Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Ganz deutlich konnte sie sein Gesicht sehen. Die dunkelblonden Haare mit der Tolle, die ihm immer wieder ins Gesicht fiel, die rauchblauen Augen und der lächelnde Mund.
Genauso hatte er sie angesehen, damals, als er von ihr Abschied nahm. Zwölf Jahre war es jetzt her. Thomas war achtzehn gewesen und Andrea siebzehn. In Tränen aufgelöst, hatte sie dem Zug nachgeschaut, der ihn nach München ins Konservatorium brachte. Zuerst waren noch regelmäßig Briefe gekommen, in denen der angehende Pianist von der Ausbildung und seinen Fortschritten berichtete. Doch mit der Zeit wurden sie immer spärlicher, reduzierten sich, von drei Briefen im Monat, erst auf zwei, dann auf einen, und irgendwann blieben sie schließlich ganz aus.
Lange Zeit hörte Andrea gar nichts mehr von ihm, dabei hatten sie sich doch ewige Liebe geschworen. Dann, eines Tages, bekam das Madel zufällig eine Zeitschrift in die Hände, in der ein Artikel über Thomas Burger stand, der ein gefeiertes Debüt als Pianist gegeben hatte.
Andrea schnitt den Artikel aus und legte ihn in eine Mappe. Im Laufe der Zeit sammelte sie alles, was über Thomas zu lesen war – Konzertberichte, Kritiken, Preise und Auszeichnungen, die das junge Talent einheimste. Und tat es auch weh, nur noch aus Zeitungsausschnitten etwas über den Geliebten zu hören und zu wissen, daß er sie wohl längst vergessen hatte – Andrea wurde nicht müde, diese Ausschnitte zu sammeln und akribisch zu ordnen. Mit den Jahren wurde so ein dicker Ordner daraus, der in ihrem Zimmer, in einem Regal über dem Bett, stand. So manchen Abend hatte sie die Sammlung zur Hand genommen und darin geblättert, während sie der Musik lauschte. Seiner Musik, versteht sich, die sie sich von ihrem Erspartem gekauft hatte.
Ja, zuerst hatte es sehr weh getan. Doch inzwischen überwog der Stolz. Andrea freute sich über jeden seiner Erfolge, und vielleicht würde er ja irgendwann, eines schönen Tages zurückkommen…
»Na, träumst schon wieder?« wurde das junge Madel unsanft in die Wirklichkeit zurückgeholt.
Ihre Mutter stand neben dem Liegestuhl und hatte ihr die Kopfhörer heruntergezogen. Walburga Hofer war eine resolute Mittvierzigerin, die uneingeschränkt über den Berghof regierte. Selbst Anton, ihr Mann, kuschte vor der drallen Bäuerin, die einst, in jungen Jahren, als Magd auf den Hof gekommen war.
»Nun schaust aber, daß du die Bohnen pflückst«, sagte sie zu ihrer Tochter. »Anschließend holst die Eier aus dem Hühnerhof. Morgen kommt der Franz Hochanger mit seiner Mutter zum Kaffee. Da kannst gleich nachher noch einen Napfkuchen backen.«
»Ja, Mutter«, antwortete Andrea gehorsam und sprang auf. »Aber den Kuchen für den Franz, den versalz’ ich.«
Sie wußte nur zu gut, was dieser Bursch zu bedeuten hatte – während die beiden Mütter sich bei Kaffee und Kuchen unterhielten, scharwenzelte Franz um Andrea herum und versuchte, sie zum Tanzabend in den Löwen einzuladen. Seit zwei Jahren umwarb er sie jetzt schon, doch das junge Madel hatte jeden seiner Anträge standhaft abgewiesen.
»Ich weiß gar net, was du willst«, schimpfte die Mutter. »Beim Hochanger hättest’ dein geregeltes Auskommen, und der Franz ist doch ein fescher Bursche. Seine Eltern würden sich sofort aufs Altenteil zurückziehen, wenn du ihn endlich heiraten tät’st. Bist ja schließlich auch net mehr die Jüngste!«
Burgl Hofer schüttelte den Kopf. Sie verstand das Madel wirklich nicht.
»Ach geh, Mutter, wann ich heirat’, das bestimm’ ich selbst und auch wen«, gab die Tochter zurück und machte sich daran, die Sachen um den Liegestuhl wegzuräumen.
