haus haben. Mit dem untrüglichen Instinkt einer Frau, deren Liebe nicht erwidert wird, argwöhnte Ilona, daß nur eine andere Frau dahinterstecken könne.
Zwar tat sie am Samstag morgen, als wäre alles so wie immer, aber nach dem Frühstück ging sie auf ihr Zimmer und ließ sich nicht mehr sehen. Vater und Tochter vergaßen ganz, daß sie überhaupt noch im Haus war, als Sandra Hofmayr zu Besuch kam. Auf ihrer Suche nach immer neuen Schätzen hatte die Antiquitätenhändlerin schon viele Villen gesehen, doch im Hause der Behringers blieb selbst ihr noch der Mund offen stehen. Allerdings blieb ihr nicht viel Zeit zum Staunen, denn Nikki nahm sie sofort in Beschlag.
»Ich hab’ dir ein Geschenk mitgebracht«, sagte Sandra und reichte der Kleinen ein Päckchen, das mit einer Schleife zusammengebunden war.
Es war ein wunderhübsches Halstuch mit niedlichen Motiven aus bekannten Märchen darauf. Nikki bedankte sich und band es sogleich um.
»Komm, ich zeig dir mein Zimmer«, sagte das Madel.
»Gehen S’ nur«, nickte Oliver, dem man ansah, wie sehr er sich über den Besuch freute. »Ich mach inzwischen Kaffee.«
Der Tisch war draußen unter den Bäumen gedeckt. Ein leckerer Kirschkuchen stand darauf, den Erna Karber am Morgen auf Nikkis Wunsch hin gebacken hatte. Die Köchin hatte eigentlich einen Apfelkuchen machen wollen, doch das Madel bestand auf einen Kirschkuchen.
Ihr Zimmer hatte Nikki am Morgen eigenhändig aufgeräumt und präsentierte es voller Stolz. Sandra lobte sie tüchtig.
»Und das ist meine Mami«, sagte die Kleine und nahm ein gerahmtes Bild in die Hand, das auf dem Nachtkästchen stand.
Sandra betrachtete es. Andrea Behringer war eine wunderschöne Frau gewesen, die Ähnlichkeit mit ihrer Tochter war unverkennbar.
»Du bist deiner Mami sehr ähnlich«, sagte sie. »Eines Tages wirst du genauso hübsch aussehen wie sie hier auf dem Foto.«
»Das meint Papi auch immer«, antwortete Nikki und zog sie mit sich. »Jetzt komm, es gibt Kaffee und eine Überraschung.«
»Na, da bin ich aber gespannt.«
Oliver erwartete sie schon am Kaffeetisch, und Nikki freute sich diebisch, als Sandra den Kirschkuchen entdeckte und laut auflachte. Als die Kleine dann ihren Papa in das Geheimnis des Kirschkuchens einweihte, stimmte er in das Lachen ein.
Es wurde ein wunderschöner Nachmittag, angefüllt mit Spielen und Herumtoben, und als es langsam dunkel wurde, mußte Nikki schweren Herzens zustimmen, daß Sandra wieder aufbrach. Oliver Behringer ging ins Haus, um die Jacke der Besucherin von der Garderobe zu holen. Nikki und Sandra saßen derweil noch draußen. Das Madel sah die Frau nachdenklich an. Sandra, die den Blick bemerkte, schaute fragend zurück.
»Darf ich dich mal etwas fragen?« wollte Nikki wissen.
»Aber natürlich«, antwortete die Frau.
Nikki kletterte auf ihren Schoß und legte ihre Arme um Sandras Hals.
»Ich hab’ dir doch das Foto von der Mami gezeigt«, sagte sie. »Weißt du, ich hab’ sie schrecklich lieb, aber ich hätt’ auch gern’ eine neue Mami. So eine, die immer für mich da ist. Die mit mir spielt und Hausaufgaben macht. Dann bräuchte ich auch net immer zu anderen Leuten laufen.«
Sandra Hofmayr spürte bei diesen Worten einen dicken Kloß in ihrem Hals. Vergeblich bemühte sie sich, ihn hinunterzuschlucken. Nikki schaute sie beinahe zärtlich an.
»Kannst du net meine neue Mami sein?« fragte sie bittend.
Sandra schloß sie ganz fest in ihre Arme, während ein heißer Tränenstrom sich seine Bahn suchte.
*
Oliver Behringer war lautlos hinzugekommen. Er hatte die Worte seiner Tochter mitangehört. Gehört, wie sie von der toten Mutter sprach, die sie nie kennengelernt hatte und die sie dennoch liebhatte. Wie sehr liebte er diesen kleinen Engel dafür.
Sandra hob ihren Kopf, und er sah die Tränen, die sie geweint hatte. Nikki war ganz erschrokken.
»Hab’ ich was Falsches gesagt?«
Nikki sah ängstlich zwischen ihrem Vater und Sandra hin und her.
Die junge Frau schüttelte den Kopf.
»Nein, Spatz, deine Frage war goldrichtig«, sagte Oliver und nahm Sandras Hand.
»Könntest du dir vorstellen, Nikkis Mama zu sein?« fragte er, während er sie hochzog. »Und meine Frau?«
Seine Stimme hatte dabei einen rauhen Klang.
Nikki schaute mit großen Augen auf die Erwachsenen, die sich liebevoll ansahen. Sandra versuchte das Zittern zu unterdrücken, das sie durchfuhr, und mit der Hand zeichnete sie die Konturen seines Gesichtes nach.
»Ja«, antwortete sie. »Das könnte ich mir sehr gut vorstellen.«
Dann bot sie ihm ihre Lippen zum Kuß dar.
»Hurra!« rief Nikki. »Endlich bekomme ich eine Familie.«
Die beiden Verliebten bückten sich und hoben sie gemeinsam hoch. So standen sie ganz eng beisammen, als wollten sie sich nie wieder trennen.
Niemand von ihnen ahnte, daß diese Szene von einem Fenster aus beobachtet wurde. Ilona Gruber stand in ihrem Zimmer und schaute hinaus. Das Licht hatte sie gelöscht, so daß niemand von außen ahnen konnte, daß sich dort jemand aufhielt. Oliver Behringer nahm ohnehin an, daß die Kinderfrau gar nicht im Haus sei.
Auch ohne ein Wort zu verstehen, wußte Ilona das Geschehen im Park zu deuten. Schon als sie die Ankunft der Frau am Nachmittag miterlebte, wußte sie, daß