Reisen nach Ophir. Rolf Neuhaus

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Reisen nach Ophir - Rolf Neuhaus marix Sachbuch

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die Stadt ist ohne Reiz. Im Kinematographen gibt es üble europäische Filme, dazu spielt eine Malaienband europäische Musikfragmente miserabler und rührender als jede kleine, hilflose, besoffene heimische Dorfkapelle. Die Koffer tauchen nicht auf. Kuala Lumpur macht einen eleganten, wohlhabenden, gediegenen Eindruck, das feine Hotel Empire ist äuβerlich imposant, doch Kost und Service sind zum Kotzen. Sturz kriegt seine Koffer wieder, Hesse geht in den Blumengärten eines öffentlichen Parks auf Schmetterlingsfang. Besuch zweier Tropfsteinhöhlen, Rückweg durch Rubber-Estates und Tamilendörfer, die Weiber tragen all ihr Vermögen an sich. Ein bequemes Bett aus zwei Sitzen im Nachtzug nach Johore, doch kein Schlaf, sondern ein schnarchender Holländer. Übersetzen nach Singapur, viel Jungle und Sumpf, Autofahrt über rote erdene Straβen und durch Kokoswald ans Meer, dann Besuch eines malaiischen Theaters, lustiges Zeug weit besser gespielt als in George Town. Bis Mitternacht Whisky im Singapore Club, morgen, vier Wochen nach Genua, geht’s erst richtig los.

      Mit ihren 15 Kisten und Koffern schifften sich Hesse und die Brüder Sturzenegger auf einem kleinen holländischen Küstendampfer ein. Sie waren die einzigen Passagiere der ersten Klasse und hatten das Hinterdeck für sich. Dort saβen sie in altväterlichen Lehnstühlen am weiβ gedeckten Tisch und lieβen sich von drei aufmerksamen und hübschen Javanen bedienen. Im Unterschied zu den chinesischen Boys der Hotels in den Straits Settlements und den Malay States, die ebenso schlecht und lieblos zu servieren pflegten wie europäische Kellner in einem Durchschnittshotel, umkreisten jene Javanen die Gäste mit der einschmeichelnden Treue guter Krankenschwestern, kamen jedem Wunsch lächelnd und ohne Hast zuvor, schenkten die Gläser nach jedem Schluck wieder voll, standen mit brennendem Streichholz bereit, noch bevor der Raucher bemerkte, dass seine Zigarre ausgegangen war. In holländischer Behaglichkeit tuckerten die Reisenden an hundert Inseln vorüber durch die brütende Nacht, überquerten den Äquator und sprachen über Sumatra, Krokodile und Malaria, tranken Whisky und waren nass vom unablässig rieselnden Schweiβ, dann legten sie sich zum Schlafen an Deck oder in die Kabine.

      Am Morgen fuhr das Schiff mit der Flut in die breite braune Mündung eines der groβen Ströme Sumatras ein. In Tonkal verlieβen viele aus der dritten Klasse das Schiff, und der einzige Europäer am Ort, ein holländischer Beamter, kam kurz an Bord. Vom Dorf waren nur etwa zwei Dutzend Hütten zu sehen, Pfahlbauten, die alle durch einen schmalen Laufsteg hoch über dem Schlamm miteinander verbunden waren, dahinter erhoben sich Kokospalmen. Stundenlang ging es den Batang Hari hinauf, durch ununterbrochenen Urwald mit wirrem Farn- und Baumgewimmel direkt hinter dem Ufer. Ab und zu tauchten spitze schmale Einbäume auf, die von den Eingeborenen mit bewundernswerter Geschicklichkeit gerudert wurden, vielfach diente ihnen nur ein abgeschnittenes Palmblatt als Ruder. In der Abenddämmerung stieg in einem der kleinen Dörfer ein neuer Passagier zu, Hiese aus Ulm, mit dem Hesse aus Calw die Kabine teilte. Der Kapitän meinte, er habe seit Langem nicht mehr so viele Kajütenpassagiere gehabt. Hiese lebte seit 16 Jahren im Busch allein unter Natives, Tigern, Schlangen und Krokodilen, er sprach flieβend Holländisch, besser und lieber noch Malaiisch, lobte Land und Leute und verachtete die Europäer, die er fast alle für Gauner hielt.

      Das Schiff blieb früh in der Nacht wegen Niedrigwasser weit unterhalb von Djambi liegen. Louis Hasenfratz, Schweizer Kaufmann und Kompagnon der Holzhandelsfirma Djambi-Maatschappji, holte seine Gäste am Morgen im kleinen Boot vom Dampfer ab. Der breite Batang Hari lag jetzt fünf, sechs Meter unter dem Uferrand, bei Hochwasser füllte der Fluss sein Bett aus. Die Fischer- und Handwerkerhütten an der Einfahrt zum Städtchen schwammen auf Flöβen aus Baumstämmen oder Bambus. Hasenfratz wohnte mit Frau und Tochter und einem drolligen, schwanzlosen Affen in einem Bungalow am Fuβ eines kahlen Hügels. Nahm man ein Bad, erschien das kleine schwarze, vom weiβen Bart eingerahmte Gesicht des Affen im Giebel der offenen Hütte, und man musste um seine Kleider fürchten. An den Wänden saβen rosagraue Echsen, die Fliegen und Motten fingen und im Kampf mit gröβeren Insekten auch schon mal zu Boden gingen. Drauβen im Wasserbecken lagen sechs junge, ganz reizende Alligatoren.

