Dr. Norden Bestseller Classic 40 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Er hatte mit Rosalie und den Kindern einen Spaziergang gemacht, und als sie heimkamen, saß sein Vater an dem Schreibtisch, an dem nun er saß.
Er machte einen völlig ruhigen, gesammelten Eindruck, aber die Worte, die er sagte, versetzten Martin einen Stich.
»Ich denke, es ist doch besser, wenn ich ein Testament mache. Man weiß nie, was kommt. Meine Hoffnung, dass meine Kinder sich eines Tages einig werden würden, wird wohl unerfüllt bleiben, und ich habe drei Enkelkinder, die ich liebe.«
»Musst du heute davon sprechen, Vater?«, fragte Martin, »ausgerechnet heute?«
»Für euch ist es ein schöner Tag, mein Junge. Ich bin jetzt nicht in der Stimmung, mit euch beisammen zu sein. Ihr braucht ja auch mal ab und zu ein paar Stunden für euch. Ich meine, dass ihr etwas zu viel Rücksicht auf den Großpapa nehmt.«
»Du gehörst zu uns, Vater«, erwiderte Martin. »Rosalie ist der gleichen Ansicht.«
»Ja, ich weiß. Ich danke euch. Ihr macht mir das Leben lebenswert, aber dennoch muss man an die Zukunft denken.«
»Ulla war hier«, sagte Martin vorsichtig.
»Ja, sie war hier. Darüber wollen wir jetzt nicht sprechen. Ihr seid jetzt sechs Jahre verheiratet, das siebente Jahr beginnt. Man nennt es das kritische Jahr, aber um euch brauche ich mir wohl keine Sorgen zu machen.«
»Gewiss nicht, Vater«, hatte Martin erwidert.
Und warum tönten jetzt Ullas Worte in seinen Ohren fort? Liebte ihn Rosalie denn so, dass er nicht um den Fortbestand seiner Ehe fürchten musste? Hatte sie ihn je so geliebt, wie er sie liebte?
Sie war so jung und so bezaubernd schön. Er hatte oft so wenig Zeit für sie gehabt, aber sie hatten drei Kinder und war eine vorbildliche Mutter.
Was ist nur mit mir los?, fragte sich Martin. Warum kommen solche Gedanken und lassen sich nicht vertreiben?
Hatte es während der sechs Ehejahre jemals Zweifel gegeben? War er nicht eifersüchtig gewesen, wenn Rosalie bewundert und umschwärmt wurde, wo immer sie auch in Erscheinung trat, immer an seiner Seite?
Gegen sechs Uhr war Birgitta gekommen, die ihre Wohnung im Obergeschoss hatte. Sie hatte bei ihnen hereingeschaut. Da spielten sie gerade mit den Kindern.
»Trautes Heim, Glück allein«, hatte sie ironisch gesagt. »Kannst du dich nicht mal von deiner Familie trennen, Martin? Konsul Kordas gibt eine Party in Salzburg. Du hast doch eine Einladung bekommen.«
»Wir haben eine bekommen«, erwiderte Martin, »aber wir haben heute unseren sechsten Hochzeitstag.«
»Wie aufregend«, spottete Birgitta. »Na, dann kommt ja das siebente verflixte Jahr. Was sagst du, Rosalie? Du fühlst dich doch in unseren Kreisen recht wohl. Kordas ist ein Verehrer von dir.«
Martin entging es nicht, dass sie »ein« betonte. Boshaft konnte sie sein, aber Rosalie hörte darüber hinweg.
Wie hatte sie überhaupt die Anzüglichkeiten ertragen können in all den Jahren? Das fragte er sich jetzt auch.
Aus Zuneigung zu ihm, oder war es sein Vater gewesen, der ihr noch mehr bedeutete?
Mit einem Stöhnen erhob er sich und ging hinüber zu ihren Räumen.
»Endlich kommst du, Tino«, sagte Rosalie verhalten. »Es ist doch alles schwer genug, Lieber. Mach es dir nicht noch schwerer. Ich möchte dir helfen.«
Er lag neben ihr, ihre Hand lag an seiner Wange. »Ich liebe dich, Rosalie«, sagte er leise.