Ihre Mutter sah ihr hinterher, und ein leises Lächeln glitt um ihren Mund. Diesen Dickkopf, dachte sie nicht ohne Stolz, den hat sie von mir.
*
Sebastian Trenker wanderte am Rande der Landstraße entlang, als neben ihm ein Auto mit Münchener Kennzeichen anhielt. Der Pfarrer von St. Johann kam von einer Wanderung auf die Korber-Alm und hatte auf dem Rückweg einen Besuch auf dem Pachnerhof gemacht.
Es war eine dunkle Limousine, die am Straßenrand hielt. Die Fahrertür wurde geöffnet und ein junger Mann stieg aus.
»Grüß’ Gott, Hochwürden, wollen S’ ein Stück mitfahren?« fragte er.
Sebastian riß erstaunt die Augen auf, als er erkannte, wer da neben ihm gehalten hatte.
»Seh’ ich richtig, Thomas? Bist du’s wirklich?«
»Wie ich leib und lebe«, antwortete der junge Pianist lachend.
Die beiden Männer schüttelten sich die Hände.
»Ich kann’s noch immer net glauben«, sagte der Geistliche, als er neben Thomas Burger in dessen Auto saß. »Wie lang’ bist’ net mehr zu Haus gewesen?«
»Zwölf Jahr’ werden’s jetzt. Ich wär’ ja schon längst gekommen, aber mir fehlte die Zeit. Wissen S’, die vielen Verpflichtungen, die Verträge und Auftritte.«
Sebastian sah ihn von der Seite an.
»Bist ja ein berühmter Mann geworden«, meinte er. »Aber, mir gefällt, daß du immer noch so redest, wie wir hier es tun.«
»Lassen S’ das bloß net meinen Agenten hören«, schmunzelte Thomas. »Dem stehen seine paar Haare zu Berge, wenn er mich so sprechen hört.«
Er deutete auf die Berge, Almwiesen und Tannenspitzen.
»Wenn ich auch in vielen Ländern der Welt gespielt hab’, das hier, das hab’ ich wirklich vermißt«, sagte er. »Mag sein, daß ich berühmt bin, aber verändert hat es mich net. Ich bin der geblieben, der ich war, als ich damals fortging. Und was den Ruhm angeht, da sind S’ ja net ganz unbeteiligt.«
Jetzt war es der Seelsorger, der schmunzelte. Da hatte Thomas wirklich recht, mit dem, was er sagte. Schließlich war er es gewesen, der das Talent des jungen Bauernsohnes erkannt und gefördert hatte. Schon mit dreizehn Jahren durfte Thomas auf der Orgel in Sankt Johann üben, wenn keine Messe war. Im Gegensatz zu seinem Bruder Wenzel, der musikalisch eher unbegabt war, schien Thomas ein angeborenes Gefühl für Melodien und Noten zu haben. Leicht glitten seine Finger über die Tasten, während das Te Deum wie ein Orkan durch das Kirchenschiff hallte.
Sebastian Trenker, der vom Talent des Jungen überzeugt war, nahm Kontakt zu Professor Meyerbrink auf, einem anerkannten Lehrer am Münchener Konservatorium. Der Professor kam und ließ Thomas vorspielen. Natürlich war sein Spiel noch nicht so perfekt wie heute, doch der Musikus erkannte, welch ein musikalisches Genie in dem Buben schlummerte, und bot ihm an, später, nach dem Abitur, bei ihm Unterricht zu nehmen.
Wenzel, der den väterlichen Hof übernommen hatte, zahlte dem Bruder dessen Erbteil aus, wodurch die Ausbildung in der Musikschule finanziell abgesichert war.
»Ich freu’ mich, daß ich dir damals den Anstoß dazu geben durfte«, wehrte der Pfarrer Trenker ab. »Alles andere ist ganz alleine deinem Können zu verdanken.«
Sie waren bei der Kirche angekommen. Der Geistliche bedankte sich für das Mitnehmen. Normalerweise wäre er die paar Kilometer zu Fuß gegangen, aber unter diesen besonderen Umständen war das natürlich etwas anderes.
»Ich wünsch’ dir einen schönen Urlaub«, sagte er zum Abschied. »Bestimmt freuen sich der Wenzel und die Sonja über deinen Besuch.«
»Die