      Mit einem kleinen chinesischen Raddampfer fuhren Hasenfratz und seine Gäste weiter flussaufwärts. Das Unterdeck war voller Kisten mit Paranusspflanzen, das Oberdeck gehörte den Passagieren. Ein javanischer Schneider arbeitete fleiβig an seiner Singer-Nähmaschine, Chinesen spielten Karten. Der Strom wand sich durch den Dschungel, hinter den hohen Ufern ragten einzelne Urwaldriesen aus dem Dickicht. Kokospalmen zeigten Dörfer an, Kinder spielten im Wasser, Büffel badeten. In einem dieser Kampongs erntete ein dressierter Affe Kokosnüsse. Flink lief er den Stamm hinauf, drehte die Nuss um ihren Stiel und lieβ sie fallen. Wollte der angebundene Affe eine grüne Frucht pflücken, wurde ihm durch Zurufe und Ziehen an der Schnur signalisiert, dass die Nuss noch nicht reif war. Am Abend breiteten die Passagiere ihre Matten und Matratzen auf Deck aus und verbreiteten einen groβen Gestank. Die Natives pflegten nicht nur mit Kokos- oder Citronellaöl zu kochen, sondern sich auch den Körper damit einzureiben, und dieser zähe, ekelhafte Geruch war für Hesse während seines ganzen Aufenthalts im Osten der einzige, aber zwingende Anlass, Widerwillen gegenüber den Eingeborenen zu empfinden. Er fand keinen Schlaf und ging aufs Vorderdeck, wo der Steuermann mit rätselhafter Sicherheit durch die rabenschwarze, undurchdringliche Nacht ins Herz der Finsternis fuhr, diese abgrundtiefe Dunkelheit, die genauso zäh und dicht war wie die heiβfeuchte Luft und der schwere Kokosölgeruch; er musste Tigeraugen haben. Dann sah und hörte Hesse zu, wie der Raddampfer an einem Floβ anlegte und Holz für die Feuerung aufnahm. Zwei Stunden lang gingen Tausende Scheite im Fackellicht von Hand zu Hand, und der Oberkuli zählte sie mit lautem Singsang, was die Geister der Toten, die nachts über dem Fluss schwebten, und die Krokodile fernhalten sollte.

      In Pelaiang wohnten Hasenfratz und Gefolge in einem gelben Käfig, der zwischen dem steilen Flussufer und dem Urwald zweieinhalb Meter über dem Boden hing, in einer Hütte aus Bambus und geflochtenen Palmblättern, die auf Pfählen stand. Pelaiang war eine kleine Siedlung mit hundert malaiischen Kulis der holländischen Handelsgesellschaft sowie einem chinesischen Kaufladen. Das Gebiet war erst seit drei Jahren befriedet, das heiβt die Ureinwohner waren vertrieben oder niedergeschossen worden. Hasenfratz’ Djambi-Maatschappji hatte in dem noch völlig ungenutzten Land die erste Holzkonzession bekommen und begann nun, Eisenholz zu gewinnen. Scharen keuchender und singender Kulis schleppten und zerrten die eisenschweren Stämme mit Winden und Hebeln, an Drahtseilen, Tauen und Ketten, auf Rollen und Schlitten aus den Schluchten, durch Sumpf und Urwald, um sie zu 20 Meter langen Balken hauptsächlich für den Werftenbau zu verarbeiten, die auf dem Fluss, der einzigen Straβe, verschifft werden mussten, denn Eisenholz schwimmt nicht. Wir Weiβen – so Hesse – »schreiten ruhig und herrisch durch die Wildnis, erteilen in unserem verdorbenen Malaiisch kalte Befehle und sehen die dunklen, uralten Eisenholzbäume ohne Rührung fallen«. Die Malaien aber täten es auch in Zukunft niemals den Europäern, Chinesen oder Japanern gleich und betrieben solche Werke als Unternehmer, blieben vielmehr immer nur Holzfäller und Schlepper, und was sie dabei verdienten, das ginge fast alles für Bier und Tabak und Uhrketten und Sonntagshüte wieder an die ausländischen Unternehmer zurück.

      Hesse ging mit dem Schmetterlingsnetz auf Falterjagd, stapfte zum Schutz vor Blutegeln und Schlangen in Lodengamaschen durch den Urwald wie durch ein fabelhaftes Bilderbuch, von Farnen und Dorngestrüpp überwucherte Baumstämme lagen faulend herum, baumdicke Lianenstränge hingen von aufrechten Riesen herab, auf dem Boden wuselte es in erstickendem Zeugungstaumel, fuβlange Tausendfüβler rannten durcheinander, ganze Ameisenvölker waren unterwegs, schillernde Schmetterlinge flogen unerreichbar über Hesse hinweg, grüne Vögel sahen ihn aus groβen Augen an, er schoss auf einen Nashornvogel und verfehlte ihn, die Insekten summten tausendstimmig, Affenfamilien sprangen durchs Geäst und schrien, die Natur war im Rausch, alles war geiles Gären, war Fruchtbarkeit und Verschwendung, und ein Leben zählte nicht viel. Hesse, Hasenfratz und die Sturzeneggers fuhren in einer schlanken, flachen Prau den Fluss hinauf, schossen Waldtauben und kehrten gerade noch rechtzeitig nach Pelaiang zurück, um sich am Ufer ein paar Eimer Flusswasser über den Kopf zu gieβen, bevor die Nacht und die Krokodile kamen. Hasenfratz’ chinesischer Koch bereitete das Nachtmahl zu und trug auf, die Herren saβen auf der Veranda ihres goldenen Käfigs und verfügten über vier groβe Kisten mit Whisky und Sodawasser, Weiβ- und Rotwein, Sherry, Schnaps und Bremer Schlüsselbier. Sie sahen in die tiefe, satte Dunkelheit, vor

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