»Ich liebe dich auch, Tino«, erwiderte sie. »Vater wird uns sehr fehlen, aber er wusste doch, dass er sich auf dich verlassen kann. Er war ein wunderbarer Mann. Er bleibt lebendig in mir. Ich liebte ihn mehr als meinen eigenen Vater. Es hat mich immer geschmerzt, dass ich nicht auch deine Mutter kennenlernen durfte.«
»Sie liebte Christian am meisten«, sagte er leise. »Wäre er doch am Leben! Wir verstanden uns so gut. Ich weiß nicht, wie ich es ohne Vater schaffen soll. Mit Christian wäre es leichter gewesen.«
»Du hast doch auch mich, Tino. Warum kannst du nicht mit mir über all deine Sorgen sprechen?«, fragte Rosalie.
»Da sind doch die Kinder. Sie brauchen dich. Mir ist der Gedanke schrecklich, dass Henrik und Birgitta hier im Hause wohnen und Vater nicht mehr da ist. Vielleicht wird sich auch Ulla nun wieder hier breitmachen. Ich bin in der Fabrik, und du bist hier. Sie werden weiterleben wie bisher. Ja, auch das bereitet mir Sorgen.«
»Was ist mit Ulla?«, fragte Rosalie.
»Sie will sich scheiden lassen. Deswegen hat Vater sich aufgeregt.«
Dann schwiegen sie, weil sie Motorengeräusch hörten. Rosalie blickte auf die Uhr. Es war fünf Uhr morgens.
Knatternde Geräusche durchbrachen die Stille der Nacht, dann verstummten sie.
Martin richtete sich auf. »Es wird Birgitta sein«, sagte er. »Ich werde es ihr sagen.«
Er erhob sich und zog den Morgenmantel an. »Es wird auch für sie ein Schock sein«, sagte Rosalie leise.
»Ein Schock? Sie werden sich ausrechnen, was sie nun ausgeben können«, erwiderte er bitter.
Rosalie blickte ihm mit angehaltenem Atem nach. Dann tat sie etwas, was sie früher nie getan hätte. Sie lief auf nackten Füßen zur Tür und öffnete diese einen Spalt. Sie hätte sich keine Rechenschaft geben können, warum sie das tat. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, und sie hatte Angst, dass Martin die kommenden Tage nicht durchstehen würde.
Warum hatte sie diese Angst? Das fragte sie sich in dieser Stunde nicht. Sie wollte nur an seiner Seite sein, wenn er sie brauchte.
»Wieso bist du auf?«, hörte sie ihren Schwager Henrik fragen.
»Tut es dir leid, dass du nicht mitgekommen bist?«, ertönte gleich darauf Birgittas Stimme. »Es war wundervoll.«
»Dann zehrt davon«, hörte Rosalie ihren Mann sagen. »Ich muss euch mitteilen, dass unser Vater gestorben ist.«
Tonlos klang seine Stimme, aber auch so hart, wie Rosalie sie noch nie gehört hatte. Sie hielt den Atem wieder an, presste ihre Stirn an die Türfüllung und klammerte sich an der Klinke fest.
Stille herrschte drunten in der Halle. Totenstille. »Das kann doch nicht wahr sein«, sagte Henrik dann, und wenn es nicht so totenstill gewesen wäre, hätte Rosalie es nicht hören können. Kalte, eisige Schauer rannen über ihren Rücken, als Birgitta hysterisch zu schreien begann.
»Das ist nicht wahr, nein, das ist nicht wahr! Ein Mann wie er stirbt nicht so einfach. Ich will es nicht glauben!«
»Wenn du jetzt erst merkst, was er dir bedeutete, ist es zu spät«, sagte Martin. »Du brauchst nicht zu heulen, Birgitta.«
»Aber wie konnte das geschehen?«, fragte Henrik in die darauffolgende Stille.
»Es war ein Herzinfarkt. Wir haben Vater