Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Voller Wut und Verzweiflung hieb er gegen die Wand, ohne den Schmerz zu spüren. Dann setzte er sich auf das Bett und überlegte, was er tun sollte. Er kam schließlich zu dem Schluß, daß es das einzig richtige war, sofort abzureisen.
Doch das konnte er nicht tun, ohne die Frau, die ihn jetzt so maßlos enttäuschte, anzuklagen. Briefbogen und Umschlag lagen auf dem Schreibtisch. Carsten setzte sich und schrieb sich seinen Kummer von der Seele. Besser fühlte er sich nicht, aber immerhin würde Elke wissen, was sie ihm angetan hatte.
In Windeseile hatte er seine beiden Koffer gepackt und an der Rezeption seine Rechnung verlangt. Dann hinterließ er den Brief. Er verstaute sein Gepäck und spürte, wie aufgewühlt er innerlich war. So konnte er unmöglich autofahren. In diesem Zustand würde er sich und andere gefährden.
Mit einer fahrigen Bewegung strich er sich über das Gesicht. Sein Blick fiel auf die Haltestelle auf der anderen Straßenseite. Carsten wußte, daß von dort der Bus in die Stadt abfuhr, und eine wahnwitzige Idee kam ihm.
Nur einmal noch wollte er den Platz aufsuchen, an dem er so – vermeintlich – glücklich gewesen war. Wo er geglaubt hatte, die Frau für’s Leben gefunden zu haben.
Schon nach kurzer Zeit hielt der Bus. Carsten stieg ein, bezahlte den Fahrpreis und setzte sich auf einen der hinteren Sitzplätze. Er schaute aus dem Fenster, ohne wirklich die Landschaft zu sehen. Die draußen vorbeizog. Er sah immer nur die gleiche Szene – Elke in den Armen eines anderen Mannes!
*
Sebastian Trenker verließ gerade die Kirche, als Elke und ihr Bruder ihm entgegen kamen. Der Geistliche erkannte an den verweinten Augen der Frau, daß etwas geschehen war.
»Frau Kerner, kann ich Ihnen helfen?«
Elke nickte. Schon wieder war sie den Tränen nahe. Mit stockender Stimme stellte sie ihren Bruder vor und erklärte dann ihr Anliegen. Obgleich vieles wirr klang und ohne Zusammenhang, wurde es für den Seelsorger schnell klar, um was es sich drehte. Selbstverständlich war er sofort bereit, zu helfen.
»Wissen Sie denn, wo Herr Henning sich jetzt aufhalten könnte?« fragte er.
»Meine Schwester glaubt es zumindest«, erwiderte Reinhard Kerner.
»Es ist nur eine Vemutung«, sagte Elke. »Wir haben am Sonntag einen Ausflug in die Stadt gemacht.«
Sie machte eine verzweifelte Handbewgung.
»Ich könnt’ mir vorstellen, daß Carsten dort im Park ist, wo wir auf der Bank saßen.«
Elke schloß die Augen und wischte die Tränen von ihrem Gesicht.
»Dort hat er mich gefragt, ob wir beide… ob ich seine…«
Reinhard nahm sie in die Arme, während Pfarrer Trenker nickte. Er hatte verstanden, was Elke sagen wollte.
»Kommen Sie«, sagte er. »Wir fahren einfach hin und suchen ihn dort. Sie möchten sicher, daß ich zuerst mit ihm spreche, nicht wahr?«
»Ja, das wär’ schön, Hochwürden«, flüsterte sie. »Er hat so begeistert von Ihnen gesprochen. Wenn er überhaupt auf jemanden hört, dann sind Sie es.«
»Gut, ich sag’ nur schnell meiner Haushälterin, daß ich für ein paar Stunden net fort bin.«
Bevor er ins Pfarrhaus ging, drehte er sich noch einmal um.
»Kopf hoch, Frau Kerner, wir werden Ihren Carsten schon finden. Und bestimmt wird alles wieder gut. Schließlich hab’ ich mir einen Termin für Eure Trauung freigehalten.«
Elke nickte tapfer, doch in ihrem Herzen saß eine beißende Angst.
»Hoffentlich begeht er keine Dummheit«, sagte sie leise zu ihrem Bruder.
Reinhard Kerner schaute sie entsetzt an.
»Um Gottes willen, Madel, das darfst du net einmal denken«, stieß er hervor.
Liebevoll strich er über ihr Haar.
»Du wirst seh’n, Pfarrer Trenker wird recht behalten«, sagte er zuversichtlich.
Seine Schwester faltete ihre Hände und schaute stumm zur Kirche hinüber.
»Recht so«, nickte Reinhard. »Ein Gebet kann Wunder bewirken.
*
Die Fahrt verlief schweigsam. Elke kam sie unendlich lang vor. Sie saß hinten im Fond, während Pfarer Trenker Reinhard, der am Steuer saß, den Weg wies. Endlich hielt der Wagen an.
»Hier ist der Eingang zum Stadtpark«, sagte Sebastian.
Sie stiegen aus und gingen den von Rasen und Blumen gesäumten Weg entlang.
»Dort steht die Bank«, deutete Elke nach vorne, und ihre Augen weiteten sich. »Und da sitzt Carsten!«
Sebastian und Reinhard sahen die nach vorne gebeugte Gestalt.
»Lassen S’ mich erst einmal mit ihm alleine reden«, schlug der Geistliche vor.
Die beiden nickten, und Sebastian schritt schneller aus, während Elke und ihr Bruder ihm langsam folgten.
»Grüß’ Gott, Herr Henning«, sagte Pfarrer Trenker, als er vor der Bank stand.
Carsten, der ihn nicht hatte kommen sehen, schaute erstaunt auf, als er mit seinem Namen angesprochen wurde.
»Hochwürden? Was machen Sie denn hier?«
»Das wollt’ ich Sie fragen, Herr Henning. In St. Johann werden Sie schrecklich vermißt.«
Carsten sah ihn ungläubig an. Sebastian stand so, daß der Hamburger nicht sehen konnte, wer da den Weg heraufkam.
»Ich?« fragte er und lächelte müde. »Wer sollte mich schon vermissen?«
Der Geistliche sah, daß der Mann sich aufgegeben hatte, ihm schien alles egal zu sein. Es war ein Wunder, daß er sich nicht aus lauter Kummer betrunken hatte. Sebastian rüttelte ihn an der Schulter.
»Hören Sie, Herr Henning, ich weiß, was heute morgen geschehen ist, was Sie auf dem Parkplatz gesehen haben. Und ich weiß auch, daß das alles ein schreckliches Mißverständnis ist. Frau Kerners Bruder ist überraschend bereits heute morgen eingetroffen und nicht, wie geplant, am Freitag. Er war es, den Ihre Verlobte so stürmisch begrüßte.«
Carsten schaute ihn nicht verstehend an. Sebastian nickte.
»Es ist so, wie ich sage, Herr Henning. Ihrem Brief an Frau Kerner entnehmen wir, daß Sie vor nicht all zu langer Zeit eine schlimme Enttäuschung erlebt haben. Vermutlich hat eine Frau Sie hintergangen. Daher ist Ihre heutige Reaktion nur zu verständlich. Die Wunden sind tief und noch recht frisch, und da haben Sie vermutet, ein weiteres Mal betrogen worden zu sein.