Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Daß Maria Franziska gerade an Tobias Anzengruber erinnert hatte, riß eine alte Wunde bei der jungen Bäuerin auf.
Franzi Pachner hatte vor drei Jahren, nachdem der Vater verstorben war, den Hof übernommen. Ganz auf sich alleine gestellt, nur mit Hilfe von Maria und Valentin, hatte sie alles getan, das väterliche Erbe zu erhalten. Neben dem Hof, etlichen Hektar Land und einem großen Waldstück, hatte Alois Pachner seiner Tochter auch ein nicht unbeträchtliches Vermögen hinterlassen, das teils aus Bargeld, aber auch aus Wertpapieren bestand. Alles in allem war Franziska Pachner eine »gute Partie«.
Der Nachbarssohn Tobias Anzengruber warb schon seit längerem um die schöne Bauerntochter. Nach dem Tod ihres Vaters
sah der gewiefte Bursche seine Chance gekommen. Als Zweitgeborener hatte er nur die Möglichkeit, entweder als Knecht seines Bruders zu arbeiten oder fortzugehen. Doch beides wollte ihm nicht so recht schmecken.
Franzi war bereit, seinem Werben nachzugeben. Tobias sah nicht nur gut aus – er war der Schwarm aller Madeln im Tal –, er gab sich auch überaus hilfsbereit, arbeitete, ohne etwas dafür zu verlangen und half und tat, wo er nur konnte. Die Bäuerin erinnerte sich noch gut an den Abend, an dem Tobias sie fragte, ob sie seine Frau werden wolle.
Sie glaubte, vor Glück zu zerspringen, denn schon lange hatte sie auf diesen Moment gewartet. Doch dieses Glück wurde jäh zerstört, als Franzi ihren Verlobten in den Armen einer anderen Frau entdeckte. Auf einem Tanzabend im Hotel »Zum Löwen« war es. Die junge Bäuerin hatte mit einem anderen Burschen getanzt und war an ihren Tisch zurückgekehrt. Tobias war verschwunden und tauchte auch nicht wieder auf. Franzi fand ihn schließlich draußen in der Dunkelheit.
Die beiden standen am Rand des Parkplatzes, als die junge Frau aus dem Hotel trat. Sie waren so mit sich selbst beschäftigt, daß sie nicht bemerkten, wie Franzi sich ihnen näherte.
»Geh’, Tobias, du bist doch verlobt«, hörte sie die andere Frau sagen, doch an deren Stimme war zu erkennen, daß sie nicht ernst meinte, was sie sagte.
Tobias Anzengruber machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Schmarr’n«, lachte er. »Die Franzi weiß ja von nix. Außerdem, wenn sie ihr vieles Geld net hätt… nehmen tät ich sie net. Das kannst mir glauben.«
Franziska fühlte, wie sich ihr Herz verkrampfte, als sie dies anhören mußte. Einen Moment lang schwindelte es ihr. Doch dann riß sie sich zusammen. Ganz ruhig ging sie auf die beiden zu, die auseinanderfuhren, als sie die Stimme vernahmen.
»Ich weiß mehr, als du glaubst, Tobias«, sagte sie, und ehe er sich versah, spürte der Bursche fünf Finger auf der linken Wange.
Dann drehte Franziska sich um und ging davon. Niemand sollte ihre Tränen sehen. Natürlich weinte sie aus Enttäuschung, aber auch aus Wut darüber, auf diesen Kerl hereingefallen zu sein. Beinahe zumindest.
Aber das würde ihr nie wieder passieren, schwor sie sich. Nie wieder würde sie sich in ein Mannsbild vergucken. Wie konnte sie denn sicher sein, daß er es nicht auf ihr Geld abgesehen hatte?
Franzi erhob sich und ging zum Fenster hinüber. Auf schmerzliche Weise war sie an ein dunkles Kapitel ihres jungen Lebens erinnert worden. Doch jetzt stand ein anderes Problem im Vordergrund. Hilfe mußte her! Nur woher nehmen, wenn sich niemand anbot?
*
Im Pfarrhaus war wieder einmal Putztag. Einmal in der Woche, meistens am Dienstag, machte sich Sophie Tappert daran, sämtliche Räume einer großen Reinigung zu unterziehen. Um dabei keine Zeit mit dem Kochen zu verlieren, köchelte auf dem Küchenherd ein Suppentopf vor sich hin, in dem alles schwamm, was der Garten an Gemüse hergab. Außerdem hatte die Haushälterin Grießklößchen als weitere Einlage vorbereitet.
Pfarrer Trenker suchte an solchen Tagen lieber die Ruhe seiner Kirche auf. Auch in der Sakristei gab es immer wieder mal etwas zu räumen und zu ordnen. Alois Kammeier, der Mesner von Sankt Johann, war dabei eine große Hilfe.
Sebastian Trenker war gerade dabei, die Einbände der Kirchenbücher abzustauben. Es waren riesige Folianten mit breiten Rücken. Die ältesten waren vor mehr als dreihundert Jahren angelegt worden. In ihnen war alles aufgezeichnet worden, was sich mit der Zeit zugetragen hatte. Geburten und Todesfälle, Hochzeiten und Taufen, Kriegs- und Pestheimsuchungen. Für Historiker waren diese Bände eine wahre Fundgrube, und nicht selten kam es vor, daß sich ein Gelehrter für ein paar Wochen im Dorf einquartierte und tagtäglich die alten Kirchenbücher studierte.
Alois Kammeier stand auf einer Trittleiter und ordnete einen Stapel Bücher, der oben auf einem der Regale lag, weil in den Reihen kein Platz mehr dafür war.
»Schau’n S’ einmal, Hochwürden«, sagte er.
Sebastian sah zu ihm hoch. Der Mesner hielt ein dickeres Buch in der Hand. Es war in schwarzes Leder gebunden, der Titel war mit goldenen Buchstaben eingeprägt.
»Was haben S’ denn da gefunden?« fragte der Geistliche.
Alois hatte seinen Fund aufgeschlagen und blätterte darin. Er machte ein ratloses Gesicht.
»Das meiste kann ich gar net lesen«, gab er zu und reichte das Buch, das ein goldenes Wappen zierte, nach unten.
Pfarrer Trenker blätterte es auf. Ziemlich verschnörkelte Schriftzeichen prangten auf dem Innenblatt, die erst auf den zweiten Blick als Buchstaben zu erkennen waren.
»Können S’ das etwa lesen?« fragte der Mesner.
Sebastian nickte.
»Da haben S’ einen interessanten Fund gemacht«, sagte er. »Das ist die Chronik einer alten Adelsfamilie, die hier im Wachnertal beheimatet war. Das Grafengeschlecht derer von Herdingen war soviel ich weiß, einstmals ein reicher und einflußreicher Zweig des böhmischen Königshauses.«
»Dann ist das Buch wohl sehr wertvoll?«
»Für Historiker bestimmt und natürlich für unsere Kirche. Es ist doch immer wieder ganz erstaunlich, was für Schätze man entdeckt.«
Der Geistliche beschloß, den Fund mit ins Pfarrhaus zu nehmen und bei Gelegenheit intensiver darin zu lesen.
Durch die offene Tür waren Schritte zu hören, die sich der Sakristei näherten.
»Das wird mein Bruder sein«, mutmaßte Sebastian. »Lassen S’ uns für heute Schluß machen.«
Wenig später steckte Max Trenker seinen Kopf herein.
»Pfüat euch, miteinand’«, sagte der Polizeibeamte. »Schönen Gruß von der Frau Tappert, das Essen steht auf dem Tisch.«
»Komm schon«, nickte der Pfarrer.
Beim Mittagessen war das Buch natürlich Gesprächsthema.
»Aber die Grafen Herdingen sind doch längst ausgestorben, oder net?« fragte der Polizist.
»Seit